Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.mich nicht so einsam, o lasse dich erschüttern!" -- Das "Feuerrothe Röselein, und konnte ich diese Worte nicht aus den Sinnen losAus dem Blute springt der Schein, Aus der Erde dringt der Wein, Roth schwing ich mein Fähnelein!" werden, ich weiß nicht warum. Es zog mir dabei ein ban¬ ges drückendes Gefühl von der linken Schulter zum Herzen. Nachmittags zogen wir mit der Wäsche, den Teppichen und der großen amaranthseidnen Decke auf die Wiese, und brei¬ teten Alles zur Bleiche aus; denn es ist in dem Lande Hen¬ negau eine große Verehrung des Täufers und herrscht unter dem Volke der Glaube, der Thau in der Johannisnacht be¬ wahre Leinen-, Seiden- und Wollentücher vor Mottenfraß und anderm Verderben. Es waren aber drei fromme arme Fräulein, zur Lilien genannt auf der Bleiche. Sie waren aus meinem Ländchen Vadutz einen weiten Weg vor einigen mich nicht ſo einſam, o laſſe dich erſchuͤttern!“ — Das „Feuerrothe Roͤſelein, und konnte ich dieſe Worte nicht aus den Sinnen losAus dem Blute ſpringt der Schein, Aus der Erde dringt der Wein, Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein!“ werden, ich weiß nicht warum. Es zog mir dabei ein ban¬ ges druͤckendes Gefuͤhl von der linken Schulter zum Herzen. Nachmittags zogen wir mit der Waͤſche, den Teppichen und der großen amaranthſeidnen Decke auf die Wieſe, und brei¬ teten Alles zur Bleiche aus; denn es iſt in dem Lande Hen¬ negau eine große Verehrung des Taͤufers und herrſcht unter dem Volke der Glaube, der Thau in der Johannisnacht be¬ wahre Leinen-, Seiden- und Wollentuͤcher vor Mottenfraß und anderm Verderben. Es waren aber drei fromme arme Fraͤulein, zur Lilien genannt auf der Bleiche. Sie waren aus meinem Laͤndchen Vadutz einen weiten Weg vor einigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0322" n="268"/> mich nicht ſo einſam, o laſſe dich erſchuͤttern!“ — Das<lb/> wollte mich ſchier bewegen, doch ich hoͤrte Geſang nahen<lb/> und trocknete meine Augen und eilte an den luſtigen Spring¬<lb/> brunnen des Schloßhofes unter die Linden, da fand ich meine<lb/> Geſpielen beſchaͤftigt, meine Halskrauſen und Schleier und<lb/> feineren Geraͤthe zu waſchen, und ich geſellte mich zu ihnen<lb/> nach alter Landesſitte, jede haͤusliche Arbeit durch meine<lb/> Theilnahme zu ehren und wuſch. Wie wir nun ſo plaͤtſcher¬<lb/> ten und wiſchi waſchi plauderten und Jede vor der Andern<lb/> ihre innere Armuth, die wir doch gegenſeitig kannten, unter<lb/> einer andern Flitterkrone, ich aber unter meiner Grafenkrone<lb/> verſteckte, zogen Schaaren von armen Kindern mit Koͤrben<lb/> zu uns heran und bettelten um Geſchenke, den Johannisengel<lb/> morgen zum Feſte zu ſchmuͤcken, und Johannisfeuer anzuzuͤn¬<lb/> den. Ich ließ ihnen reichlich Speiſe und Holz austheilen<lb/> und ſchenkte ihnen auch ein ſchoͤnes rothes Kleid, den Johan¬<lb/> nisengel zu bekleiden. Sie ſangen aber einen Reim:<lb/><lg type="poem"><l>„Feuerrothe Roͤſelein,</l><lb/><l>Aus dem Blute ſpringt der Schein,</l><lb/><l>Aus der Erde dringt der Wein,</l><lb/><l>Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein!“</l><lb/></lg> und konnte ich dieſe Worte nicht aus den Sinnen los<lb/> werden, ich weiß nicht warum. Es zog mir dabei ein ban¬<lb/> ges druͤckendes Gefuͤhl von der linken Schulter zum Herzen.<lb/> Nachmittags zogen wir mit der Waͤſche, den Teppichen und<lb/> der großen amaranthſeidnen Decke auf die Wieſe, und brei¬<lb/> teten Alles zur Bleiche aus; denn es iſt in dem Lande Hen¬<lb/> negau eine große Verehrung des Taͤufers und herrſcht unter<lb/> dem Volke der Glaube, der Thau in der Johannisnacht be¬<lb/> wahre Leinen-, Seiden- und Wollentuͤcher vor Mottenfraß<lb/> und anderm Verderben. Es waren aber drei fromme arme<lb/> Fraͤulein, zur Lilien genannt auf der Bleiche. Sie waren<lb/> aus meinem Laͤndchen Vadutz einen weiten Weg vor einigen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0322]
mich nicht ſo einſam, o laſſe dich erſchuͤttern!“ — Das
wollte mich ſchier bewegen, doch ich hoͤrte Geſang nahen
und trocknete meine Augen und eilte an den luſtigen Spring¬
brunnen des Schloßhofes unter die Linden, da fand ich meine
Geſpielen beſchaͤftigt, meine Halskrauſen und Schleier und
feineren Geraͤthe zu waſchen, und ich geſellte mich zu ihnen
nach alter Landesſitte, jede haͤusliche Arbeit durch meine
Theilnahme zu ehren und wuſch. Wie wir nun ſo plaͤtſcher¬
ten und wiſchi waſchi plauderten und Jede vor der Andern
ihre innere Armuth, die wir doch gegenſeitig kannten, unter
einer andern Flitterkrone, ich aber unter meiner Grafenkrone
verſteckte, zogen Schaaren von armen Kindern mit Koͤrben
zu uns heran und bettelten um Geſchenke, den Johannisengel
morgen zum Feſte zu ſchmuͤcken, und Johannisfeuer anzuzuͤn¬
den. Ich ließ ihnen reichlich Speiſe und Holz austheilen
und ſchenkte ihnen auch ein ſchoͤnes rothes Kleid, den Johan¬
nisengel zu bekleiden. Sie ſangen aber einen Reim:
„Feuerrothe Roͤſelein,
Aus dem Blute ſpringt der Schein,
Aus der Erde dringt der Wein,
Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein!“
und konnte ich dieſe Worte nicht aus den Sinnen los
werden, ich weiß nicht warum. Es zog mir dabei ein ban¬
ges druͤckendes Gefuͤhl von der linken Schulter zum Herzen.
Nachmittags zogen wir mit der Waͤſche, den Teppichen und
der großen amaranthſeidnen Decke auf die Wieſe, und brei¬
teten Alles zur Bleiche aus; denn es iſt in dem Lande Hen¬
negau eine große Verehrung des Taͤufers und herrſcht unter
dem Volke der Glaube, der Thau in der Johannisnacht be¬
wahre Leinen-, Seiden- und Wollentuͤcher vor Mottenfraß
und anderm Verderben. Es waren aber drei fromme arme
Fraͤulein, zur Lilien genannt auf der Bleiche. Sie waren
aus meinem Laͤndchen Vadutz einen weiten Weg vor einigen
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