Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

mein Häuschen, und erzählte mir alles und weinte die
bittern Thränen. Ich konnte ihm nicht helfen; die
Geschichte, die er mir auch erzählte, konnte ich zwar nicht
ganz verwerfen, aber ich sagte ihm doch immer zuletzt:
Gieb Gott allein die Ehre! Ich gab ihm noch den
Segen, denn sein Urlaub war am andern Tage aus,
und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte,
wo ein Pathgen von mir auf dem Edelhof diente, auf
die er gar viel hielt, er wollte einmal mit ihr hausen;
-- sie werden auch wohl bald zusammen kommen, wenn
Gott mein Gebet erhört. Er hat seinen Abschied schon
genommen, mein Pathgen wird ihn heut erhalten, und
die Aussteuer hab' ich auch schon beisammen, es soll auf
der Hochzeit weiter Niemand seyn, als ich. Da ward
die Alte wieder still und schien zu beten. Ich war in
allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Christ den
Tod des Unteroffiziers schön finden dürfe? Ich wollte:
es sagte mir einmal Einer etwas Hinreichendes darüber.

Als der Wächter Ein Uhr anrief, sagte die Alte:
nun habe ich noch zwei Stunden; ei, ist Er noch da,
warum geht Er nicht schlafen? Er wird morgen nicht
arbeiten können, und mit Seinem Meister Händel kriegen;
von welchem Handwerk ist Er denn, mein guter Mensch?

mein Häuschen, und erzählte mir alles und weinte die
bittern Thränen. Ich konnte ihm nicht helfen; die
Geſchichte, die er mir auch erzählte, konnte ich zwar nicht
ganz verwerfen, aber ich ſagte ihm doch immer zuletzt:
Gieb Gott allein die Ehre! Ich gab ihm noch den
Segen, denn ſein Urlaub war am andern Tage aus,
und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte,
wo ein Pathgen von mir auf dem Edelhof diente, auf
die er gar viel hielt, er wollte einmal mit ihr hauſen;
— ſie werden auch wohl bald zuſammen kommen, wenn
Gott mein Gebet erhört. Er hat ſeinen Abſchied ſchon
genommen, mein Pathgen wird ihn heut erhalten, und
die Ausſteuer hab' ich auch ſchon beiſammen, es ſoll auf
der Hochzeit weiter Niemand ſeyn, als ich. Da ward
die Alte wieder ſtill und ſchien zu beten. Ich war in
allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Chriſt den
Tod des Unteroffiziers ſchön finden dürfe? Ich wollte:
es ſagte mir einmal Einer etwas Hinreichendes darüber.

Als der Wächter Ein Uhr anrief, ſagte die Alte:
nun habe ich noch zwei Stunden; ei, iſt Er noch da,
warum geht Er nicht ſchlafen? Er wird morgen nicht
arbeiten können, und mit Seinem Meiſter Händel kriegen;
von welchem Handwerk iſt Er denn, mein guter Menſch?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="18"/>
mein Häuschen, und erzählte mir alles und weinte die<lb/>
bittern Thränen. Ich konnte ihm nicht helfen; die<lb/>
Ge&#x017F;chichte, die er mir auch erzählte, konnte ich zwar nicht<lb/>
ganz verwerfen, aber ich &#x017F;agte ihm doch immer zuletzt:<lb/>
Gieb Gott allein die Ehre! Ich gab ihm noch den<lb/>
Segen, denn &#x017F;ein Urlaub war am andern Tage aus,<lb/>
und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte,<lb/>
wo ein Pathgen von mir auf dem Edelhof diente, auf<lb/>
die er gar viel hielt, er wollte einmal mit ihr hau&#x017F;en;<lb/>
&#x2014; &#x017F;ie werden auch wohl bald zu&#x017F;ammen kommen, wenn<lb/>
Gott mein Gebet erhört. Er hat &#x017F;einen Ab&#x017F;chied &#x017F;chon<lb/>
genommen, mein Pathgen wird ihn heut erhalten, und<lb/>
die Aus&#x017F;teuer hab' ich auch &#x017F;chon bei&#x017F;ammen, es &#x017F;oll auf<lb/>
der Hochzeit weiter Niemand &#x017F;eyn, als ich. Da ward<lb/>
die Alte wieder &#x017F;till und &#x017F;chien zu beten. Ich war in<lb/>
allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Chri&#x017F;t den<lb/>
Tod des Unteroffiziers &#x017F;chön finden dürfe? Ich wollte:<lb/>
es &#x017F;agte mir einmal Einer etwas Hinreichendes darüber.</p><lb/>
        <p>Als der Wächter Ein Uhr anrief, &#x017F;agte die Alte:<lb/>
nun habe ich noch zwei Stunden; ei, i&#x017F;t Er noch da,<lb/>
warum geht Er nicht &#x017F;chlafen? Er wird morgen nicht<lb/>
arbeiten können, und mit Seinem Mei&#x017F;ter Händel kriegen;<lb/>
von welchem Handwerk i&#x017F;t Er denn, mein guter Men&#x017F;ch?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0028] mein Häuschen, und erzählte mir alles und weinte die bittern Thränen. Ich konnte ihm nicht helfen; die Geſchichte, die er mir auch erzählte, konnte ich zwar nicht ganz verwerfen, aber ich ſagte ihm doch immer zuletzt: Gieb Gott allein die Ehre! Ich gab ihm noch den Segen, denn ſein Urlaub war am andern Tage aus, und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte, wo ein Pathgen von mir auf dem Edelhof diente, auf die er gar viel hielt, er wollte einmal mit ihr hauſen; — ſie werden auch wohl bald zuſammen kommen, wenn Gott mein Gebet erhört. Er hat ſeinen Abſchied ſchon genommen, mein Pathgen wird ihn heut erhalten, und die Ausſteuer hab' ich auch ſchon beiſammen, es ſoll auf der Hochzeit weiter Niemand ſeyn, als ich. Da ward die Alte wieder ſtill und ſchien zu beten. Ich war in allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Chriſt den Tod des Unteroffiziers ſchön finden dürfe? Ich wollte: es ſagte mir einmal Einer etwas Hinreichendes darüber. Als der Wächter Ein Uhr anrief, ſagte die Alte: nun habe ich noch zwei Stunden; ei, iſt Er noch da, warum geht Er nicht ſchlafen? Er wird morgen nicht arbeiten können, und mit Seinem Meiſter Händel kriegen; von welchem Handwerk iſt Er denn, mein guter Menſch?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/28
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/28>, abgerufen am 25.04.2024.