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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Krümmt sie uns nur ein einzig Haar,
Faßt uns ein wenig nur beim Schopf, --
Vielmehr, -- frißt sie uns ganz und gar,
So kommt die That auf deinen Kopf,
Wonach du dich zu richten hast!

Gegeben vor dem Ohrenloch
Des Wirthes, auf der dritten Rast
Von unsrer Brautfahrt, da ich kroch
In seinen Aermel vor der Katz,
Nebst meiner Braut aus großem Schreck,
Worauf in seiner Mütze Platz
Er uns gemacht. Prinz Speckelfleck.
Punktum, Streusand, nun halte still,
Ins Ohr beiß ich dir mein Sigill.

Nach dieser ziemlich unhöflichen Rede biß Prinz Spe¬
ckelfleck den ehrlichen Gockel so derb ins Ohrläppchen, daß
er mit einem lauten Schrei erwachte und um sich schlug.
Da flohen die beiden Mäuse in großer Angst wieder in die
Pudelmütze. -- "Nein das ist doch zu grob, einen ins Ohr
zu beißen," sagte Gockel. Da erwachte Frau Hinkel, und
fragte: "wer hat dich denn ins Ohr gebissen, du hast gewiß
geträumt." -- "Ist möglich," sagte Gockel, und sie schliefen
wieder ein.

Nach einer Weile sprach Sissi zu Pfiffi: "Aber um alle
Welt, was hast du nur gethan, daß der Mann so bös ge¬
worden?" -- Da wiederholte ihr Pfiffi seine ganze Rede,
und Sissi sagte mit Unwillen: "Ich traue meinen Ohren
kaum, Pfiffi! kann man unvernünftiger und plumper bitten,
als du? die niedrigste Bauernmaus würde sich in unsrer Lage
diplomatischer benommen haben. Alles ist verloren, ich bin
ohne Rettung in die Krallen der Katze hingegeben durch deine
übel angebrachte Hoffart. -- Ach mein junges Leben, o
hätte ich dich nie gesehen! u. s. w." -- Pfiffi war ganz ver¬
zweifelt über die Vorwürfe und Klagen seiner Braut, und

Kruͤmmt ſie uns nur ein einzig Haar,
Faßt uns ein wenig nur beim Schopf, —
Vielmehr, — frißt ſie uns ganz und gar,
So kommt die That auf deinen Kopf,
Wonach du dich zu richten haſt!

Gegeben vor dem Ohrenloch
Des Wirthes, auf der dritten Raſt
Von unſrer Brautfahrt, da ich kroch
In ſeinen Aermel vor der Katz,
Nebſt meiner Braut aus großem Schreck,
Worauf in ſeiner Muͤtze Platz
Er uns gemacht. Prinz Speckelfleck.
Punktum, Streuſand, nun halte ſtill,
Ins Ohr beiß ich dir mein Sigill.

Nach dieſer ziemlich unhoͤflichen Rede biß Prinz Spe¬
ckelfleck den ehrlichen Gockel ſo derb ins Ohrlaͤppchen, daß
er mit einem lauten Schrei erwachte und um ſich ſchlug.
Da flohen die beiden Maͤuſe in großer Angſt wieder in die
Pudelmuͤtze. — „Nein das iſt doch zu grob, einen ins Ohr
zu beißen,“ ſagte Gockel. Da erwachte Frau Hinkel, und
fragte: „wer hat dich denn ins Ohr gebiſſen, du haſt gewiß
getraͤumt.“ — „Iſt moͤglich,“ ſagte Gockel, und ſie ſchliefen
wieder ein.

Nach einer Weile ſprach Siſſi zu Pfiffi: „Aber um alle
Welt, was haſt du nur gethan, daß der Mann ſo boͤs ge¬
worden?“ — Da wiederholte ihr Pfiffi ſeine ganze Rede,
und Siſſi ſagte mit Unwillen: „Ich traue meinen Ohren
kaum, Pfiffi! kann man unvernuͤnftiger und plumper bitten,
als du? die niedrigſte Bauernmaus wuͤrde ſich in unſrer Lage
diplomatiſcher benommen haben. Alles iſt verloren, ich bin
ohne Rettung in die Krallen der Katze hingegeben durch deine
uͤbel angebrachte Hoffart. — Ach mein junges Leben, o
haͤtte ich dich nie geſehen! u. ſ. w.“ — Pfiffi war ganz ver¬
zweifelt uͤber die Vorwuͤrfe und Klagen ſeiner Braut, und

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[22/0048] Kruͤmmt ſie uns nur ein einzig Haar, Faßt uns ein wenig nur beim Schopf, — Vielmehr, — frißt ſie uns ganz und gar, So kommt die That auf deinen Kopf, Wonach du dich zu richten haſt! Gegeben vor dem Ohrenloch Des Wirthes, auf der dritten Raſt Von unſrer Brautfahrt, da ich kroch In ſeinen Aermel vor der Katz, Nebſt meiner Braut aus großem Schreck, Worauf in ſeiner Muͤtze Platz Er uns gemacht. Prinz Speckelfleck. Punktum, Streuſand, nun halte ſtill, Ins Ohr beiß ich dir mein Sigill. Nach dieſer ziemlich unhoͤflichen Rede biß Prinz Spe¬ ckelfleck den ehrlichen Gockel ſo derb ins Ohrlaͤppchen, daß er mit einem lauten Schrei erwachte und um ſich ſchlug. Da flohen die beiden Maͤuſe in großer Angſt wieder in die Pudelmuͤtze. — „Nein das iſt doch zu grob, einen ins Ohr zu beißen,“ ſagte Gockel. Da erwachte Frau Hinkel, und fragte: „wer hat dich denn ins Ohr gebiſſen, du haſt gewiß getraͤumt.“ — „Iſt moͤglich,“ ſagte Gockel, und ſie ſchliefen wieder ein. Nach einer Weile ſprach Siſſi zu Pfiffi: „Aber um alle Welt, was haſt du nur gethan, daß der Mann ſo boͤs ge¬ worden?“ — Da wiederholte ihr Pfiffi ſeine ganze Rede, und Siſſi ſagte mit Unwillen: „Ich traue meinen Ohren kaum, Pfiffi! kann man unvernuͤnftiger und plumper bitten, als du? die niedrigſte Bauernmaus wuͤrde ſich in unſrer Lage diplomatiſcher benommen haben. Alles iſt verloren, ich bin ohne Rettung in die Krallen der Katze hingegeben durch deine uͤbel angebrachte Hoffart. — Ach mein junges Leben, o haͤtte ich dich nie geſehen! u. ſ. w.“ — Pfiffi war ganz ver¬ zweifelt uͤber die Vorwuͤrfe und Klagen ſeiner Braut, und

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/48>, abgerufen am 19.04.2024.