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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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Oberstube zu Bett, und legte sich selbst unten auf eini¬
gen Säcken zur Ruhe. Das Geklapper der Mühle und
die Sehnsucht nach der Heimath ließen den guten Kas¬
per, wenn er gleich sehr müde war, nicht fest einschlafen.
Er war sehr unruhig und dachte an seine selige Mutter
und an das schöne Annerl, und an die Ehre, die ihm
bevorstehe, wenn er als Unteroffizier vor die Seinigen
treten würde. So entschlummerte er endlich leis' und
wurde von ängstlichen Träumen oft aufgeschreckt, es war
ihm mehrmals: als trete seine selige Mutter zu ihm und
bäte ihn händeringend um Hülfe; dann war es ihm, als
sey er gestorben und würde begraben, gehe aber selbst
zu Fuße als Todter mit zu Grabe, und schön Annerl
gehe ihm zur Seite; er weine heftig, daß ihn seine Ka¬
meraden nicht begleiteten, und da er auf den Kirchhof
komme, sey sein Grab neben dem seiner Mutter; und
Annerls Grab sey auch dabei, und er gebe Annerl das
Kränzlein, das er ihr mitgebracht und hänge das der
Mutter an ihr Grab, und dann habe er sich umgeschaut
und Niemand mehr gesehen als mich, und die Annerl
die habe einer an der Schürze ins Grab gerissen, und
er sey dann auch ins Grab gestiegen, und habe gesagt:
Ist denn Niemand hier, der mir die letzte Ehre anthut,

Oberſtube zu Bett, und legte ſich ſelbſt unten auf eini¬
gen Säcken zur Ruhe. Das Geklapper der Mühle und
die Sehnſucht nach der Heimath ließen den guten Kas¬
per, wenn er gleich ſehr müde war, nicht feſt einſchlafen.
Er war ſehr unruhig und dachte an ſeine ſelige Mutter
und an das ſchöne Annerl, und an die Ehre, die ihm
bevorſtehe, wenn er als Unteroffizier vor die Seinigen
treten würde. So entſchlummerte er endlich leiſ' und
wurde von ängſtlichen Träumen oft aufgeſchreckt, es war
ihm mehrmals: als trete ſeine ſelige Mutter zu ihm und
bäte ihn händeringend um Hülfe; dann war es ihm, als
ſey er geſtorben und würde begraben, gehe aber ſelbſt
zu Fuße als Todter mit zu Grabe, und ſchön Annerl
gehe ihm zur Seite; er weine heftig, daß ihn ſeine Ka¬
meraden nicht begleiteten, und da er auf den Kirchhof
komme, ſey ſein Grab neben dem ſeiner Mutter; und
Annerls Grab ſey auch dabei, und er gebe Annerl das
Kränzlein, das er ihr mitgebracht und hänge das der
Mutter an ihr Grab, und dann habe er ſich umgeſchaut
und Niemand mehr geſehen als mich, und die Annerl
die habe einer an der Schürze ins Grab geriſſen, und
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[29/0039] Oberſtube zu Bett, und legte ſich ſelbſt unten auf eini¬ gen Säcken zur Ruhe. Das Geklapper der Mühle und die Sehnſucht nach der Heimath ließen den guten Kas¬ per, wenn er gleich ſehr müde war, nicht feſt einſchlafen. Er war ſehr unruhig und dachte an ſeine ſelige Mutter und an das ſchöne Annerl, und an die Ehre, die ihm bevorſtehe, wenn er als Unteroffizier vor die Seinigen treten würde. So entſchlummerte er endlich leiſ' und wurde von ängſtlichen Träumen oft aufgeſchreckt, es war ihm mehrmals: als trete ſeine ſelige Mutter zu ihm und bäte ihn händeringend um Hülfe; dann war es ihm, als ſey er geſtorben und würde begraben, gehe aber ſelbſt zu Fuße als Todter mit zu Grabe, und ſchön Annerl gehe ihm zur Seite; er weine heftig, daß ihn ſeine Ka¬ meraden nicht begleiteten, und da er auf den Kirchhof komme, ſey ſein Grab neben dem ſeiner Mutter; und Annerls Grab ſey auch dabei, und er gebe Annerl das Kränzlein, das er ihr mitgebracht und hänge das der Mutter an ihr Grab, und dann habe er ſich umgeſchaut und Niemand mehr geſehen als mich, und die Annerl die habe einer an der Schürze ins Grab geriſſen, und er ſey dann auch ins Grab geſtiegen, und habe geſagt: Iſt denn Niemand hier, der mir die letzte Ehre anthut,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/39>, abgerufen am 28.03.2024.