lauf, den der Graf dadurch gehabt; was hauptsächlich eine Ursache gewesen, daß er aus Vadutz ins Hennegau gezogen. Auch sey die Gräfinn deine Mutter krank und ihr jene Kraft der Kleinode ganz unbekannt. Da ich ihn aber fußfällig bat, mir zu deiner Mutter zu helfen, gieng er in seine Kam¬ mer ins Gebet und da er heraus kam, segnete er mich und sprach: "folge mir in Gottes Namen!" da führte er mich und die Schwestern in das Schloß. Wir wurden auch gut aufgenommen bei deiner seligen Mutter, du gedenkest dessen noch; ja du selbst trugst bei, daß sie mich unter ihr Frauen¬ zimmer nahm, dich das Bildwerk weben zu lehren, und ich brachte es so weit, daß es mir erlaubt ward, in ihrer Krank¬ heit an St. Johannis Vorabend bei ihrem Lager zu wachen. Da man mir hier gar nichts von der Kraft der Edelsteine sagte, sprach ich auch nicht davon, und harrte mit großer Angst, bis deine Mutter entschlief, um mein Haupt auf ihre rechte Schulter zu lehnen. Sie lag aber auf der rech¬ ten Seite, und statt zu beten, daß sie sich umwenden möge, ließ ich mich von meiner Begierde, dem armen Jürgo zu helfen, hinreißen. Ich sah den lichten Stein auf ihrem lin¬ ken Schulterbande blitzen und senkte meine Stirne mit dem heißen Verlangen auf diesen Stein nieder, es möge seine Kraft an mir wahr werden, -- und sie ward an mir wahr, ich ward unweise und führte unsinnige Reden, und sang laut die thörichten Lieder des Jürgo. Deine Mutter erwachte, man brachte mich hinweg, und du weißt, wie ich mit mei¬ nen Schwestern nach Vadutz zurück gesendet ward. Eine Gnade hatte ich, ich wußte von meinem Leide, ich wußte von Allem, was um mich her geschah, aber ich mußte thun und denken, was ich that, und wohl auch manchmal fühlen, daß es im Grunde oft weiser war, als vorher. Ich wußte auch, daß Gott mir einst helfen werde, und so trug ich al¬ len Hohn ohne Murren, und opferte alles Leid Gott auf für den treuen Jürgo und die Seelen meiner frommen Eltern. --
lauf, den der Graf dadurch gehabt; was hauptſaͤchlich eine Urſache geweſen, daß er aus Vadutz ins Hennegau gezogen. Auch ſey die Graͤfinn deine Mutter krank und ihr jene Kraft der Kleinode ganz unbekannt. Da ich ihn aber fußfaͤllig bat, mir zu deiner Mutter zu helfen, gieng er in ſeine Kam¬ mer ins Gebet und da er heraus kam, ſegnete er mich und ſprach: „folge mir in Gottes Namen!“ da fuͤhrte er mich und die Schweſtern in das Schloß. Wir wurden auch gut aufgenommen bei deiner ſeligen Mutter, du gedenkeſt deſſen noch; ja du ſelbſt trugſt bei, daß ſie mich unter ihr Frauen¬ zimmer nahm, dich das Bildwerk weben zu lehren, und ich brachte es ſo weit, daß es mir erlaubt ward, in ihrer Krank¬ heit an St. Johannis Vorabend bei ihrem Lager zu wachen. Da man mir hier gar nichts von der Kraft der Edelſteine ſagte, ſprach ich auch nicht davon, und harrte mit großer Angſt, bis deine Mutter entſchlief, um mein Haupt auf ihre rechte Schulter zu lehnen. Sie lag aber auf der rech¬ ten Seite, und ſtatt zu beten, daß ſie ſich umwenden moͤge, ließ ich mich von meiner Begierde, dem armen Juͤrgo zu helfen, hinreißen. Ich ſah den lichten Stein auf ihrem lin¬ ken Schulterbande blitzen und ſenkte meine Stirne mit dem heißen Verlangen auf dieſen Stein nieder, es moͤge ſeine Kraft an mir wahr werden, — und ſie ward an mir wahr, ich ward unweiſe und fuͤhrte unſinnige Reden, und ſang laut die thoͤrichten Lieder des Juͤrgo. Deine Mutter erwachte, man brachte mich hinweg, und du weißt, wie ich mit mei¬ nen Schweſtern nach Vadutz zuruͤck geſendet ward. Eine Gnade hatte ich, ich wußte von meinem Leide, ich wußte von Allem, was um mich her geſchah, aber ich mußte thun und denken, was ich that, und wohl auch manchmal fuͤhlen, daß es im Grunde oft weiſer war, als vorher. Ich wußte auch, daß Gott mir einſt helfen werde, und ſo trug ich al¬ len Hohn ohne Murren, und opferte alles Leid Gott auf fuͤr den treuen Juͤrgo und die Seelen meiner frommen Eltern. —
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lauf, den der Graf dadurch gehabt; was hauptſaͤchlich eine
Urſache geweſen, daß er aus Vadutz ins Hennegau gezogen.
Auch ſey die Graͤfinn deine Mutter krank und ihr jene Kraft
der Kleinode ganz unbekannt. Da ich ihn aber fußfaͤllig
bat, mir zu deiner Mutter zu helfen, gieng er in ſeine Kam¬
mer ins Gebet und da er heraus kam, ſegnete er mich und
ſprach: „folge mir in Gottes Namen!“ da fuͤhrte er mich
und die Schweſtern in das Schloß. Wir wurden auch gut
aufgenommen bei deiner ſeligen Mutter, du gedenkeſt deſſen
noch; ja du ſelbſt trugſt bei, daß ſie mich unter ihr Frauen¬
zimmer nahm, dich das Bildwerk weben zu lehren, und ich
brachte es ſo weit, daß es mir erlaubt ward, in ihrer Krank¬
heit an St. Johannis Vorabend bei ihrem Lager zu wachen.
Da man mir hier gar nichts von der Kraft der Edelſteine
ſagte, ſprach ich auch nicht davon, und harrte mit großer
Angſt, bis deine Mutter entſchlief, um mein Haupt auf
ihre rechte Schulter zu lehnen. Sie lag aber auf der rech¬
ten Seite, und ſtatt zu beten, daß ſie ſich umwenden moͤge,
ließ ich mich von meiner Begierde, dem armen Juͤrgo zu
helfen, hinreißen. Ich ſah den lichten Stein auf ihrem lin¬
ken Schulterbande blitzen und ſenkte meine Stirne mit dem
heißen Verlangen auf dieſen Stein nieder, es moͤge ſeine
Kraft an mir wahr werden, — und ſie ward an mir wahr,
ich ward unweiſe und fuͤhrte unſinnige Reden, und ſang
laut die thoͤrichten Lieder des Juͤrgo. Deine Mutter erwachte,
man brachte mich hinweg, und du weißt, wie ich mit mei¬
nen Schweſtern nach Vadutz zuruͤck geſendet ward. Eine
Gnade hatte ich, ich wußte von meinem Leide, ich wußte
von Allem, was um mich her geſchah, aber ich mußte thun
und denken, was ich that, und wohl auch manchmal fuͤhlen,
daß es im Grunde oft weiſer war, als vorher. Ich wußte
auch, daß Gott mir einſt helfen werde, und ſo trug ich al¬
len Hohn ohne Murren, und opferte alles Leid Gott auf fuͤr
den treuen Juͤrgo und die Seelen meiner frommen Eltern. —
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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