Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.armen Kasper gewiß sein Plätzchen neben der Mutter Das gebe Gott! erwiederte die Alte; sehe Er nun, Was ist es denn nun mit der schönen Annerl? Da erwiederte die Alte: Ach, lieber Schreiber, es armen Kasper gewiß ſein Plätzchen neben der Mutter Das gebe Gott! erwiederte die Alte; ſehe Er nun, Was iſt es denn nun mit der ſchönen Annerl? Da erwiederte die Alte: Ach, lieber Schreiber, es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="43"/> armen Kasper gewiß ſein Plätzchen neben der Mutter<lb/> vergönnen.</p><lb/> <p>Das gebe Gott! erwiederte die Alte; ſehe Er nun,<lb/> lieber Menſch, als der Gerichtshalter Alles zu Papier<lb/> gebracht hatte, gab er mir die Brieftaſche und den Kranz<lb/> für die ſchöne Annerl, und ſo bin ich dann geſtern hier¬<lb/> her gelaufen, damit ich ihr an ihrem Ehrentag den<lb/> Troſt noch mit auf den Weg geben kann. — Der Kas¬<lb/> per iſt zu rechter Zeit geſtorben, hätte er Alles gewußt,<lb/> er wäre närriſch geworden vor Betrübniß.</p><lb/> <p>Was iſt es denn nun mit der ſchönen Annerl?<lb/> fragte ich die Alte, bald ſagt Ihr: ſie habe nur noch<lb/> wenige Stunden, bald ſprecht Ihr von ihrem Ehrentag,<lb/> und ſie werde Troſt gewinnen durch Eure traurige Nach¬<lb/> richt; ſagt mir doch Alles heraus, will ſie Hochzeit hal¬<lb/> ten mit einem Andern, iſt ſie todt, krank? Ich muß<lb/> Alles wiſſen, damit ich es in die Bittſchrift ſetzen kann.</p><lb/> <p>Da erwiederte die Alte: Ach, lieber Schreiber, es<lb/> iſt nun ſo, Gottes Wille geſchehe! ſehe Er, als Kasper<lb/> kam, war ich doch nicht recht froh, als Kasper ſich das<lb/> Leben nahm, war ich doch nicht recht traurig, ich hätte<lb/> es nicht überleben können, wenn Gott ſich meiner nicht<lb/> erbarmt gehabt hätte mit größerem Leid. Ja, ich ſage<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0053]
armen Kasper gewiß ſein Plätzchen neben der Mutter
vergönnen.
Das gebe Gott! erwiederte die Alte; ſehe Er nun,
lieber Menſch, als der Gerichtshalter Alles zu Papier
gebracht hatte, gab er mir die Brieftaſche und den Kranz
für die ſchöne Annerl, und ſo bin ich dann geſtern hier¬
her gelaufen, damit ich ihr an ihrem Ehrentag den
Troſt noch mit auf den Weg geben kann. — Der Kas¬
per iſt zu rechter Zeit geſtorben, hätte er Alles gewußt,
er wäre närriſch geworden vor Betrübniß.
Was iſt es denn nun mit der ſchönen Annerl?
fragte ich die Alte, bald ſagt Ihr: ſie habe nur noch
wenige Stunden, bald ſprecht Ihr von ihrem Ehrentag,
und ſie werde Troſt gewinnen durch Eure traurige Nach¬
richt; ſagt mir doch Alles heraus, will ſie Hochzeit hal¬
ten mit einem Andern, iſt ſie todt, krank? Ich muß
Alles wiſſen, damit ich es in die Bittſchrift ſetzen kann.
Da erwiederte die Alte: Ach, lieber Schreiber, es
iſt nun ſo, Gottes Wille geſchehe! ſehe Er, als Kasper
kam, war ich doch nicht recht froh, als Kasper ſich das
Leben nahm, war ich doch nicht recht traurig, ich hätte
es nicht überleben können, wenn Gott ſich meiner nicht
erbarmt gehabt hätte mit größerem Leid. Ja, ich ſage
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/53>, abgerufen am 16.02.2025. |