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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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mit Schnupftabackdosen von Lava besetzt, worauf der Adler
des Gesangs, den Ganymed des Gefühls zum Himmel hin¬
reißend, in Stein gehauen war, in die Schürze, dabei rief er:
"bravissimo! da capissimo! cito citissimo!" -- hob Gackeleia
in die Barutsche und sprang mit gleichen Beinen hinter ihr
drein; Alles das zugleich, und die Postillone knallten ein Fi¬
nale mit den Peitschen, und sie kamen gerade auf der Eierburg
an, als die Signora ihren Danktriller geendet, der bis zum
Pfarrthurm hinauf stieg. Wir haben es aus seinem Munde
vernommen. -- Das heiße ich mir gefahren! --

Bei der Eierburg waren viele Menschen auf einer grünen
Wiese versammelt, wo getanzt und gespielt wurde um Eier;
denn es war Ostern, und das große Ordensfest des Ostereier¬
ordens. Man lief und sprang um die Wette nach aufgestellten
Eiern, man warf mit Eiern nach Eiern, man stieß mit Eiern
gegen Eier, und wessen Ei eingeknickt wurde, der hatte ver¬
loren. Die Kinder von ganz Gelnhausen suchten Eier, welche
der große königliche geheime Oberhof-Osterhaas in versteckten
Winkeln ins hohe Gras gelegt hatte; kurz die Freude war
allgemein. Bei Gockels Ankunft war das Volk in einem
weiten Kreis unter dem Baume versammelt, auf welchem
die königlichen Hofmusikanten und die Gelnhausener Stadt¬
pfeifer einen herrlichen Tanz aufspielten, nämlich den Eier¬
tanz, den die königliche Familie mit der Raugräflichen in
höchsteigener Person tanzen wollte. Auf einem köstlichen
Teppich wurden hundert vergoldete Pfaueneier, immer zehn
und zehn, in Reihen gelegt. Nun trat die Königin Eilegia
zu Gockel und verband ihm die Augen mit einem seidenen
Tuch, und er that ihr dasselbe; eben so verbanden der König
Eifrasius und Frau Hinkel, und der Prinz Kronovus und
Gackeleia sich die Augen und wurden nun von den Hofmar¬
schällen auf den Eierteppich geführt, auf welchem sie mit
den zierlichsten Schritten, Sprüngen und Wendungen zwi¬
schen den Eiern herumtanzen mußten, ohne auch nur Eines

mit Schnupftabackdoſen von Lava beſetzt, worauf der Adler
des Geſangs, den Ganymed des Gefuͤhls zum Himmel hin¬
reißend, in Stein gehauen war, in die Schuͤrze, dabei rief er:
„braviſſimo! da capiſſimo! cito citiſſimo!“ — hob Gackeleia
in die Barutſche und ſprang mit gleichen Beinen hinter ihr
drein; Alles das zugleich, und die Poſtillone knallten ein Fi¬
nale mit den Peitſchen, und ſie kamen gerade auf der Eierburg
an, als die Signora ihren Danktriller geendet, der bis zum
Pfarrthurm hinauf ſtieg. Wir haben es aus ſeinem Munde
vernommen. — Das heiße ich mir gefahren! —

Bei der Eierburg waren viele Menſchen auf einer gruͤnen
Wieſe verſammelt, wo getanzt und geſpielt wurde um Eier;
denn es war Oſtern, und das große Ordensfeſt des Oſtereier¬
ordens. Man lief und ſprang um die Wette nach aufgeſtellten
Eiern, man warf mit Eiern nach Eiern, man ſtieß mit Eiern
gegen Eier, und weſſen Ei eingeknickt wurde, der hatte ver¬
loren. Die Kinder von ganz Gelnhauſen ſuchten Eier, welche
der große koͤnigliche geheime Oberhof-Oſterhaas in verſteckten
Winkeln ins hohe Gras gelegt hatte; kurz die Freude war
allgemein. Bei Gockels Ankunft war das Volk in einem
weiten Kreis unter dem Baume verſammelt, auf welchem
die koͤniglichen Hofmuſikanten und die Gelnhauſener Stadt¬
pfeifer einen herrlichen Tanz aufſpielten, naͤmlich den Eier¬
tanz, den die koͤnigliche Familie mit der Raugraͤflichen in
hoͤchſteigener Perſon tanzen wollte. Auf einem koͤſtlichen
Teppich wurden hundert vergoldete Pfaueneier, immer zehn
und zehn, in Reihen gelegt. Nun trat die Koͤnigin Eilegia
zu Gockel und verband ihm die Augen mit einem ſeidenen
Tuch, und er that ihr dasſelbe; eben ſo verbanden der Koͤnig
Eifraſius und Frau Hinkel, und der Prinz Kronovus und
Gackeleia ſich die Augen und wurden nun von den Hofmar¬
ſchaͤllen auf den Eierteppich gefuͤhrt, auf welchem ſie mit
den zierlichſten Schritten, Spruͤngen und Wendungen zwi¬
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[120/0158] mit Schnupftabackdoſen von Lava beſetzt, worauf der Adler des Geſangs, den Ganymed des Gefuͤhls zum Himmel hin¬ reißend, in Stein gehauen war, in die Schuͤrze, dabei rief er: „braviſſimo! da capiſſimo! cito citiſſimo!“ — hob Gackeleia in die Barutſche und ſprang mit gleichen Beinen hinter ihr drein; Alles das zugleich, und die Poſtillone knallten ein Fi¬ nale mit den Peitſchen, und ſie kamen gerade auf der Eierburg an, als die Signora ihren Danktriller geendet, der bis zum Pfarrthurm hinauf ſtieg. Wir haben es aus ſeinem Munde vernommen. — Das heiße ich mir gefahren! — Bei der Eierburg waren viele Menſchen auf einer gruͤnen Wieſe verſammelt, wo getanzt und geſpielt wurde um Eier; denn es war Oſtern, und das große Ordensfeſt des Oſtereier¬ ordens. Man lief und ſprang um die Wette nach aufgeſtellten Eiern, man warf mit Eiern nach Eiern, man ſtieß mit Eiern gegen Eier, und weſſen Ei eingeknickt wurde, der hatte ver¬ loren. Die Kinder von ganz Gelnhauſen ſuchten Eier, welche der große koͤnigliche geheime Oberhof-Oſterhaas in verſteckten Winkeln ins hohe Gras gelegt hatte; kurz die Freude war allgemein. Bei Gockels Ankunft war das Volk in einem weiten Kreis unter dem Baume verſammelt, auf welchem die koͤniglichen Hofmuſikanten und die Gelnhauſener Stadt¬ pfeifer einen herrlichen Tanz aufſpielten, naͤmlich den Eier¬ tanz, den die koͤnigliche Familie mit der Raugraͤflichen in hoͤchſteigener Perſon tanzen wollte. Auf einem koͤſtlichen Teppich wurden hundert vergoldete Pfaueneier, immer zehn und zehn, in Reihen gelegt. Nun trat die Koͤnigin Eilegia zu Gockel und verband ihm die Augen mit einem ſeidenen Tuch, und er that ihr dasſelbe; eben ſo verbanden der Koͤnig Eifraſius und Frau Hinkel, und der Prinz Kronovus und Gackeleia ſich die Augen und wurden nun von den Hofmar¬ ſchaͤllen auf den Eierteppich gefuͤhrt, auf welchem ſie mit den zierlichſten Schritten, Spruͤngen und Wendungen zwi¬ ſchen den Eiern herumtanzen mußten, ohne auch nur Eines

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/158>, abgerufen am 25.04.2024.