Als Noah in die Arche ging, trug sein Weib die Achselspan¬ gen Evas auf den Schultern. -- Nach der Sündfluth wa¬ ren die Trümmer jenes Felsens noch weiter zerstreut, und der Fundamentstein des Berges Kaf, der Stein Sakrath, war herausgewälzt und lag im Lande Kanaan. -- Abraham wußte, daß die linke Schulterspange Evas in Labans Familie in Mesopotamien war. Er selbst besaß nur die rechte Spange und er sendete seinen Knecht Elieser dahin, die Besitzerinn dieses Kleinods für Isack zum Weibe zu hohlen. Als nun dieser dort zum Brunnen kam und Rebecka den Krug von der Schulter nahm, um ihm zu trinken zu geben, sah er, daß sie die Spange auf der Schulter trug und erkannte dar¬ aus, daß sie die Frau Isacks werden solle; denn die Trüm¬ mer des Edelsteinfelsens waren heilige Zeichen, wo sie sich fanden, und die Altväter suchten sie überall auf und brach¬ ten sie zusammen, wie sie nur konnten, weil sie eine Pro¬ phezeihung hatten, wenn der ganze, bei Adams Fall zer¬ trümmerte und über die Erde zerstreute Edelsteinfelsen wie¬ der beisammen sey, werde ein Tempel daraus gebaut werden und in diesem sich die Verheißung erfüllen. -- Unter den Ge¬ schmeiden und Armbändern, welche der Knecht Abrahams der Rebecka als Brautgeschenk am Brunnen anlegte, war auch das rechte Achselband, und da nun die beiden Edelsteine auf ihren Schultern ruhten, war eine große Anmuth, ein schönes Ebenmaas leiblicher und geistlicher, zeitlicher und ewiger Kraft in ihr. -- Als später Rebecka dem Jakob den Segen Isacks vor Esau verschaffen wollte, befestigte sie ihm das Kleid von rauhen Fellen mit diesen Spangen auf die Schultern und da der Erstgeborne diese Kleinode tragen sollte, hielt ihn der blinde Isack für Esau. -- Esau faßte Haß ge¬ gen Jakob und raubte ihm die linke Spange, sein Haß ward durch leibliches, irdisches Gedeihen viel ungestümer und gewaltiger. -- Als Jakob nach Mesopotamien zog, um sich bei Laban, dem Bruder seiner Mutter, vor der Verfolgung
Als Noah in die Arche ging, trug ſein Weib die Achſelſpan¬ gen Evas auf den Schultern. — Nach der Suͤndfluth wa¬ ren die Truͤmmer jenes Felſens noch weiter zerſtreut, und der Fundamentſtein des Berges Kaf, der Stein Sakrath, war herausgewaͤlzt und lag im Lande Kanaan. — Abraham wußte, daß die linke Schulterſpange Evas in Labans Familie in Meſopotamien war. Er ſelbſt beſaß nur die rechte Spange und er ſendete ſeinen Knecht Elieſer dahin, die Beſitzerinn dieſes Kleinods fuͤr Iſack zum Weibe zu hohlen. Als nun dieſer dort zum Brunnen kam und Rebecka den Krug von der Schulter nahm, um ihm zu trinken zu geben, ſah er, daß ſie die Spange auf der Schulter trug und erkannte dar¬ aus, daß ſie die Frau Iſacks werden ſolle; denn die Truͤm¬ mer des Edelſteinfelſens waren heilige Zeichen, wo ſie ſich fanden, und die Altvaͤter ſuchten ſie uͤberall auf und brach¬ ten ſie zuſammen, wie ſie nur konnten, weil ſie eine Pro¬ phezeihung hatten, wenn der ganze, bei Adams Fall zer¬ truͤmmerte und uͤber die Erde zerſtreute Edelſteinfelſen wie¬ der beiſammen ſey, werde ein Tempel daraus gebaut werden und in dieſem ſich die Verheißung erfuͤllen. — Unter den Ge¬ ſchmeiden und Armbaͤndern, welche der Knecht Abrahams der Rebecka als Brautgeſchenk am Brunnen anlegte, war auch das rechte Achſelband, und da nun die beiden Edelſteine auf ihren Schultern ruhten, war eine große Anmuth, ein ſchoͤnes Ebenmaas leiblicher und geiſtlicher, zeitlicher und ewiger Kraft in ihr. — Als ſpaͤter Rebecka dem Jakob den Segen Iſacks vor Eſau verſchaffen wollte, befeſtigte ſie ihm das Kleid von rauhen Fellen mit dieſen Spangen auf die Schultern und da der Erſtgeborne dieſe Kleinode tragen ſollte, hielt ihn der blinde Iſack fuͤr Eſau. — Eſau faßte Haß ge¬ gen Jakob und raubte ihm die linke Spange, ſein Haß ward durch leibliches, irdiſches Gedeihen viel ungeſtuͤmer und gewaltiger. — Als Jakob nach Meſopotamien zog, um ſich bei Laban, dem Bruder ſeiner Mutter, vor der Verfolgung
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Als Noah in die Arche ging, trug ſein Weib die Achſelſpan¬
gen Evas auf den Schultern. — Nach der Suͤndfluth wa¬
ren die Truͤmmer jenes Felſens noch weiter zerſtreut, und der
Fundamentſtein des Berges Kaf, der Stein Sakrath, war
herausgewaͤlzt und lag im Lande Kanaan. — Abraham wußte,
daß die linke Schulterſpange Evas in Labans Familie in
Meſopotamien war. Er ſelbſt beſaß nur die rechte Spange
und er ſendete ſeinen Knecht Elieſer dahin, die Beſitzerinn
dieſes Kleinods fuͤr Iſack zum Weibe zu hohlen. Als nun
dieſer dort zum Brunnen kam und Rebecka den Krug von
der Schulter nahm, um ihm zu trinken zu geben, ſah er,
daß ſie die Spange auf der Schulter trug und erkannte dar¬
aus, daß ſie die Frau Iſacks werden ſolle; denn die Truͤm¬
mer des Edelſteinfelſens waren heilige Zeichen, wo ſie ſich
fanden, und die Altvaͤter ſuchten ſie uͤberall auf und brach¬
ten ſie zuſammen, wie ſie nur konnten, weil ſie eine Pro¬
phezeihung hatten, wenn der ganze, bei Adams Fall zer¬
truͤmmerte und uͤber die Erde zerſtreute Edelſteinfelſen wie¬
der beiſammen ſey, werde ein Tempel daraus gebaut werden
und in dieſem ſich die Verheißung erfuͤllen. — Unter den Ge¬
ſchmeiden und Armbaͤndern, welche der Knecht Abrahams
der Rebecka als Brautgeſchenk am Brunnen anlegte, war
auch das rechte Achſelband, und da nun die beiden Edelſteine
auf ihren Schultern ruhten, war eine große Anmuth,
ein ſchoͤnes Ebenmaas leiblicher und geiſtlicher, zeitlicher und
ewiger Kraft in ihr. — Als ſpaͤter Rebecka dem Jakob den
Segen Iſacks vor Eſau verſchaffen wollte, befeſtigte ſie ihm
das Kleid von rauhen Fellen mit dieſen Spangen auf die
Schultern und da der Erſtgeborne dieſe Kleinode tragen ſollte,
hielt ihn der blinde Iſack fuͤr Eſau. — Eſau faßte Haß ge¬
gen Jakob und raubte ihm die linke Spange, ſein Haß ward
durch leibliches, irdiſches Gedeihen viel ungeſtuͤmer und
gewaltiger. — Als Jakob nach Meſopotamien zog, um ſich
bei Laban, dem Bruder ſeiner Mutter, vor der Verfolgung
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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