gensinns und der heimlichen Schadenfreude, mit welcher ich aus Widerspruch mich zur linken Seite wendete, sobald sie den Rücken kehrten, vor Allem aber der Heuchelei, mit wel¬ cher ich mich schnell rechts kehrte, so ich sie nahen hörte. -- Aus diesem Widerspruch entstand eine geheime Lust, links zu schlafen, und aus dem Kampfe mit dem Gewissen entstand eine Unentschiedenheit, ob rechts, ob links zu ruhen, die mich noch jetzt störet, wenn ich mich zu Ruhe lege, und welche gewöhnlich die Hinfälligkeit des Schlafes entscheidet. -- Aber ich muß auch gestehen, daß ich mich oft, wenn ich herzlich gebetet habe, mit Ueberwindung zur rechten lege, und leider mit Beschämung links aufwache. -- O wie viele gute Ein¬ flüsse des rechten Kleinodes mag ich verschlafen haben. Von nun an will ich es besser machen! -- Ich dachte weiter über Alles, was Klareta erzählt, und entdeckte darin mit Verwun¬ derung eine Spur meiner und der Mutter Neigung zu tief rother Farbe bis in den rothen Kirschenmund meines Ahn¬ herrn Wolfbrand Rothenfahn und die blutende Stirne des frommen Hego Weisenfahn hinein. -- Gott habe sie selig! -- Nach allen diesen Gedanken saß ich aufrecht auf meinem La¬ ger und kreuzte voll Ehrfurcht und guten Willens die Hände und legte sie auf die Achselbänder Rebeckas und betete und sagte: "gewiß, gewiß, ich will den guten Schwestern das Kloster Lilienthal gründen -- aber, ich muß doch erst -- da übernahm mich der Schlaf -- die große Wäsche zu Hause und wieder in den Schränken haben -- feuerrothe Röselein -- ich nickte und sank zur linken und schlummerte ein.
St. Johannis des Täufers Tag. Sonnenwen¬ de. -- Als der Tag anbrach hörte ich in der Ferne ein lieb¬ liches Singen. Ich trat vor das Zelt und hörte, daß es die drei Fräulein waren, welche vor Tag in den Wald ge¬ gangen waren, mancherlei Kräuter und Wurzeln unter Ge¬ bet zu sammeln, wie es in Hennegau an diesem Tag der fromme Gebrauch ist. Sie schmückten die Kapelle des Täu¬
genſinns und der heimlichen Schadenfreude, mit welcher ich aus Widerſpruch mich zur linken Seite wendete, ſobald ſie den Ruͤcken kehrten, vor Allem aber der Heuchelei, mit wel¬ cher ich mich ſchnell rechts kehrte, ſo ich ſie nahen hoͤrte. — Aus dieſem Widerſpruch entſtand eine geheime Luſt, links zu ſchlafen, und aus dem Kampfe mit dem Gewiſſen entſtand eine Unentſchiedenheit, ob rechts, ob links zu ruhen, die mich noch jetzt ſtoͤret, wenn ich mich zu Ruhe lege, und welche gewoͤhnlich die Hinfaͤlligkeit des Schlafes entſcheidet. — Aber ich muß auch geſtehen, daß ich mich oft, wenn ich herzlich gebetet habe, mit Ueberwindung zur rechten lege, und leider mit Beſchaͤmung links aufwache. — O wie viele gute Ein¬ fluͤſſe des rechten Kleinodes mag ich verſchlafen haben. Von nun an will ich es beſſer machen! — Ich dachte weiter uͤber Alles, was Klareta erzaͤhlt, und entdeckte darin mit Verwun¬ derung eine Spur meiner und der Mutter Neigung zu tief rother Farbe bis in den rothen Kirſchenmund meines Ahn¬ herrn Wolfbrand Rothenfahn und die blutende Stirne des frommen Hego Weiſenfahn hinein. — Gott habe ſie ſelig! — Nach allen dieſen Gedanken ſaß ich aufrecht auf meinem La¬ ger und kreuzte voll Ehrfurcht und guten Willens die Haͤnde und legte ſie auf die Achſelbaͤnder Rebeckas und betete und ſagte: „gewiß, gewiß, ich will den guten Schweſtern das Kloſter Lilienthal gruͤnden — aber, ich muß doch erſt — da uͤbernahm mich der Schlaf — die große Waͤſche zu Hauſe und wieder in den Schraͤnken haben — feuerrothe Roͤſelein — ich nickte und ſank zur linken und ſchlummerte ein.
St. Johannis des Taͤufers Tag. Sonnenwen¬ de. — Als der Tag anbrach hoͤrte ich in der Ferne ein lieb¬ liches Singen. Ich trat vor das Zelt und hoͤrte, daß es die drei Fraͤulein waren, welche vor Tag in den Wald ge¬ gangen waren, mancherlei Kraͤuter und Wurzeln unter Ge¬ bet zu ſammeln, wie es in Hennegau an dieſem Tag der fromme Gebrauch iſt. Sie ſchmuͤckten die Kapelle des Taͤu¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0344"n="290"/>
genſinns und der heimlichen Schadenfreude, mit welcher ich<lb/>
aus Widerſpruch mich zur linken Seite wendete, ſobald ſie<lb/>
den Ruͤcken kehrten, vor Allem aber der Heuchelei, mit wel¬<lb/>
cher ich mich ſchnell rechts kehrte, ſo ich ſie nahen hoͤrte. —<lb/>
Aus dieſem Widerſpruch entſtand eine geheime Luſt, links zu<lb/>ſchlafen, und aus dem Kampfe mit dem Gewiſſen entſtand<lb/>
eine Unentſchiedenheit, ob rechts, ob links zu ruhen, die<lb/>
mich noch jetzt ſtoͤret, wenn ich mich zu Ruhe lege, und welche<lb/>
gewoͤhnlich die Hinfaͤlligkeit des Schlafes entſcheidet. — Aber<lb/>
ich muß auch geſtehen, daß ich mich oft, wenn ich herzlich<lb/>
gebetet habe, mit Ueberwindung zur rechten lege, und leider<lb/>
mit Beſchaͤmung links aufwache. — O wie viele gute Ein¬<lb/>
fluͤſſe des rechten Kleinodes mag ich verſchlafen haben. Von<lb/>
nun an will ich es beſſer machen! — Ich dachte weiter uͤber<lb/>
Alles, was Klareta erzaͤhlt, und entdeckte darin mit Verwun¬<lb/>
derung eine Spur meiner und der Mutter Neigung zu tief<lb/>
rother Farbe bis in den rothen Kirſchenmund meines Ahn¬<lb/>
herrn Wolfbrand Rothenfahn und die blutende Stirne des<lb/>
frommen Hego Weiſenfahn hinein. — Gott habe ſie ſelig! —<lb/>
Nach allen dieſen Gedanken ſaß ich aufrecht auf meinem La¬<lb/>
ger und kreuzte voll Ehrfurcht und guten Willens die Haͤnde<lb/>
und legte ſie auf die Achſelbaͤnder Rebeckas und betete und<lb/>ſagte: „gewiß, gewiß, ich will den guten Schweſtern das<lb/>
Kloſter Lilienthal gruͤnden — aber, ich muß doch erſt — da<lb/>
uͤbernahm mich der Schlaf — die große Waͤſche zu Hauſe<lb/>
und wieder in den Schraͤnken haben — feuerrothe Roͤſelein —<lb/>
ich nickte und ſank zur linken und ſchlummerte ein.</p><lb/><p><hirendition="#g">St</hi>. <hirendition="#g">Johannis des Taͤufers Tag</hi>. <hirendition="#g">Sonnenwen¬<lb/>
de</hi>. — Als der Tag anbrach hoͤrte ich in der Ferne ein lieb¬<lb/>
liches Singen. Ich trat vor das Zelt und hoͤrte, daß es<lb/>
die drei Fraͤulein waren, welche vor Tag in den Wald ge¬<lb/>
gangen waren, mancherlei Kraͤuter und Wurzeln unter Ge¬<lb/>
bet zu ſammeln, wie es in Hennegau an dieſem Tag der<lb/>
fromme Gebrauch iſt. Sie ſchmuͤckten die Kapelle des Taͤu¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[290/0344]
genſinns und der heimlichen Schadenfreude, mit welcher ich
aus Widerſpruch mich zur linken Seite wendete, ſobald ſie
den Ruͤcken kehrten, vor Allem aber der Heuchelei, mit wel¬
cher ich mich ſchnell rechts kehrte, ſo ich ſie nahen hoͤrte. —
Aus dieſem Widerſpruch entſtand eine geheime Luſt, links zu
ſchlafen, und aus dem Kampfe mit dem Gewiſſen entſtand
eine Unentſchiedenheit, ob rechts, ob links zu ruhen, die
mich noch jetzt ſtoͤret, wenn ich mich zu Ruhe lege, und welche
gewoͤhnlich die Hinfaͤlligkeit des Schlafes entſcheidet. — Aber
ich muß auch geſtehen, daß ich mich oft, wenn ich herzlich
gebetet habe, mit Ueberwindung zur rechten lege, und leider
mit Beſchaͤmung links aufwache. — O wie viele gute Ein¬
fluͤſſe des rechten Kleinodes mag ich verſchlafen haben. Von
nun an will ich es beſſer machen! — Ich dachte weiter uͤber
Alles, was Klareta erzaͤhlt, und entdeckte darin mit Verwun¬
derung eine Spur meiner und der Mutter Neigung zu tief
rother Farbe bis in den rothen Kirſchenmund meines Ahn¬
herrn Wolfbrand Rothenfahn und die blutende Stirne des
frommen Hego Weiſenfahn hinein. — Gott habe ſie ſelig! —
Nach allen dieſen Gedanken ſaß ich aufrecht auf meinem La¬
ger und kreuzte voll Ehrfurcht und guten Willens die Haͤnde
und legte ſie auf die Achſelbaͤnder Rebeckas und betete und
ſagte: „gewiß, gewiß, ich will den guten Schweſtern das
Kloſter Lilienthal gruͤnden — aber, ich muß doch erſt — da
uͤbernahm mich der Schlaf — die große Waͤſche zu Hauſe
und wieder in den Schraͤnken haben — feuerrothe Roͤſelein —
ich nickte und ſank zur linken und ſchlummerte ein.
St. Johannis des Taͤufers Tag. Sonnenwen¬
de. — Als der Tag anbrach hoͤrte ich in der Ferne ein lieb¬
liches Singen. Ich trat vor das Zelt und hoͤrte, daß es
die drei Fraͤulein waren, welche vor Tag in den Wald ge¬
gangen waren, mancherlei Kraͤuter und Wurzeln unter Ge¬
bet zu ſammeln, wie es in Hennegau an dieſem Tag der
fromme Gebrauch iſt. Sie ſchmuͤckten die Kapelle des Taͤu¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/344>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.