ernsten Psalmen des Schnitters, es hörte das Wogen der Aehren Welle auf Welle, und wenn es gleich freudig mit den andern Kindern auf der Schwelle des Erndtefestes saß, so spielte es doch nicht mit den blauen und rothen Blumen, die vom Thau des letzten Tages schimmerten, sondern es ge¬ dachte dieses Tages und sah die Boten der Erndte, zwei Engel aus dem Weizen hervortreten; der eine führte ein ar¬ mes verwaistes Kind, das lange keine Freude gehabt, hin auf die Schwelle, wo die freudig frommen Kinder spielten, und zu dem Kuchen, der da ausgetheilt ward. -- Da sagte das nachdenkliche Mädchen auf dem Kinderstühlchen vor sich: "ach und das Leben ist doch so ernst!" -- Gleich darauf sah es den zweiten Engel, sich aus dem Korn hervorbeugend, mit einem andern Kinde in das Nest der Gallina schauen, welche dort brütete; da sprach das ernste Kind:
"Engel, die Gott zugesehn, Sonn und Mond und Sterne bauen, Sprechen: "Herr, es ist auch schön, Mit dem Kind ins Nest zu schauen!"
Darüber dachte es nun wieder nach, als der Knabe auf dem Steckenpferd vorüber reitend es an der Schürze zupfte.
Als nun Alles so voll Freude und Jubel über die wohl¬ aprobirte Gouvernante und ihren Kuchen war, sagte diese, dem Ungestümm der Kinder wehrend: "bitte, bitte, artig seyn, jetzt will ich austheilen." Da patschten Alle so freu¬ dig in die Hände, und ich vor allen so unmäßig, daß mir die Hände noch brennen, denn ich war auch dabei, sonst hätte ich die ganze Geschichte ja nie erfahren und hätte keinen Kuchen erhalten von der Puppe -- nein der nur allerschönsten Kunstfigur u. s. w.
ernſten Pſalmen des Schnitters, es hoͤrte das Wogen der Aehren Welle auf Welle, und wenn es gleich freudig mit den andern Kindern auf der Schwelle des Erndtefeſtes ſaß, ſo ſpielte es doch nicht mit den blauen und rothen Blumen, die vom Thau des letzten Tages ſchimmerten, ſondern es ge¬ dachte dieſes Tages und ſah die Boten der Erndte, zwei Engel aus dem Weizen hervortreten; der eine fuͤhrte ein ar¬ mes verwaiſtes Kind, das lange keine Freude gehabt, hin auf die Schwelle, wo die freudig frommen Kinder ſpielten, und zu dem Kuchen, der da ausgetheilt ward. — Da ſagte das nachdenkliche Maͤdchen auf dem Kinderſtuͤhlchen vor ſich: „ach und das Leben iſt doch ſo ernſt!“ — Gleich darauf ſah es den zweiten Engel, ſich aus dem Korn hervorbeugend, mit einem andern Kinde in das Neſt der Gallina ſchauen, welche dort bruͤtete; da ſprach das ernſte Kind:
„Engel, die Gott zugeſehn, Sonn und Mond und Sterne bauen, Sprechen: »Herr, es iſt auch ſchoͤn, Mit dem Kind ins Neſt zu ſchauen!“
Daruͤber dachte es nun wieder nach, als der Knabe auf dem Steckenpferd voruͤber reitend es an der Schuͤrze zupfte.
Als nun Alles ſo voll Freude und Jubel uͤber die wohl¬ aprobirte Gouvernante und ihren Kuchen war, ſagte dieſe, dem Ungeſtuͤmm der Kinder wehrend: „bitte, bitte, artig ſeyn, jetzt will ich austheilen.“ Da patſchten Alle ſo freu¬ dig in die Haͤnde, und ich vor allen ſo unmaͤßig, daß mir die Haͤnde noch brennen, denn ich war auch dabei, ſonſt haͤtte ich die ganze Geſchichte ja nie erfahren und haͤtte keinen Kuchen erhalten von der Puppe — nein der nur allerſchoͤnſten Kunſtfigur u. ſ. w.
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ernſten Pſalmen des Schnitters, es hoͤrte das Wogen der
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den andern Kindern auf der Schwelle des Erndtefeſtes ſaß,
ſo ſpielte es doch nicht mit den blauen und rothen Blumen,
die vom Thau des letzten Tages ſchimmerten, ſondern es ge¬
dachte dieſes Tages und ſah die Boten der Erndte, zwei
Engel aus dem Weizen hervortreten; der eine fuͤhrte ein ar¬
mes verwaiſtes Kind, das lange keine Freude gehabt, hin
auf die Schwelle, wo die freudig frommen Kinder ſpielten,
und zu dem Kuchen, der da ausgetheilt ward. — Da ſagte
das nachdenkliche Maͤdchen auf dem Kinderſtuͤhlchen vor ſich:
„ach und das Leben iſt doch ſo ernſt!“ — Gleich darauf
ſah es den zweiten Engel, ſich aus dem Korn hervorbeugend,
mit einem andern Kinde in das Neſt der Gallina ſchauen,
welche dort bruͤtete; da ſprach das ernſte Kind:
„Engel, die Gott zugeſehn,
Sonn und Mond und Sterne bauen,
Sprechen: »Herr, es iſt auch ſchoͤn,
Mit dem Kind ins Neſt zu ſchauen!“
Daruͤber dachte es nun wieder nach, als der Knabe auf dem
Steckenpferd voruͤber reitend es an der Schuͤrze zupfte.
Als nun Alles ſo voll Freude und Jubel uͤber die wohl¬
aprobirte Gouvernante und ihren Kuchen war, ſagte dieſe,
dem Ungeſtuͤmm der Kinder wehrend: „bitte, bitte, artig
ſeyn, jetzt will ich austheilen.“ Da patſchten Alle ſo freu¬
dig in die Haͤnde, und ich vor allen ſo unmaͤßig, daß mir
die Haͤnde noch brennen, denn ich war auch dabei, ſonſt
haͤtte ich die ganze Geſchichte ja nie erfahren
und haͤtte keinen Kuchen erhalten
von der Puppe — nein der nur
allerſchoͤnſten
Kunſtfigur
u. ſ. w.
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/280>, abgerufen am 17.07.2024.
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