Gackeleia hatte bereits alle Kleiderchen in ihr Körbchen gelegt, sie legte nun die Kunstfigur oben drauf und deckte den Deckel hübsch darüber. Das Körbchen am Arm lief sie schnell in die Laube und setzte sich zu den Füßen Gockels, der wieder eingeschlafen war, und leise, leise schob sie ihm den Ring wieder an den Finger. Es war ihr, als hätte sie einen Stein von dem Herzen.
Gackeleia saß nicht so lange zu den Füßen Gockels, als man braucht, um ein Ei zu sieden, da ertönte in der Ferne ein Oratorium von sechs Posthörnern von der Composition des Cospetto di Bacco, und von der berühmten Agatha Gaddi ward darin eine Fuge Solo gesungen nach den tiefsinnigen Worten des Königlich Gelnhausenischen General-Ober-Hof¬ postamts-Dichters, der, seinen Namen zu verschweigen, aus übertriebener Bescheidenheit allzufrüh mit Tod abgegangen ist:
"Fahr', fahr', fahr' auf der Post, Frag', frag', frag' nit, was's kost, Spann' mir sechs Schimmel ein, Ich will der Postknecht seyn, Fahr', fahr', fahr' auf der Post!"
Gleich erwachte Gockel und sprach: "ei, es ist schon vorgefahren, gut, daß du da bist Gackeleia, geschwind laß uns einsteigen, die Mutter sitzt gewiß schon in der Alamode- Barutsche, wir sind von Eifrasius auf die Eierburg zum Eier¬ tanz eingeladen." "Ich habe es gewußt", sagte Gackeleia, "ich bin schon ganz geputzt und habe Alles bei mir." -- Da eilten sie vors Schloß, wo bereits Frau Hinkel breit in der Barutsche saß, die mit sechs Schimmeln bespannt war, auf welchen sechs Postillone das Oratorium bliesen. Die Sig¬ nora Agatha Gaddi gieng, die Fuge Solo singend, mit einem Teller unter den versammelten Bäckern und Metzgern herum und nahm Heller und Pfenninge ein, als sie aber Gockel kom¬ men sah, legte sie ein variirtes Hahnengeschrei in ihre Par¬ tie ein, und Gockel warf ihr eine brilliantene Repetir-Uhr
Gackeleia hatte bereits alle Kleiderchen in ihr Koͤrbchen gelegt, ſie legte nun die Kunſtfigur oben drauf und deckte den Deckel huͤbſch daruͤber. Das Koͤrbchen am Arm lief ſie ſchnell in die Laube und ſetzte ſich zu den Fuͤßen Gockels, der wieder eingeſchlafen war, und leiſe, leiſe ſchob ſie ihm den Ring wieder an den Finger. Es war ihr, als haͤtte ſie einen Stein von dem Herzen.
Gackeleia ſaß nicht ſo lange zu den Fuͤßen Gockels, als man braucht, um ein Ei zu ſieden, da ertoͤnte in der Ferne ein Oratorium von ſechs Poſthoͤrnern von der Compoſition des Cospetto di Bacco, und von der beruͤhmten Agatha Gaddi ward darin eine Fuge Solo geſungen nach den tiefſinnigen Worten des Koͤniglich Gelnhauſeniſchen General-Ober-Hof¬ poſtamts-Dichters, der, ſeinen Namen zu verſchweigen, aus uͤbertriebener Beſcheidenheit allzufruͤh mit Tod abgegangen iſt:
„Fahr', fahr', fahr' auf der Poſt, Frag', frag', frag' nit, was's koſt, Spann' mir ſechs Schimmel ein, Ich will der Poſtknecht ſeyn, Fahr', fahr', fahr' auf der Poſt!“
Gleich erwachte Gockel und ſprach: „ei, es iſt ſchon vorgefahren, gut, daß du da biſt Gackeleia, geſchwind laß uns einſteigen, die Mutter ſitzt gewiß ſchon in der Alamode- Barutſche, wir ſind von Eifraſius auf die Eierburg zum Eier¬ tanz eingeladen.“ „Ich habe es gewußt“, ſagte Gackeleia, „ich bin ſchon ganz geputzt und habe Alles bei mir.“ — Da eilten ſie vors Schloß, wo bereits Frau Hinkel breit in der Barutſche ſaß, die mit ſechs Schimmeln beſpannt war, auf welchen ſechs Poſtillone das Oratorium blieſen. Die Sig¬ nora Agatha Gaddi gieng, die Fuge Solo ſingend, mit einem Teller unter den verſammelten Baͤckern und Metzgern herum und nahm Heller und Pfenninge ein, als ſie aber Gockel kom¬ men ſah, legte ſie ein variirtes Hahnengeſchrei in ihre Par¬ tie ein, und Gockel warf ihr eine brilliantene Repetir-Uhr
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Gackeleia hatte bereits alle Kleiderchen in ihr Koͤrbchen
gelegt, ſie legte nun die Kunſtfigur oben drauf und deckte
den Deckel huͤbſch daruͤber. Das Koͤrbchen am Arm lief ſie
ſchnell in die Laube und ſetzte ſich zu den Fuͤßen Gockels,
der wieder eingeſchlafen war, und leiſe, leiſe ſchob ſie ihm
den Ring wieder an den Finger. Es war ihr, als haͤtte ſie
einen Stein von dem Herzen.
Gackeleia ſaß nicht ſo lange zu den Fuͤßen Gockels, als
man braucht, um ein Ei zu ſieden, da ertoͤnte in der Ferne
ein Oratorium von ſechs Poſthoͤrnern von der Compoſition
des Cospetto di Bacco, und von der beruͤhmten Agatha Gaddi
ward darin eine Fuge Solo geſungen nach den tiefſinnigen
Worten des Koͤniglich Gelnhauſeniſchen General-Ober-Hof¬
poſtamts-Dichters, der, ſeinen Namen zu verſchweigen, aus
uͤbertriebener Beſcheidenheit allzufruͤh mit Tod abgegangen iſt:
„Fahr', fahr', fahr' auf der Poſt,
Frag', frag', frag' nit, was's koſt,
Spann' mir ſechs Schimmel ein,
Ich will der Poſtknecht ſeyn,
Fahr', fahr', fahr' auf der Poſt!“
Gleich erwachte Gockel und ſprach: „ei, es iſt ſchon
vorgefahren, gut, daß du da biſt Gackeleia, geſchwind laß
uns einſteigen, die Mutter ſitzt gewiß ſchon in der Alamode-
Barutſche, wir ſind von Eifraſius auf die Eierburg zum Eier¬
tanz eingeladen.“ „Ich habe es gewußt“, ſagte Gackeleia,
„ich bin ſchon ganz geputzt und habe Alles bei mir.“ — Da
eilten ſie vors Schloß, wo bereits Frau Hinkel breit in der
Barutſche ſaß, die mit ſechs Schimmeln beſpannt war, auf
welchen ſechs Poſtillone das Oratorium blieſen. Die Sig¬
nora Agatha Gaddi gieng, die Fuge Solo ſingend, mit einem
Teller unter den verſammelten Baͤckern und Metzgern herum
und nahm Heller und Pfenninge ein, als ſie aber Gockel kom¬
men ſah, legte ſie ein variirtes Hahnengeſchrei in ihre Par¬
tie ein, und Gockel warf ihr eine brilliantene Repetir-Uhr
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/157>, abgerufen am 16.07.2024.
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