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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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mit und suche er ihn auszufragen; wenn er mir einen
Zettel bringt, daß er es empfangen, so gebe ich ihm bei
der Rückkehr ein gutes Trinkgeld." -- Ich war zu Al¬
lem bereit; man lud mir einen Sack voll Kartoffeln, ei¬
nen Sack voll Mehl, einen Kuhkäs, einen Topf voll But¬
ter, einige Laib Brod und einen Korb mit Eiern auf, Alles
mit der Adresse, an Seine Hochgeborne Excellenz Herrn
Herrn Raugrafen Gockel von Hanau, königlich Gelnhause¬
nischen Exhühnerminister in -- da steht ein Fragezeichen. --
Nun fahre ich schon ein paar Stunden herum und kann das
Schloß nicht finden, und ich führe noch herum -- aber es
geht nicht -- denn der Postwagen ist mir umgefallen, und
der ganze Korb mit Eiern ist mir zerbrochen, ihr werdet die
Bescheerung sehen. -- Ich ließ den Postillon schon eine
Stunde lang um Hülfe blasen und suchte einstweilen, bis
Jemand käme, uns den Wagen aufrichten zu helfen, hier
unter den Bäumen Pfifferlinge für einen Freund in Nürn¬
berg. Das ist die Geschichte, jetzt kommt und helft."

Gockel umarmte den Conducteur, knöpfte seinen Wam¬
mes auf, zeigte ihm seinen Orden und gab sich als den Ex¬
hühnerminister zu erkennen. Niemand war froher als der
Conducteur. Sie eilten nach dem umgefallenen Postwagen,
trugen die Kartoffeln, das Mehl, das Brod, den Käs, die
Butter, die Gockel gehörten, in ein dichtes Gebüsch, richte¬
ten den Postwagen wieder auf, wischten mit Gras das Ei¬
gelb von den zerbrochenen Eiern aus dem Wagen und schmier¬
ten die Räder damit. Gockel nahm seinen Siegelring, wor¬
auf ein doppelter Hahn eingestochen war, den er mit Ei¬
gelb bestrich und dem Conducteur in sein Postbuch als Be¬
scheinigung des Empfangs abdruckte. -- "Nun ist alles vor¬
trefflich, Herr Graf," sagte der Conducteur, "aber eine Ge¬
fälligkeit möchte ich mir erbitten. Ein Freund von mir, in
Nürnberg, ein Liebhaber von Raritäten, hat auf der Durch¬
reise in Gelnhausen, im königlichen Normalhühnermuseum,

mit und ſuche er ihn auszufragen; wenn er mir einen
Zettel bringt, daß er es empfangen, ſo gebe ich ihm bei
der Ruͤckkehr ein gutes Trinkgeld.“ — Ich war zu Al¬
lem bereit; man lud mir einen Sack voll Kartoffeln, ei¬
nen Sack voll Mehl, einen Kuhkaͤs, einen Topf voll But¬
ter, einige Laib Brod und einen Korb mit Eiern auf, Alles
mit der Adreſſe, an Seine Hochgeborne Excellenz Herrn
Herrn Raugrafen Gockel von Hanau, koͤniglich Gelnhauſe¬
niſchen Exhuͤhnerminiſter in — da ſteht ein Fragezeichen. —
Nun fahre ich ſchon ein paar Stunden herum und kann das
Schloß nicht finden, und ich fuͤhre noch herum — aber es
geht nicht — denn der Poſtwagen iſt mir umgefallen, und
der ganze Korb mit Eiern iſt mir zerbrochen, ihr werdet die
Beſcheerung ſehen. — Ich ließ den Poſtillon ſchon eine
Stunde lang um Huͤlfe blaſen und ſuchte einſtweilen, bis
Jemand kaͤme, uns den Wagen aufrichten zu helfen, hier
unter den Baͤumen Pfifferlinge fuͤr einen Freund in Nuͤrn¬
berg. Das iſt die Geſchichte, jetzt kommt und helft.“

Gockel umarmte den Conducteur, knoͤpfte ſeinen Wam¬
mes auf, zeigte ihm ſeinen Orden und gab ſich als den Ex¬
huͤhnerminiſter zu erkennen. Niemand war froher als der
Conducteur. Sie eilten nach dem umgefallenen Poſtwagen,
trugen die Kartoffeln, das Mehl, das Brod, den Kaͤs, die
Butter, die Gockel gehoͤrten, in ein dichtes Gebuͤſch, richte¬
ten den Poſtwagen wieder auf, wiſchten mit Gras das Ei¬
gelb von den zerbrochenen Eiern aus dem Wagen und ſchmier¬
ten die Raͤder damit. Gockel nahm ſeinen Siegelring, wor¬
auf ein doppelter Hahn eingeſtochen war, den er mit Ei¬
gelb beſtrich und dem Conducteur in ſein Poſtbuch als Be¬
ſcheinigung des Empfangs abdruckte. — „Nun iſt alles vor¬
trefflich, Herr Graf,“ ſagte der Conducteur, „aber eine Ge¬
faͤlligkeit moͤchte ich mir erbitten. Ein Freund von mir, in
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[31/0057] mit und ſuche er ihn auszufragen; wenn er mir einen Zettel bringt, daß er es empfangen, ſo gebe ich ihm bei der Ruͤckkehr ein gutes Trinkgeld.“ — Ich war zu Al¬ lem bereit; man lud mir einen Sack voll Kartoffeln, ei¬ nen Sack voll Mehl, einen Kuhkaͤs, einen Topf voll But¬ ter, einige Laib Brod und einen Korb mit Eiern auf, Alles mit der Adreſſe, an Seine Hochgeborne Excellenz Herrn Herrn Raugrafen Gockel von Hanau, koͤniglich Gelnhauſe¬ niſchen Exhuͤhnerminiſter in — da ſteht ein Fragezeichen. — Nun fahre ich ſchon ein paar Stunden herum und kann das Schloß nicht finden, und ich fuͤhre noch herum — aber es geht nicht — denn der Poſtwagen iſt mir umgefallen, und der ganze Korb mit Eiern iſt mir zerbrochen, ihr werdet die Beſcheerung ſehen. — Ich ließ den Poſtillon ſchon eine Stunde lang um Huͤlfe blaſen und ſuchte einſtweilen, bis Jemand kaͤme, uns den Wagen aufrichten zu helfen, hier unter den Baͤumen Pfifferlinge fuͤr einen Freund in Nuͤrn¬ berg. Das iſt die Geſchichte, jetzt kommt und helft.“ Gockel umarmte den Conducteur, knoͤpfte ſeinen Wam¬ mes auf, zeigte ihm ſeinen Orden und gab ſich als den Ex¬ huͤhnerminiſter zu erkennen. Niemand war froher als der Conducteur. Sie eilten nach dem umgefallenen Poſtwagen, trugen die Kartoffeln, das Mehl, das Brod, den Kaͤs, die Butter, die Gockel gehoͤrten, in ein dichtes Gebuͤſch, richte¬ ten den Poſtwagen wieder auf, wiſchten mit Gras das Ei¬ gelb von den zerbrochenen Eiern aus dem Wagen und ſchmier¬ ten die Raͤder damit. Gockel nahm ſeinen Siegelring, wor¬ auf ein doppelter Hahn eingeſtochen war, den er mit Ei¬ gelb beſtrich und dem Conducteur in ſein Poſtbuch als Be¬ ſcheinigung des Empfangs abdruckte. — „Nun iſt alles vor¬ trefflich, Herr Graf,“ ſagte der Conducteur, „aber eine Ge¬ faͤlligkeit moͤchte ich mir erbitten. Ein Freund von mir, in Nuͤrnberg, ein Liebhaber von Raritaͤten, hat auf der Durch¬ reiſe in Gelnhauſen, im koͤniglichen Normalhuͤhnermuſeum,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/57>, abgerufen am 19.04.2024.