Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.und Kinderfeste, welche wir in aller guten Weise aufrecht Osterdienstag. Nach alter Landessitte hielten wir an Quasimodo geniti. Weißer Sonntag. Heute Mayentag. Wir Gespielinnen zogen mit den armen Grase, grase, grüne, Ich gieng mit Osterluzia in den Wald und suchte Wald¬Sieben junge Hühner, Gläschen Wein, Bretzelchen drein. Sitz nieder! meisterlein und andere Kräuter zum Maytrank. -- Sie war Abends bei mir und sprach so lieblich von der Waldeinsamkeit und Kinderfeſte, welche wir in aller guten Weiſe aufrecht Oſterdienſtag. Nach alter Landesſitte hielten wir an Quaſimodo geniti. Weißer Sonntag. Heute Mayentag. Wir Geſpielinnen zogen mit den armen Graſe, graſe, gruͤne, Ich gieng mit Oſterluzia in den Wald und ſuchte Wald¬Sieben junge Huͤhner, Glaͤschen Wein, Bretzelchen drein. Sitz nieder! meiſterlein und andere Kraͤuter zum Maytrank. — Sie war Abends bei mir und ſprach ſo lieblich von der Waldeinſamkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0303" n="249"/> und Kinderfeſte, welche wir in aller guten Weiſe aufrecht<lb/> erhalten wollten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Oſterdienſtag</hi>. Nach alter Landesſitte hielten wir an<lb/> dieſem Tag den Wiegenzug zu den Eheleuten, auf deren<lb/> Hochzeit wir geweſen waren. Wir trugen eine ſchoͤn ge¬<lb/> ſchmuͤckte Wiege, eine Raſſel und allerlei Kindergeraͤthe bei<lb/> uns. Die Wiege ward in die Stube geſtellt, um ſie her geſungen<lb/> und gereiht, und daruͤber geſprungen. Alle opferten etwas<lb/> an Geld oder Flachs oder Linnen, oder Fruͤchten in die Wiege,<lb/> und da ſie wohl angefuͤllt war, wickelten wir alle Gegenſtaͤnde<lb/> in eine Puppe zuſammen und ſpendeten es ſammt der Wiege<lb/> der aͤrmſten Familie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Quaſimodo geniti</hi>. <hi rendition="#g">Weißer Sonntag</hi>. Heute<lb/> hatten wir die erſte Ordensverſammlung. Wir theilten weiße<lb/> Taufhemden und Decken aus an arme Woͤchnerinnen. Or¬<lb/> nitogalia wiederholte uns gar anmuthig, was Jakob von<lb/> Guiſe uͤber die Worte geprediget: „Wie neugeborne Kindlein<lb/> ohne Trug begehret nach der Milch, daß ihr durch ſie zum<lb/> Himmel aufwachſet.“ — Ich ſchenkte ihr dafuͤr das Recht,<lb/> eine Anzahl Kuͤhe, Schaafe und Ziegen auf meinen Wieſen<lb/> weiden zu laſſen, wofuͤr ſie bei Braut- und Leichenzuͤgen<lb/> meiner weiblichen Nachkommen ein Hirtenhuhn zu entrichten<lb/> hat.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Mayentag</hi>. Wir Geſpielinnen zogen mit den armen<lb/> Kindern hinaus in den gruͤnen Mayen, ſpeiſten ſie, ſpielten<lb/> und tanzten mit ihnen im Kreis und ſangen die Weiſe:<lb/><lg type="poem"><l>Graſe, graſe, gruͤne,</l><lb/><l>Sieben junge Huͤhner,</l><lb/><l>Glaͤschen Wein,</l><lb/><l>Bretzelchen drein.</l><lb/><l>Sitz nieder!</l><lb/></lg> Ich gieng mit Oſterluzia in den Wald und ſuchte Wald¬<lb/> meiſterlein und andere Kraͤuter zum Maytrank. — Sie war<lb/> Abends bei mir und ſprach ſo lieblich von der Waldeinſamkeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0303]
und Kinderfeſte, welche wir in aller guten Weiſe aufrecht
erhalten wollten.
Oſterdienſtag. Nach alter Landesſitte hielten wir an
dieſem Tag den Wiegenzug zu den Eheleuten, auf deren
Hochzeit wir geweſen waren. Wir trugen eine ſchoͤn ge¬
ſchmuͤckte Wiege, eine Raſſel und allerlei Kindergeraͤthe bei
uns. Die Wiege ward in die Stube geſtellt, um ſie her geſungen
und gereiht, und daruͤber geſprungen. Alle opferten etwas
an Geld oder Flachs oder Linnen, oder Fruͤchten in die Wiege,
und da ſie wohl angefuͤllt war, wickelten wir alle Gegenſtaͤnde
in eine Puppe zuſammen und ſpendeten es ſammt der Wiege
der aͤrmſten Familie.
Quaſimodo geniti. Weißer Sonntag. Heute
hatten wir die erſte Ordensverſammlung. Wir theilten weiße
Taufhemden und Decken aus an arme Woͤchnerinnen. Or¬
nitogalia wiederholte uns gar anmuthig, was Jakob von
Guiſe uͤber die Worte geprediget: „Wie neugeborne Kindlein
ohne Trug begehret nach der Milch, daß ihr durch ſie zum
Himmel aufwachſet.“ — Ich ſchenkte ihr dafuͤr das Recht,
eine Anzahl Kuͤhe, Schaafe und Ziegen auf meinen Wieſen
weiden zu laſſen, wofuͤr ſie bei Braut- und Leichenzuͤgen
meiner weiblichen Nachkommen ein Hirtenhuhn zu entrichten
hat.
Mayentag. Wir Geſpielinnen zogen mit den armen
Kindern hinaus in den gruͤnen Mayen, ſpeiſten ſie, ſpielten
und tanzten mit ihnen im Kreis und ſangen die Weiſe:
Graſe, graſe, gruͤne,
Sieben junge Huͤhner,
Glaͤschen Wein,
Bretzelchen drein.
Sitz nieder!
Ich gieng mit Oſterluzia in den Wald und ſuchte Wald¬
meiſterlein und andere Kraͤuter zum Maytrank. — Sie war
Abends bei mir und ſprach ſo lieblich von der Waldeinſamkeit
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