Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.und indem ich immer hinaus nach dem rothen Fleck sah, "O Stunde, da der Schiffende bang lauert Und sich zur Heimath sehnet an dem Tage, Da er von süßen Freunden ist geschieden, Da in des Pilgers Herz die Liebe trauert Auf erster Fahrt, wenn ferner Glocken Klage Den Tag beweinet, der da stirbt in Frieden!" Ich war aber nun wegen der Decke beruhigt, ich schob Sechs Wochen später. -- Gott sey Lob und Dank! 21 *
und indem ich immer hinaus nach dem rothen Fleck ſah, „O Stunde, da der Schiffende bang lauert Und ſich zur Heimath ſehnet an dem Tage, Da er von ſuͤßen Freunden iſt geſchieden, Da in des Pilgers Herz die Liebe trauert Auf erſter Fahrt, wenn ferner Glocken Klage Den Tag beweinet, der da ſtirbt in Frieden!“ Ich war aber nun wegen der Decke beruhigt, ich ſchob Sechs Wochen ſpaͤter. — Gott ſey Lob und Dank! 21 *
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und indem ich immer hinaus nach dem rothen Fleck ſah,
wurde mein Herz gar tief bewegt, und ich gedachte des Abends
auf der Bleiche mit Klareta und ſang unter Thraͤnen:
„O Stunde, da der Schiffende bang lauert
Und ſich zur Heimath ſehnet an dem Tage,
Da er von ſuͤßen Freunden iſt geſchieden,
Da in des Pilgers Herz die Liebe trauert
Auf erſter Fahrt, wenn ferner Glocken Klage
Den Tag beweinet, der da ſtirbt in Frieden!“
Ich war aber nun wegen der Decke beruhigt, ich ſchob
es noch ein Weilchen auf, die Decke auf der Wieſe zu hoh¬
len, ich wußte ja, daß ſie da lag, und ſo ſetzte ich mich,
um meine Tagsordnung nicht zu verletzen, wie immer nach
dem Abendgelaͤute an mein Tagebuch, um bis hieher zu
ſchreiben; die Naͤchte auf der Bleiche hatten mich ohnedies
ſchon gezwungen, Manches nach zu holen. — Jetzt aber blicke
ich wieder hinaus nach der Decke, ſie ſchimmert noch roth
im letzten Strahl der Sonne, jetzt will ich hineilen allein
durch den Garten und will auf der Decke der Mutter geden¬
ken, ihr Brautkroͤnchen habe ich auf dem Haupt, das Pa¬
radiesgaͤrtchen vor der Bruſt, die heiligen Kleinode von Va¬
dutz auf den Schultern, o wie will ich ſo geruͤſtet, allein,
allein, allein auf der Decke, auf welcher ich ſelbſt ſterben
werde, den Tag beweinen, der da ſtirbt in Frieden! ich huͤlle
mich in meinen Schleier und gehe. —
Sechs Wochen ſpaͤter. — Gott ſey Lob und Dank!
alle ſeine Fuͤhrungen ſeyen geſegnet. Ich war ſechs Monate
von dieſen Blaͤttern getrennt, ich habe ſie unter mancherlei
harten Pruͤfungen und bittern Leiden niedergeſchrieben, ſonſt
waͤren ſie klarer und kindlicher und Alles, was das Herz
des armen Kindes von Hennegau darin bewegte, wuͤrde dann
auch die Herzen aller andren Kinder bewegen, welche ſie in
Zukunft leſen moͤgen — aller andern Kinder, ſage ich und
verſtehe darunter meine Kinder, ſo Gott mir deren beſcheeren
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