Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.Muthe geworden; sie schrieen: Kasper; lieber Kasper, 3*
Muthe geworden; ſie ſchrieen: Kasper; lieber Kasper, 3*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="35"/> Muthe geworden; ſie ſchrieen: Kasper; lieber Kasper,<lb/> um Gotteswillen, bringe uns nicht ins Elend. Kasper,<lb/> Du ſollſt ja Alles wieder haben, um Deiner ſeligen Mut¬<lb/> ter willen, deren Sterbetag heute iſt, erbarme Dich Dei¬<lb/> nes Vaters und Bruders. Kasper aber war wie ver¬<lb/> zweifelt, er ſchrie nur immer: meine Ehre, meine Pflicht!<lb/> und da ſie nun mit Gewalt die Thür erbrechen wollten,<lb/> und ein Fach in der Lehmwand einſtießen, um zu ent¬<lb/> kommen, ſchoß er ein Piſtol in die Luft, und ſchrie:<lb/> Hülfe, Hülfe, Diebe, Hülfe! Die Bauern, von dem Ge¬<lb/> richtshalter erweckt, welche ſchon herannahten, um ſich<lb/> über die verſchiedenen Wege zu bereden, auf denen ſie<lb/> die Einbrecher in die Mühle verfolgen wollten, ſtürzten<lb/> auf den Schuß und das Geſchrei ins Haus. Der alte<lb/> Finkel flehte immer noch, der Sohn ſolle ihm die Thür<lb/> öffnen, der aber ſagte: ich bin ein Soldat und muß der<lb/> Gerechtigkeit dienen. Da traten der Gerichtshalter und<lb/> die Bauern heran. Kasper ſagte: um Gottes Barm¬<lb/> herzigkeit willen, Herr Gerichtshalter, mein Vater, mein<lb/> Bruder ſind ſelbſt die Diebe, o, daß ich nie geboren<lb/> wäre! hier im Stall hab' ich ſie gefangen, mein Fell¬<lb/> eiſen liegt im Miſte vergraben. Da ſprangen die Bauern<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0045]
Muthe geworden; ſie ſchrieen: Kasper; lieber Kasper,
um Gotteswillen, bringe uns nicht ins Elend. Kasper,
Du ſollſt ja Alles wieder haben, um Deiner ſeligen Mut¬
ter willen, deren Sterbetag heute iſt, erbarme Dich Dei¬
nes Vaters und Bruders. Kasper aber war wie ver¬
zweifelt, er ſchrie nur immer: meine Ehre, meine Pflicht!
und da ſie nun mit Gewalt die Thür erbrechen wollten,
und ein Fach in der Lehmwand einſtießen, um zu ent¬
kommen, ſchoß er ein Piſtol in die Luft, und ſchrie:
Hülfe, Hülfe, Diebe, Hülfe! Die Bauern, von dem Ge¬
richtshalter erweckt, welche ſchon herannahten, um ſich
über die verſchiedenen Wege zu bereden, auf denen ſie
die Einbrecher in die Mühle verfolgen wollten, ſtürzten
auf den Schuß und das Geſchrei ins Haus. Der alte
Finkel flehte immer noch, der Sohn ſolle ihm die Thür
öffnen, der aber ſagte: ich bin ein Soldat und muß der
Gerechtigkeit dienen. Da traten der Gerichtshalter und
die Bauern heran. Kasper ſagte: um Gottes Barm¬
herzigkeit willen, Herr Gerichtshalter, mein Vater, mein
Bruder ſind ſelbſt die Diebe, o, daß ich nie geboren
wäre! hier im Stall hab' ich ſie gefangen, mein Fell¬
eiſen liegt im Miſte vergraben. Da ſprangen die Bauern
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/45>, abgerufen am 27.07.2024. |