Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
In der weiten Welt noch seyn,
Wie ist Alles klar und rein,
Wie ist Alles licht und fein,
Wie ist Alles im Verein
Zwei und zwei, und mein und dein;
Aber ich, ich bin allein,
Mutterseelig ganz allein!"

Da hörte ich einige Schritte von meinem Moosbettchen
entfernt einen dumpfen Ton, wie von leisem, verstecktem Katzen¬
geschrei, was mich für die frommen Mäuse sehr besorgt
machte; ich schlich mich leise hinzu und fand, von Distel und
Dornen überwachsen, eine alte, leere Pulvertonne dort liegen,
das Spundloch war gegen mich gekehrt, der Mond schien
hinein -- ich guckte auch hinein -- ach liebe Eltern! ich
sah etwas so Entsetzliches, daß mich der Schrecken wie mit
einer Gänsehaut überzog; in der alten Pulvertonne, deren
einer Boden fehlte, saßen fünf junge Kater, in welchen ich
zu meinem größten Schrecken -- ach, sie waren mir nur zu be¬
kannt geworden: -- die fünf Söhne Schurrimurri's, Mack, Be¬
nack, Gog, Magog und Demagog, erkannte. Sie waren
also der Hinrichtung entgangen -- ihre Mutter Schurrimurri
aber hatte ihre Strafe erlitten, denn sie saßen um deren
Todtenkopf herum, der in einer alten Alongeperücke lag. --
Mack schien eine heftige Rede zu halten, aber nur leise,
leise, alle machten große Buckel, spreitzten die Haare, und
schlugen einander den Pelz mit ihren Schweifen, daß Feuer¬
funken umher flogen; manchmal konnten sie ihren Grimm
nicht ganz unterdrücken und ließen ein dumpfes Murren
und Wimmern, wie ein unterirdisches Erdbeben, hören, wo¬
bei sie ihre weit vorgestreckten Krallen auf dem Todtenkopf,
wie Dolche, wetzten. Das Ganze hatte vom Monde im Faß
beleuchtet etwas höchst Gräuliches, Tückisches; mir war, als
sehe ich in die Hölle, und unwillkührlich kam mir in die Seele,
das ist eine Verschwörung, eine Meuterei, rette deine Freun¬

11
In der weiten Welt noch ſeyn,
Wie iſt Alles klar und rein,
Wie iſt Alles licht und fein,
Wie iſt Alles im Verein
Zwei und zwei, und mein und dein;
Aber ich, ich bin allein,
Mutterſeelig ganz allein!“

Da hoͤrte ich einige Schritte von meinem Moosbettchen
entfernt einen dumpfen Ton, wie von leiſem, verſtecktem Katzen¬
geſchrei, was mich fuͤr die frommen Maͤuſe ſehr beſorgt
machte; ich ſchlich mich leiſe hinzu und fand, von Diſtel und
Dornen uͤberwachſen, eine alte, leere Pulvertonne dort liegen,
das Spundloch war gegen mich gekehrt, der Mond ſchien
hinein — ich guckte auch hinein — ach liebe Eltern! ich
ſah etwas ſo Entſetzliches, daß mich der Schrecken wie mit
einer Gaͤnſehaut uͤberzog; in der alten Pulvertonne, deren
einer Boden fehlte, ſaßen fuͤnf junge Kater, in welchen ich
zu meinem groͤßten Schrecken — ach, ſie waren mir nur zu be¬
kannt geworden: — die fuͤnf Soͤhne Schurrimurri's, Mack, Be¬
nack, Gog, Magog und Demagog, erkannte. Sie waren
alſo der Hinrichtung entgangen — ihre Mutter Schurrimurri
aber hatte ihre Strafe erlitten, denn ſie ſaßen um deren
Todtenkopf herum, der in einer alten Alongeperuͤcke lag. —
Mack ſchien eine heftige Rede zu halten, aber nur leiſe,
leiſe, alle machten große Buckel, ſpreitzten die Haare, und
ſchlugen einander den Pelz mit ihren Schweifen, daß Feuer¬
funken umher flogen; manchmal konnten ſie ihren Grimm
nicht ganz unterdruͤcken und ließen ein dumpfes Murren
und Wimmern, wie ein unterirdiſches Erdbeben, hoͤren, wo¬
bei ſie ihre weit vorgeſtreckten Krallen auf dem Todtenkopf,
wie Dolche, wetzten. Das Ganze hatte vom Monde im Faß
beleuchtet etwas hoͤchſt Graͤuliches, Tuͤckiſches; mir war, als
ſehe ich in die Hoͤlle, und unwillkuͤhrlich kam mir in die Seele,
das iſt eine Verſchwoͤrung, eine Meuterei, rette deine Freun¬

11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0209" n="161"/>
          <lg n="2">
            <l>In der weiten Welt noch &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Wie i&#x017F;t Alles klar und rein,</l><lb/>
            <l>Wie i&#x017F;t Alles licht und fein,</l><lb/>
            <l>Wie i&#x017F;t Alles im Verein</l><lb/>
            <l>Zwei und zwei, und mein und dein;</l><lb/>
            <l>Aber ich, ich bin allein,</l><lb/>
            <l>Mutter&#x017F;eelig ganz allein!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
        <p>Da ho&#x0364;rte ich einige Schritte von meinem Moosbettchen<lb/>
entfernt einen dumpfen Ton, wie von lei&#x017F;em, ver&#x017F;tecktem Katzen¬<lb/>
ge&#x017F;chrei, was mich fu&#x0364;r die frommen Ma&#x0364;u&#x017F;e &#x017F;ehr be&#x017F;orgt<lb/>
machte; ich &#x017F;chlich mich lei&#x017F;e hinzu und fand, von Di&#x017F;tel und<lb/>
Dornen u&#x0364;berwach&#x017F;en, eine alte, leere Pulvertonne dort liegen,<lb/>
das Spundloch war gegen mich gekehrt, der Mond &#x017F;chien<lb/>
hinein &#x2014; ich guckte auch hinein &#x2014; ach liebe Eltern! ich<lb/>
&#x017F;ah etwas &#x017F;o Ent&#x017F;etzliches, daß mich der Schrecken wie mit<lb/>
einer Ga&#x0364;n&#x017F;ehaut u&#x0364;berzog; in der alten Pulvertonne, deren<lb/>
einer Boden fehlte, &#x017F;aßen fu&#x0364;nf junge Kater, in welchen ich<lb/>
zu meinem gro&#x0364;ßten Schrecken &#x2014; ach, &#x017F;ie waren mir nur zu be¬<lb/>
kannt geworden: &#x2014; die fu&#x0364;nf So&#x0364;hne Schurrimurri's, Mack, Be¬<lb/>
nack, Gog, Magog und Demagog, erkannte. Sie waren<lb/>
al&#x017F;o der Hinrichtung entgangen &#x2014; ihre Mutter Schurrimurri<lb/>
aber hatte ihre Strafe erlitten, denn &#x017F;ie &#x017F;aßen um deren<lb/>
Todtenkopf herum, der in einer alten Alongeperu&#x0364;cke lag. &#x2014;<lb/>
Mack &#x017F;chien eine heftige Rede zu halten, aber nur lei&#x017F;e,<lb/>
lei&#x017F;e, alle machten große Buckel, &#x017F;preitzten die Haare, und<lb/>
&#x017F;chlugen einander den Pelz mit ihren Schweifen, daß Feuer¬<lb/>
funken umher flogen; manchmal konnten &#x017F;ie ihren Grimm<lb/>
nicht ganz unterdru&#x0364;cken und ließen ein dumpfes Murren<lb/>
und Wimmern, wie ein unterirdi&#x017F;ches Erdbeben, ho&#x0364;ren, wo¬<lb/>
bei &#x017F;ie ihre weit vorge&#x017F;treckten Krallen auf dem Todtenkopf,<lb/>
wie Dolche, wetzten. Das Ganze hatte vom Monde im Faß<lb/>
beleuchtet etwas ho&#x0364;ch&#x017F;t Gra&#x0364;uliches, Tu&#x0364;cki&#x017F;ches; mir war, als<lb/>
&#x017F;ehe ich in die Ho&#x0364;lle, und unwillku&#x0364;hrlich kam mir in die Seele,<lb/>
das i&#x017F;t eine Ver&#x017F;chwo&#x0364;rung, eine Meuterei, rette deine Freun¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0209] In der weiten Welt noch ſeyn, Wie iſt Alles klar und rein, Wie iſt Alles licht und fein, Wie iſt Alles im Verein Zwei und zwei, und mein und dein; Aber ich, ich bin allein, Mutterſeelig ganz allein!“ Da hoͤrte ich einige Schritte von meinem Moosbettchen entfernt einen dumpfen Ton, wie von leiſem, verſtecktem Katzen¬ geſchrei, was mich fuͤr die frommen Maͤuſe ſehr beſorgt machte; ich ſchlich mich leiſe hinzu und fand, von Diſtel und Dornen uͤberwachſen, eine alte, leere Pulvertonne dort liegen, das Spundloch war gegen mich gekehrt, der Mond ſchien hinein — ich guckte auch hinein — ach liebe Eltern! ich ſah etwas ſo Entſetzliches, daß mich der Schrecken wie mit einer Gaͤnſehaut uͤberzog; in der alten Pulvertonne, deren einer Boden fehlte, ſaßen fuͤnf junge Kater, in welchen ich zu meinem groͤßten Schrecken — ach, ſie waren mir nur zu be¬ kannt geworden: — die fuͤnf Soͤhne Schurrimurri's, Mack, Be¬ nack, Gog, Magog und Demagog, erkannte. Sie waren alſo der Hinrichtung entgangen — ihre Mutter Schurrimurri aber hatte ihre Strafe erlitten, denn ſie ſaßen um deren Todtenkopf herum, der in einer alten Alongeperuͤcke lag. — Mack ſchien eine heftige Rede zu halten, aber nur leiſe, leiſe, alle machten große Buckel, ſpreitzten die Haare, und ſchlugen einander den Pelz mit ihren Schweifen, daß Feuer¬ funken umher flogen; manchmal konnten ſie ihren Grimm nicht ganz unterdruͤcken und ließen ein dumpfes Murren und Wimmern, wie ein unterirdiſches Erdbeben, hoͤren, wo¬ bei ſie ihre weit vorgeſtreckten Krallen auf dem Todtenkopf, wie Dolche, wetzten. Das Ganze hatte vom Monde im Faß beleuchtet etwas hoͤchſt Graͤuliches, Tuͤckiſches; mir war, als ſehe ich in die Hoͤlle, und unwillkuͤhrlich kam mir in die Seele, das iſt eine Verſchwoͤrung, eine Meuterei, rette deine Freun¬ 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/209
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/209>, abgerufen am 26.04.2024.