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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Alles, und wollte morgen allein ausziehen, mir den Ring wie¬
der zu verschaffen, was ihm wegen der Uneinigkeit der Besi¬
tzer sehr leicht schien. "Nein, nein" rief da die Prinzeß Sissi,
"ich will dabei seyn, du bist viel zu ungestüm, wir wollen
es zusammen versuchen, und Gackeleia soll auch mitgehn."
Da sprach ich: "ja, ja, das wollen wir, und ich verspreche
euren königlichen Eltern, wenn ich den Ring wieder erhalte,
einen Zentner der schönsten holländischen Käse und einen
Sack der besten Knackmandeln, um ihre Residenz neu erbauen
zu können, und dazu noch einen Zentner der beßten Schin¬
ken zur allgemeinen Belustigung der Nation, und sonst Alles,
was dem edeln Volk der Mäuse lieb und angenehm seyn
kann."-- "Ach", rief der alte König aus, "meine liebe Ge¬
mahlin sagt mir so eben, daß sie vor ihr Leben gerne ein¬
mal Königsberger Marzipan und Thornischen Pfefferkuchen
und Jauersche Bratwürste und Spandauer Zimmtbretzeln
und Nürnberger Honigkuchen und Frankfurter Brenten und
Sachsenhauser Kugelhupfen und Mainzer Vitzen und Geln¬
hauser Bubenschenkel und Koblenzer Todtenbeinchen und Lie¬
staller Leckerli und Botzner Zelten und dergleichen patriotische
Kuchen essen möge."

"Alles das sollt ihr im Ueberfluße erhalten", sagte ich,
"sobald ich den Ring besitze." -- "Wohlan", sprach der König,
"so mögt ihr morgen mit Tagesanbruch auf das Abentheuer
ausziehen. Jetzt aber soll gleich, sobald unsre Rathsitzung
geschlossen ist, in die Kirche gezogen werden, um den Se¬
gen des Himmels zu erflehen; die fliegende Gensdarmerie
soll gleich die nöthigen Anstalten treffen." -- Nach diesen
Worten des Königs Mausolus VIII. sah ich viele Fleder¬
mäuse geschäftig durch die Stadt hin- und wiederfliegen.

Jetzt trat noch ein fataler Schmeichelredner auf, um
den Muth herauszustreichen, mit welchem ich die Ruthe für
Prinzessin Sissi ertragen hätte. Ein alter Pair aber unter¬
brach ihn mit den Worten: "Ehre, dem Ehre, Ruthe, dem

Alles, und wollte morgen allein ausziehen, mir den Ring wie¬
der zu verſchaffen, was ihm wegen der Uneinigkeit der Beſi¬
tzer ſehr leicht ſchien. „Nein, nein“ rief da die Prinzeß Siſſi,
„ich will dabei ſeyn, du biſt viel zu ungeſtuͤm, wir wollen
es zuſammen verſuchen, und Gackeleia ſoll auch mitgehn.“
Da ſprach ich: „ja, ja, das wollen wir, und ich verſpreche
euren koͤniglichen Eltern, wenn ich den Ring wieder erhalte,
einen Zentner der ſchoͤnſten hollaͤndiſchen Kaͤſe und einen
Sack der beſten Knackmandeln, um ihre Reſidenz neu erbauen
zu koͤnnen, und dazu noch einen Zentner der beßten Schin¬
ken zur allgemeinen Beluſtigung der Nation, und ſonſt Alles,
was dem edeln Volk der Maͤuſe lieb und angenehm ſeyn
kann.“— „Ach“, rief der alte Koͤnig aus, „meine liebe Ge¬
mahlin ſagt mir ſo eben, daß ſie vor ihr Leben gerne ein¬
mal Koͤnigsberger Marzipan und Thorniſchen Pfefferkuchen
und Jauerſche Bratwuͤrſte und Spandauer Zimmtbretzeln
und Nuͤrnberger Honigkuchen und Frankfurter Brenten und
Sachſenhauſer Kugelhupfen und Mainzer Vitzen und Geln¬
hauſer Bubenſchenkel und Koblenzer Todtenbeinchen und Lie¬
ſtaller Leckerli und Botzner Zelten und dergleichen patriotiſche
Kuchen eſſen moͤge.“

„Alles das ſollt ihr im Ueberfluße erhalten“, ſagte ich,
„ſobald ich den Ring beſitze.“ — „Wohlan“, ſprach der Koͤnig,
„ſo moͤgt ihr morgen mit Tagesanbruch auf das Abentheuer
ausziehen. Jetzt aber ſoll gleich, ſobald unſre Rathſitzung
geſchloſſen iſt, in die Kirche gezogen werden, um den Se¬
gen des Himmels zu erflehen; die fliegende Gensdarmerie
ſoll gleich die noͤthigen Anſtalten treffen.“ — Nach dieſen
Worten des Koͤnigs Mauſolus VIII. ſah ich viele Fleder¬
maͤuſe geſchaͤftig durch die Stadt hin- und wiederfliegen.

Jetzt trat noch ein fataler Schmeichelredner auf, um
den Muth herauszuſtreichen, mit welchem ich die Ruthe fuͤr
Prinzeſſin Siſſi ertragen haͤtte. Ein alter Pair aber unter¬
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[153/0199] Alles, und wollte morgen allein ausziehen, mir den Ring wie¬ der zu verſchaffen, was ihm wegen der Uneinigkeit der Beſi¬ tzer ſehr leicht ſchien. „Nein, nein“ rief da die Prinzeß Siſſi, „ich will dabei ſeyn, du biſt viel zu ungeſtuͤm, wir wollen es zuſammen verſuchen, und Gackeleia ſoll auch mitgehn.“ Da ſprach ich: „ja, ja, das wollen wir, und ich verſpreche euren koͤniglichen Eltern, wenn ich den Ring wieder erhalte, einen Zentner der ſchoͤnſten hollaͤndiſchen Kaͤſe und einen Sack der beſten Knackmandeln, um ihre Reſidenz neu erbauen zu koͤnnen, und dazu noch einen Zentner der beßten Schin¬ ken zur allgemeinen Beluſtigung der Nation, und ſonſt Alles, was dem edeln Volk der Maͤuſe lieb und angenehm ſeyn kann.“— „Ach“, rief der alte Koͤnig aus, „meine liebe Ge¬ mahlin ſagt mir ſo eben, daß ſie vor ihr Leben gerne ein¬ mal Koͤnigsberger Marzipan und Thorniſchen Pfefferkuchen und Jauerſche Bratwuͤrſte und Spandauer Zimmtbretzeln und Nuͤrnberger Honigkuchen und Frankfurter Brenten und Sachſenhauſer Kugelhupfen und Mainzer Vitzen und Geln¬ hauſer Bubenſchenkel und Koblenzer Todtenbeinchen und Lie¬ ſtaller Leckerli und Botzner Zelten und dergleichen patriotiſche Kuchen eſſen moͤge.“ „Alles das ſollt ihr im Ueberfluße erhalten“, ſagte ich, „ſobald ich den Ring beſitze.“ — „Wohlan“, ſprach der Koͤnig, „ſo moͤgt ihr morgen mit Tagesanbruch auf das Abentheuer ausziehen. Jetzt aber ſoll gleich, ſobald unſre Rathſitzung geſchloſſen iſt, in die Kirche gezogen werden, um den Se¬ gen des Himmels zu erflehen; die fliegende Gensdarmerie ſoll gleich die noͤthigen Anſtalten treffen.“ — Nach dieſen Worten des Koͤnigs Mauſolus VIII. ſah ich viele Fleder¬ maͤuſe geſchaͤftig durch die Stadt hin- und wiederfliegen. Jetzt trat noch ein fataler Schmeichelredner auf, um den Muth herauszuſtreichen, mit welchem ich die Ruthe fuͤr Prinzeſſin Siſſi ertragen haͤtte. Ein alter Pair aber unter¬ brach ihn mit den Worten: „Ehre, dem Ehre, Ruthe, dem

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/199>, abgerufen am 16.04.2024.