erwacht war, trat Verena zu mir und sprach: "Gesegne dich Gott, goldne Amey, du schöne Braut, das fromme Hühn¬ lein schickt mich, es weiß Alles, segne uns Gott, daß wir von der langen künftigen Reise glücklich zurückgekommen sind, vom Erndtewagen auf den Brautwagen. Schön Dank, du hast auf der rechten Seite geruht, Ende gut, Alles gut! -- aber stehe auf, daß ich dich schmücke als Braut, hörst du, deine elf Kränzeljungfern, die drei Schwestern mit den Li¬ lien und die acht Ordensgespielen mit den Pflichthühnern singen schon unten die Brautlieder." -- Ich erwiederte ihr nach alter Gewohnheit: "Vreneli, was machts Büblein?" und sie sprach:
"Es hat sein Sach ganz gut gemacht, Der Wagen trug dich fort mit Pracht, Ich bin bei ihm geblieben, Hab, als es vom Geräusch erwacht Und still sein Gärbchen angelacht, Ihm Aehren ausgerieben. Die Körnlein hat es in der Nacht Gar treu gezählt und mit Bedacht Sie hüben und auch drüben Ins Soll und Haben rein und sacht, Wie du es liebst, zu Buch gebracht, Bis Morgens früh geschrieben."
"Gott sey Dank," sagte ich, "so hast du dann Alles mit mir geträumt, und Alles wird im Tagebuch stehen, ich habe den Ring Salomonis darum gedreht." -- Der Gesang aber tönte näher und näher und Verena sprach: "Geschwind stehe auf, daß ich dich ankleide, die Brautjungfern sind schon unter dem Fenster." -- Ich sprang aber auf und fuhr mit dem linken Fuß zuerst in den Pantoffel und öffnete das Fen¬ ster. Draußen lag ein dichter, weißer Nebel, die Lieder klan¬ gen mir so traurig hindurch. Der Nebel fiel mir ins Gesicht, ich ward schwermüthig und kriegte den Schnupfen; ich weinte, konnte nicht sprechen, jed Wort schnürte mir die Kehle zu,
erwacht war, trat Verena zu mir und ſprach: „Geſegne dich Gott, goldne Amey, du ſchoͤne Braut, das fromme Huͤhn¬ lein ſchickt mich, es weiß Alles, ſegne uns Gott, daß wir von der langen kuͤnftigen Reiſe gluͤcklich zuruͤckgekommen ſind, vom Erndtewagen auf den Brautwagen. Schoͤn Dank, du haſt auf der rechten Seite geruht, Ende gut, Alles gut! — aber ſtehe auf, daß ich dich ſchmuͤcke als Braut, hoͤrſt du, deine elf Kraͤnzeljungfern, die drei Schweſtern mit den Li¬ lien und die acht Ordensgeſpielen mit den Pflichthuͤhnern ſingen ſchon unten die Brautlieder.“ — Ich erwiederte ihr nach alter Gewohnheit: „Vreneli, was machts Buͤblein?“ und ſie ſprach:
„Es hat ſein Sach ganz gut gemacht, Der Wagen trug dich fort mit Pracht, Ich bin bei ihm geblieben, Hab, als es vom Geraͤuſch erwacht Und ſtill ſein Gaͤrbchen angelacht, Ihm Aehren ausgerieben. Die Koͤrnlein hat es in der Nacht Gar treu gezaͤhlt und mit Bedacht Sie huͤben und auch druͤben Ins Soll und Haben rein und ſacht, Wie du es liebſt, zu Buch gebracht, Bis Morgens fruͤh geſchrieben.“
„Gott ſey Dank,“ ſagte ich, „ſo haſt du dann Alles mit mir getraͤumt, und Alles wird im Tagebuch ſtehen, ich habe den Ring Salomonis darum gedreht.“ — Der Geſang aber toͤnte naͤher und naͤher und Verena ſprach: „Geſchwind ſtehe auf, daß ich dich ankleide, die Brautjungfern ſind ſchon unter dem Fenſter.“ — Ich ſprang aber auf und fuhr mit dem linken Fuß zuerſt in den Pantoffel und oͤffnete das Fen¬ ſter. Draußen lag ein dichter, weißer Nebel, die Lieder klan¬ gen mir ſo traurig hindurch. Der Nebel fiel mir ins Geſicht, ich ward ſchwermuͤthig und kriegte den Schnupfen; ich weinte, konnte nicht ſprechen, jed Wort ſchnuͤrte mir die Kehle zu,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0394"n="338"/>
erwacht war, trat Verena zu mir und ſprach: „Geſegne dich<lb/>
Gott, goldne Amey, du ſchoͤne Braut, das fromme Huͤhn¬<lb/>
lein ſchickt mich, es weiß Alles, ſegne uns Gott, daß wir<lb/>
von der langen kuͤnftigen Reiſe gluͤcklich zuruͤckgekommen ſind,<lb/>
vom Erndtewagen auf den Brautwagen. Schoͤn Dank, du<lb/>
haſt auf der rechten Seite geruht, Ende gut, Alles gut! —<lb/>
aber ſtehe auf, daß ich dich ſchmuͤcke als Braut, hoͤrſt du,<lb/>
deine elf Kraͤnzeljungfern, die drei Schweſtern mit den Li¬<lb/>
lien und die acht Ordensgeſpielen mit <choice><sic>deu</sic><corr>den</corr></choice> Pflichthuͤhnern<lb/>ſingen ſchon unten die Brautlieder.“— Ich erwiederte ihr<lb/>
nach alter Gewohnheit: „Vreneli, was machts Buͤblein?“<lb/>
und ſie ſprach:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Es hat ſein Sach ganz gut gemacht,</l><lb/><l>Der Wagen trug dich fort mit Pracht,</l><lb/><l>Ich bin bei ihm geblieben,</l><lb/><l>Hab, als es vom Geraͤuſch erwacht</l><lb/><l>Und ſtill ſein Gaͤrbchen angelacht,</l><lb/><l>Ihm Aehren ausgerieben.</l><lb/><l>Die Koͤrnlein hat es in der Nacht</l><lb/><l>Gar treu gezaͤhlt und mit Bedacht</l><lb/><l>Sie huͤben und auch druͤben</l><lb/><l>Ins Soll und Haben rein und ſacht,</l><lb/><l>Wie du es liebſt, zu Buch gebracht,</l><lb/><l>Bis Morgens fruͤh geſchrieben.“</l><lb/></lg><p>„Gott ſey Dank,“ſagte ich, „ſo haſt du dann Alles<lb/>
mit mir getraͤumt, und Alles wird im Tagebuch ſtehen, ich<lb/>
habe den Ring Salomonis darum gedreht.“— Der Geſang<lb/>
aber toͤnte naͤher und naͤher und Verena ſprach: „Geſchwind<lb/>ſtehe auf, daß ich dich ankleide, die Brautjungfern ſind ſchon<lb/>
unter dem Fenſter.“— Ich ſprang aber auf und fuhr mit<lb/>
dem linken Fuß zuerſt in den Pantoffel und oͤffnete das Fen¬<lb/>ſter. Draußen lag ein dichter, weißer Nebel, die Lieder klan¬<lb/>
gen mir ſo traurig hindurch. Der Nebel fiel mir ins Geſicht, ich<lb/>
ward ſchwermuͤthig und kriegte den Schnupfen; ich weinte,<lb/>
konnte nicht ſprechen, jed Wort ſchnuͤrte mir die Kehle zu,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[338/0394]
erwacht war, trat Verena zu mir und ſprach: „Geſegne dich
Gott, goldne Amey, du ſchoͤne Braut, das fromme Huͤhn¬
lein ſchickt mich, es weiß Alles, ſegne uns Gott, daß wir
von der langen kuͤnftigen Reiſe gluͤcklich zuruͤckgekommen ſind,
vom Erndtewagen auf den Brautwagen. Schoͤn Dank, du
haſt auf der rechten Seite geruht, Ende gut, Alles gut! —
aber ſtehe auf, daß ich dich ſchmuͤcke als Braut, hoͤrſt du,
deine elf Kraͤnzeljungfern, die drei Schweſtern mit den Li¬
lien und die acht Ordensgeſpielen mit den Pflichthuͤhnern
ſingen ſchon unten die Brautlieder.“ — Ich erwiederte ihr
nach alter Gewohnheit: „Vreneli, was machts Buͤblein?“
und ſie ſprach:
„Es hat ſein Sach ganz gut gemacht,
Der Wagen trug dich fort mit Pracht,
Ich bin bei ihm geblieben,
Hab, als es vom Geraͤuſch erwacht
Und ſtill ſein Gaͤrbchen angelacht,
Ihm Aehren ausgerieben.
Die Koͤrnlein hat es in der Nacht
Gar treu gezaͤhlt und mit Bedacht
Sie huͤben und auch druͤben
Ins Soll und Haben rein und ſacht,
Wie du es liebſt, zu Buch gebracht,
Bis Morgens fruͤh geſchrieben.“
„Gott ſey Dank,“ ſagte ich, „ſo haſt du dann Alles
mit mir getraͤumt, und Alles wird im Tagebuch ſtehen, ich
habe den Ring Salomonis darum gedreht.“ — Der Geſang
aber toͤnte naͤher und naͤher und Verena ſprach: „Geſchwind
ſtehe auf, daß ich dich ankleide, die Brautjungfern ſind ſchon
unter dem Fenſter.“ — Ich ſprang aber auf und fuhr mit
dem linken Fuß zuerſt in den Pantoffel und oͤffnete das Fen¬
ſter. Draußen lag ein dichter, weißer Nebel, die Lieder klan¬
gen mir ſo traurig hindurch. Der Nebel fiel mir ins Geſicht, ich
ward ſchwermuͤthig und kriegte den Schnupfen; ich weinte,
konnte nicht ſprechen, jed Wort ſchnuͤrte mir die Kehle zu,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/394>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.