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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Der Erdsterne Wunder,
Sie sinken jetzt unter,
All in den Erndtekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

O Stern und Blume, Geist und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
Den Kranz helft mir winden,
Die Garbe helft binden,
Kein Blümlein darf fehlen,
Jed Körnlein wird zählen
Der Herr auf seiner Tenne rein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Unter dem Sausen der Sense, dem Sinken und Aufstei¬
gen der Aehren, dem Niederströmen meiner Thränen in den
Blumenkranz, der mich schon ganz umwand, verstummte
endlich das Lied, und ich sah nichts mehr Einzelnes. Der
Traum ward nun recht wie ein Traum, ich saß darin und
fühlte mich wie der bittere Kern in einer süßen Frucht, die
der Morgenwind auf dem Zweige wiegt. Ich unterschied
Nichts mehr deutlich; dichte, weiße Thaunebel lagen überm
Stoppelfeld; ich fühlte mich emporgehoben, ich saß in dem
thauichten Erndtekranz hoch zwischen Garben. Ich saß auf
dem Erndtewagen, er schwankte unter mir vorwärts; es war
kalt, ich war naß von Thau und Thränen; ich hörte Lieder
um mich und sah die Singenden nicht. Da krähte Alektryo,
der mit Gallina vorn auf dem Erndtewagen saß und ich er¬
wachte, und hörte den Hahnenschrei wirklich draußen in dem
Schloßhof. --

Ich konnte mich nicht gleich finden, meine Augen wa¬
ren noch voll Thränen; ich hörte das Singen noch, aber ich
saß auf keinem Erndtewagen, ich lag auf meinem Bettchen;
ich drehte den Ring und wünschte, es möge doch mein gan¬
zer Traum wahr werden und von dem Knaben auf dem Kin¬
derstühlchen, mit allen Liedern und was darauf folgte, in
mein Tagebuch eingeschrieben stehn. -- Da ich nun ganz

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Der Erdſterne Wunder,
Sie ſinken jetzt unter,
All in den Erndtekranz hinein,
Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

O Stern und Blume, Geiſt und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
Den Kranz helft mir winden,
Die Garbe helft binden,
Kein Bluͤmlein darf fehlen,
Jed Koͤrnlein wird zaͤhlen
Der Herr auf ſeiner Tenne rein,
Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Unter dem Sauſen der Senſe, dem Sinken und Aufſtei¬
gen der Aehren, dem Niederſtroͤmen meiner Thraͤnen in den
Blumenkranz, der mich ſchon ganz umwand, verſtummte
endlich das Lied, und ich ſah nichts mehr Einzelnes. Der
Traum ward nun recht wie ein Traum, ich ſaß darin und
fuͤhlte mich wie der bittere Kern in einer ſuͤßen Frucht, die
der Morgenwind auf dem Zweige wiegt. Ich unterſchied
Nichts mehr deutlich; dichte, weiße Thaunebel lagen uͤberm
Stoppelfeld; ich fuͤhlte mich emporgehoben, ich ſaß in dem
thauichten Erndtekranz hoch zwiſchen Garben. Ich ſaß auf
dem Erndtewagen, er ſchwankte unter mir vorwaͤrts; es war
kalt, ich war naß von Thau und Thraͤnen; ich hoͤrte Lieder
um mich und ſah die Singenden nicht. Da kraͤhte Alektryo,
der mit Gallina vorn auf dem Erndtewagen ſaß und ich er¬
wachte, und hoͤrte den Hahnenſchrei wirklich draußen in dem
Schloßhof. —

Ich konnte mich nicht gleich finden, meine Augen wa¬
ren noch voll Thraͤnen; ich hoͤrte das Singen noch, aber ich
ſaß auf keinem Erndtewagen, ich lag auf meinem Bettchen;
ich drehte den Ring und wuͤnſchte, es moͤge doch mein gan¬
zer Traum wahr werden und von dem Knaben auf dem Kin¬
derſtuͤhlchen, mit allen Liedern und was darauf folgte, in
mein Tagebuch eingeſchrieben ſtehn. — Da ich nun ganz

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[337/0393] Der Erdſterne Wunder, Sie ſinken jetzt unter, All in den Erndtekranz hinein, Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein! O Stern und Blume, Geiſt und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit! Den Kranz helft mir winden, Die Garbe helft binden, Kein Bluͤmlein darf fehlen, Jed Koͤrnlein wird zaͤhlen Der Herr auf ſeiner Tenne rein, Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein! Unter dem Sauſen der Senſe, dem Sinken und Aufſtei¬ gen der Aehren, dem Niederſtroͤmen meiner Thraͤnen in den Blumenkranz, der mich ſchon ganz umwand, verſtummte endlich das Lied, und ich ſah nichts mehr Einzelnes. Der Traum ward nun recht wie ein Traum, ich ſaß darin und fuͤhlte mich wie der bittere Kern in einer ſuͤßen Frucht, die der Morgenwind auf dem Zweige wiegt. Ich unterſchied Nichts mehr deutlich; dichte, weiße Thaunebel lagen uͤberm Stoppelfeld; ich fuͤhlte mich emporgehoben, ich ſaß in dem thauichten Erndtekranz hoch zwiſchen Garben. Ich ſaß auf dem Erndtewagen, er ſchwankte unter mir vorwaͤrts; es war kalt, ich war naß von Thau und Thraͤnen; ich hoͤrte Lieder um mich und ſah die Singenden nicht. Da kraͤhte Alektryo, der mit Gallina vorn auf dem Erndtewagen ſaß und ich er¬ wachte, und hoͤrte den Hahnenſchrei wirklich draußen in dem Schloßhof. — Ich konnte mich nicht gleich finden, meine Augen wa¬ ren noch voll Thraͤnen; ich hoͤrte das Singen noch, aber ich ſaß auf keinem Erndtewagen, ich lag auf meinem Bettchen; ich drehte den Ring und wuͤnſchte, es moͤge doch mein gan¬ zer Traum wahr werden und von dem Knaben auf dem Kin¬ derſtuͤhlchen, mit allen Liedern und was darauf folgte, in mein Tagebuch eingeſchrieben ſtehn. — Da ich nun ganz 22

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/393>, abgerufen am 22.11.2024.