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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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stenliebe der Mäuse, welche, wenn eine in eine Grube ge¬
fallen ist, sich einander in die Schwänze beißend, eine Kette
bilden, um ihre verunglückte Nebenmaus aus der Grube zu
ziehen. Er sagte, wie thöricht bei all diesen großen Eigen¬
schaften die Fabel sey: ein Berg habe gebären wollen, und
eine lächerliche Maus sey hervorgekommen; er führte die
Mäuse als Werkzeuge Gottes in den Aegyptischen Plagen,
und bei dem geitzigen Hatto von Mainz an, den sie gefres¬
sen, obschon er sich auf den Mausthurm mitten in den Rhein
geflüchtet. Er sprach auch von der Holdseligkeit der Mäuse,
daß sogar die Menschen ihre artigsten Kinder: "kleine Maus,
liebes Mäuschen," nennen. Er erwähnte, daß die Mäuse
das feinste Gehör außer den Eseln haben. Aber auch vom
Uebermuth der Mäuse sprach der edle Muskulus, er sprach:
wenn die Maus satt ist, schmeckt ihr das Mehl bitter. Er
sprach von gefährlichen Zeiten, und daß die Mäuse, welche
auf dem Tische herumtanzten, wenn die Katze nicht zu Hause
sey, sich nicht so mausig machen, sondern bedenken sollten,
daß die Katze das Mausen nicht lasse. Dann flehte er noch
den Segen des Himmels auf das edle Vorhaben der Prin¬
zessin Mandelbiß und des Prinzen Speckelfleck herab und
forderte sie auf, das Sprichwort wohl zu überlegen:

"Zu bedauern ist die Maus,
Kennt sie nur ein Loch im Haus;
Aber ins Verderben rennt
Jene, die gar keines kennt,"
und nun setzte der gelehrte Muskulus hinzu, wie er bei sei¬
nen Studien eine halbe Bibliothek durchfressen und wie treff¬
lich ihm endlich die schöne Stelle des heidnischen Komödien¬
schreibers Plautus geschmeckt habe:

"Bedenk' die Weisheit der kleinen Maus,
Sie hat viel Thüren in ihrem Haus,
Sperrst du ihr einen Schlupfwinkel zu
Flieht sie zum andern und sitzt in Ruh'."

ſtenliebe der Maͤuſe, welche, wenn eine in eine Grube ge¬
fallen iſt, ſich einander in die Schwaͤnze beißend, eine Kette
bilden, um ihre verungluͤckte Nebenmaus aus der Grube zu
ziehen. Er ſagte, wie thoͤricht bei all dieſen großen Eigen¬
ſchaften die Fabel ſey: ein Berg habe gebaͤren wollen, und
eine laͤcherliche Maus ſey hervorgekommen; er fuͤhrte die
Maͤuſe als Werkzeuge Gottes in den Aegyptiſchen Plagen,
und bei dem geitzigen Hatto von Mainz an, den ſie gefreſ¬
ſen, obſchon er ſich auf den Mausthurm mitten in den Rhein
gefluͤchtet. Er ſprach auch von der Holdſeligkeit der Maͤuſe,
daß ſogar die Menſchen ihre artigſten Kinder: „kleine Maus,
liebes Maͤuschen,“ nennen. Er erwaͤhnte, daß die Maͤuſe
das feinſte Gehoͤr außer den Eſeln haben. Aber auch vom
Uebermuth der Maͤuſe ſprach der edle Muskulus, er ſprach:
wenn die Maus ſatt iſt, ſchmeckt ihr das Mehl bitter. Er
ſprach von gefaͤhrlichen Zeiten, und daß die Maͤuſe, welche
auf dem Tiſche herumtanzten, wenn die Katze nicht zu Hauſe
ſey, ſich nicht ſo mauſig machen, ſondern bedenken ſollten,
daß die Katze das Mauſen nicht laſſe. Dann flehte er noch
den Segen des Himmels auf das edle Vorhaben der Prin¬
zeſſin Mandelbiß und des Prinzen Speckelfleck herab und
forderte ſie auf, das Sprichwort wohl zu uͤberlegen:

„Zu bedauern iſt die Maus,
Kennt ſie nur ein Loch im Haus;
Aber ins Verderben rennt
Jene, die gar keines kennt,“
und nun ſetzte der gelehrte Muskulus hinzu, wie er bei ſei¬
nen Studien eine halbe Bibliothek durchfreſſen und wie treff¬
lich ihm endlich die ſchoͤne Stelle des heidniſchen Komoͤdien¬
ſchreibers Plautus geſchmeckt habe:

„Bedenk' die Weisheit der kleinen Maus,
Sie hat viel Thuͤren in ihrem Haus,
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Flieht ſie zum andern und ſitzt in Ruh'.“
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[165/0213] ſtenliebe der Maͤuſe, welche, wenn eine in eine Grube ge¬ fallen iſt, ſich einander in die Schwaͤnze beißend, eine Kette bilden, um ihre verungluͤckte Nebenmaus aus der Grube zu ziehen. Er ſagte, wie thoͤricht bei all dieſen großen Eigen¬ ſchaften die Fabel ſey: ein Berg habe gebaͤren wollen, und eine laͤcherliche Maus ſey hervorgekommen; er fuͤhrte die Maͤuſe als Werkzeuge Gottes in den Aegyptiſchen Plagen, und bei dem geitzigen Hatto von Mainz an, den ſie gefreſ¬ ſen, obſchon er ſich auf den Mausthurm mitten in den Rhein gefluͤchtet. Er ſprach auch von der Holdſeligkeit der Maͤuſe, daß ſogar die Menſchen ihre artigſten Kinder: „kleine Maus, liebes Maͤuschen,“ nennen. Er erwaͤhnte, daß die Maͤuſe das feinſte Gehoͤr außer den Eſeln haben. Aber auch vom Uebermuth der Maͤuſe ſprach der edle Muskulus, er ſprach: wenn die Maus ſatt iſt, ſchmeckt ihr das Mehl bitter. Er ſprach von gefaͤhrlichen Zeiten, und daß die Maͤuſe, welche auf dem Tiſche herumtanzten, wenn die Katze nicht zu Hauſe ſey, ſich nicht ſo mauſig machen, ſondern bedenken ſollten, daß die Katze das Mauſen nicht laſſe. Dann flehte er noch den Segen des Himmels auf das edle Vorhaben der Prin¬ zeſſin Mandelbiß und des Prinzen Speckelfleck herab und forderte ſie auf, das Sprichwort wohl zu uͤberlegen: „Zu bedauern iſt die Maus, Kennt ſie nur ein Loch im Haus; Aber ins Verderben rennt Jene, die gar keines kennt,“ und nun ſetzte der gelehrte Muskulus hinzu, wie er bei ſei¬ nen Studien eine halbe Bibliothek durchfreſſen und wie treff¬ lich ihm endlich die ſchoͤne Stelle des heidniſchen Komoͤdien¬ ſchreibers Plautus geſchmeckt habe: „Bedenk' die Weisheit der kleinen Maus, Sie hat viel Thuͤren in ihrem Haus, Sperrſt du ihr einen Schlupfwinkel zu Flieht ſie zum andern und ſitzt in Ruh'.“

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/213>, abgerufen am 19.04.2024.