kreist, lockten mich, alle Winde füllten meine Segel und ris¬ sen mich dem schimmernden Ziele entgegen. -- Ja ich armes Kind von Hennegau war gleich einem Schmetterling, dem das Feuer als ein offnes Thor, zu dem Garten aller leuch¬ tenden Lust aus der traurigen Nacht führend, erscheint, und der sich hineinstürzt; -- öffentlich schäme ich mich darüber und ganz heimlich freue ich mich, daß es alle gesehen haben, wie mich die allgemeine Freude überwältigte, wie der Sturm einen Vogel fortreißt. "Feuerrothe Röselein" lockten alle Chöre und antwortete meine Seele. -- Mir blieb die Zeit nicht zu fragen: "was sagt das fromme Hühnlein dazu, oder was macht das Büblein?" -- Auf die Frage aber, was that das arme Kind von Hennegau? antworte ich: "es kreuzte die Hände ehrerbietig auf die Schulterbänder, als bitte es um deren Schutz," es rief: "feuerrothe Röse¬ lein!" und sprang freudig die Erste durch das Feuer, und riß wie üblich im Sprunge eins der Röslein ab, welche an rothen Wollfäden von dem großen grünen Kranze über jedem der Feuer niederhiengen; -- drüben flog ich einer Jungfrau in die Arme, ich wußte nicht welcher, so schnell riß ich mich los und sprang durch das zweite Feuer, und wieder fingen mich schützende Arme auf, und wieder entriß ich mich ihnen und sprang über das dritte, vierte, fünfte, sechste, siebente und achte Feuer, und an jedem riß ich ein Röslein vom Kranze, und alle andern sprangen mir nach. -- Hier aber ruhte ich wieder an einem sorgenden Herzen. Es war Kla¬ reta, die mir immer vorgeeilt war und mich aufgefangen hatte. Jetzt aber ließ sie mich nicht so schnell entwischen. Sie trocknete mir den Schweiß von der Stirne, hüllte mich in ihren Mantel und sprach: "Amey, komme zu Athem, welcher Eifer ergriff dich? o lasse es gut seyn -- sieh dort ist das neunte Feuer! und alle deine Jungfrauen sind zurückgekehrt; denn es ist ein allgemein bekannter Aberglaube unter dem Volke, ein Mägdlein, das über ueun Johannis¬
kreiſt, lockten mich, alle Winde fuͤllten meine Segel und riſ¬ ſen mich dem ſchimmernden Ziele entgegen. — Ja ich armes Kind von Hennegau war gleich einem Schmetterling, dem das Feuer als ein offnes Thor, zu dem Garten aller leuch¬ tenden Luſt aus der traurigen Nacht fuͤhrend, erſcheint, und der ſich hineinſtuͤrzt; — oͤffentlich ſchaͤme ich mich daruͤber und ganz heimlich freue ich mich, daß es alle geſehen haben, wie mich die allgemeine Freude uͤberwaͤltigte, wie der Sturm einen Vogel fortreißt. „Feuerrothe Roͤſelein“ lockten alle Choͤre und antwortete meine Seele. — Mir blieb die Zeit nicht zu fragen: „was ſagt das fromme Huͤhnlein dazu, oder was macht das Buͤblein?“ — Auf die Frage aber, was that das arme Kind von Hennegau? antworte ich: „es kreuzte die Haͤnde ehrerbietig auf die Schulterbaͤnder, als bitte es um deren Schutz,“ es rief: „feuerrothe Roͤſe¬ lein!“ und ſprang freudig die Erſte durch das Feuer, und riß wie uͤblich im Sprunge eins der Roͤslein ab, welche an rothen Wollfaͤden von dem großen gruͤnen Kranze uͤber jedem der Feuer niederhiengen; — druͤben flog ich einer Jungfrau in die Arme, ich wußte nicht welcher, ſo ſchnell riß ich mich los und ſprang durch das zweite Feuer, und wieder fingen mich ſchuͤtzende Arme auf, und wieder entriß ich mich ihnen und ſprang uͤber das dritte, vierte, fuͤnfte, ſechſte, ſiebente und achte Feuer, und an jedem riß ich ein Roͤslein vom Kranze, und alle andern ſprangen mir nach. — Hier aber ruhte ich wieder an einem ſorgenden Herzen. Es war Kla¬ reta, die mir immer vorgeeilt war und mich aufgefangen hatte. Jetzt aber ließ ſie mich nicht ſo ſchnell entwiſchen. Sie trocknete mir den Schweiß von der Stirne, huͤllte mich in ihren Mantel und ſprach: „Amey, komme zu Athem, welcher Eifer ergriff dich? o laſſe es gut ſeyn — ſieh dort iſt das neunte Feuer! und alle deine Jungfrauen ſind zuruͤckgekehrt; denn es iſt ein allgemein bekannter Aberglaube unter dem Volke, ein Maͤgdlein, das uͤber ueun Johannis¬
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kreiſt, lockten mich, alle Winde fuͤllten meine Segel und riſ¬
ſen mich dem ſchimmernden Ziele entgegen. — Ja ich armes
Kind von Hennegau war gleich einem Schmetterling, dem
das Feuer als ein offnes Thor, zu dem Garten aller leuch¬
tenden Luſt aus der traurigen Nacht fuͤhrend, erſcheint, und
der ſich hineinſtuͤrzt; — oͤffentlich ſchaͤme ich mich daruͤber
und ganz heimlich freue ich mich, daß es alle geſehen haben,
wie mich die allgemeine Freude uͤberwaͤltigte, wie der Sturm
einen Vogel fortreißt. „Feuerrothe Roͤſelein“ lockten alle
Choͤre und antwortete meine Seele. — Mir blieb die Zeit
nicht zu fragen: „was ſagt das fromme Huͤhnlein dazu,
oder was macht das Buͤblein?“ — Auf die Frage aber,
was that das arme Kind von Hennegau? antworte ich:
„es kreuzte die Haͤnde ehrerbietig auf die Schulterbaͤnder,
als bitte es um deren Schutz,“ es rief: „feuerrothe Roͤſe¬
lein!“ und ſprang freudig die Erſte durch das Feuer, und
riß wie uͤblich im Sprunge eins der Roͤslein ab, welche an
rothen Wollfaͤden von dem großen gruͤnen Kranze uͤber jedem
der Feuer niederhiengen; — druͤben flog ich einer Jungfrau
in die Arme, ich wußte nicht welcher, ſo ſchnell riß ich mich
los und ſprang durch das zweite Feuer, und wieder fingen
mich ſchuͤtzende Arme auf, und wieder entriß ich mich ihnen
und ſprang uͤber das dritte, vierte, fuͤnfte, ſechſte, ſiebente
und achte Feuer, und an jedem riß ich ein Roͤslein vom
Kranze, und alle andern ſprangen mir nach. — Hier aber
ruhte ich wieder an einem ſorgenden Herzen. Es war Kla¬
reta, die mir immer vorgeeilt war und mich aufgefangen
hatte. Jetzt aber ließ ſie mich nicht ſo ſchnell entwiſchen.
Sie trocknete mir den Schweiß von der Stirne, huͤllte mich
in ihren Mantel und ſprach: „Amey, komme zu Athem,
welcher Eifer ergriff dich? o laſſe es gut ſeyn — ſieh
dort iſt das neunte Feuer! und alle deine Jungfrauen ſind
zuruͤckgekehrt; denn es iſt ein allgemein bekannter Aberglaube
unter dem Volke, ein Maͤgdlein, das uͤber ueun Johannis¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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