Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.cken niederfloßen, mit der andern Hand stützte das Mar¬ Frau Hinkel sah und fühlte Alles mit großem Entzücken Wunder über Wunder, Gockel! Wunderherrlich ist der Sockel Von dem Wischiwaschi-Tisch; Herzerquicklich scheint der Fisch Lustig in dem Meer zu gaukeln Und das flinke Kind zu schaukeln Mit dem vollen Rosensieb, Alles ist so süß und lieb, Alles ist so fein und frisch! -- Doch, eh ich das Glas erwisch, Kann ich gar nichts recht betrachten Und muß schier vor Durst verschmachten. "Verzeih, Herz Hinkel!" sprach Gockel, "ich selbst ver¬ Gockel zog den rothdamastenen Vorhang hinweg, da cken niederfloßen, mit der andern Hand ſtuͤtzte das Mar¬ Frau Hinkel ſah und fuͤhlte Alles mit großem Entzuͤcken Wunder uͤber Wunder, Gockel! Wunderherrlich iſt der Sockel Von dem Wiſchiwaſchi-Tiſch; Herzerquicklich ſcheint der Fiſch Luſtig in dem Meer zu gaukeln Und das flinke Kind zu ſchaukeln Mit dem vollen Roſenſieb, Alles iſt ſo ſuͤß und lieb, Alles iſt ſo fein und friſch! — Doch, eh ich das Glas erwiſch, Kann ich gar nichts recht betrachten Und muß ſchier vor Durſt verſchmachten. „Verzeih, Herz Hinkel!“ ſprach Gockel, „ich ſelbſt ver¬ Gockel zog den rothdamaſtenen Vorhang hinweg, da <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="77"/> cken niederfloßen, mit der andern Hand ſtuͤtzte das Mar¬<lb/> morkind die kryſtallne, durchſichtige Tiſchplatte, welche den<lb/> Waſchtiſch bildete, und da war erſt die rechte Herrlichkeit<lb/> von ſchoͤnen ſieben Sachen.</p><lb/> <p>Frau Hinkel ſah und fuͤhlte Alles mit großem Entzuͤcken<lb/> an, aber ſie hatte geſtern ſo viel geweint und nachher ſo viel<lb/> geſalzenes Fleiſch gegeſſen, ſo daß ſie ungemein duͤrſtete<lb/> und ſprach:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wunder uͤber Wunder, Gockel!</l><lb/> <l>Wunderherrlich iſt der Sockel</l><lb/> <l>Von dem Wiſchiwaſchi-Tiſch;</l><lb/> <l>Herzerquicklich ſcheint der Fiſch</l><lb/> <l>Luſtig in dem Meer zu gaukeln</l><lb/> <l>Und das flinke Kind zu ſchaukeln</l><lb/> <l>Mit dem vollen Roſenſieb,</l><lb/> <l>Alles iſt ſo ſuͤß und lieb,</l><lb/> <l>Alles iſt ſo fein und friſch! —</l><lb/> <l>Doch, eh ich das Glas erwiſch,</l><lb/> <l>Kann ich gar nichts recht betrachten</l><lb/> <l>Und muß ſchier vor Durſt verſchmachten.</l><lb/> </lg> <p>„Verzeih, Herz Hinkel!“ ſprach Gockel, „ich ſelbſt ver¬<lb/> geſſe uͤber den kurioſen Sachen Eſſen und Trinken“ — da<lb/> gab er ihr das Glas von dem Waſchtiſch, duͤnn und klar<lb/> und rein wie eine Seifenblaſe, die ſich auf eine Lilie nieder¬<lb/> gelaſſen, ſo war Kelch und Stiel gebildet — „halte es zum<lb/> Fenſter hinaus, ich will den Ring Salomonis drehen.“</p><lb/> <p>Gockel zog den rothdamaſtenen Vorhang hinweg, da<lb/> ſah man durch die bluͤthenvollen Wipfel der Orangenbaͤume<lb/> in den blauen Himmel, an deſſen Oſten der Tag graute; der<lb/> Mond ſtand am Himmel wie ein freigebiger Kavalier, wel¬<lb/> cher der Frau Graͤfin Hinkel von Hennegau ein Staͤndchen<lb/> von der Nachtigall will bringen laſſen. — „Reiche nur den<lb/> Pokal hinaus,“ ſagte Gockel, „fahre nur mit der Hand<lb/> mitten durch die Orangenbluͤthen, die Geiſter Salomonis<lb/> werden ſchon einen Waſſerſtrahl ſenden, der dir das Herz<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0111]
cken niederfloßen, mit der andern Hand ſtuͤtzte das Mar¬
morkind die kryſtallne, durchſichtige Tiſchplatte, welche den
Waſchtiſch bildete, und da war erſt die rechte Herrlichkeit
von ſchoͤnen ſieben Sachen.
Frau Hinkel ſah und fuͤhlte Alles mit großem Entzuͤcken
an, aber ſie hatte geſtern ſo viel geweint und nachher ſo viel
geſalzenes Fleiſch gegeſſen, ſo daß ſie ungemein duͤrſtete
und ſprach:
Wunder uͤber Wunder, Gockel!
Wunderherrlich iſt der Sockel
Von dem Wiſchiwaſchi-Tiſch;
Herzerquicklich ſcheint der Fiſch
Luſtig in dem Meer zu gaukeln
Und das flinke Kind zu ſchaukeln
Mit dem vollen Roſenſieb,
Alles iſt ſo ſuͤß und lieb,
Alles iſt ſo fein und friſch! —
Doch, eh ich das Glas erwiſch,
Kann ich gar nichts recht betrachten
Und muß ſchier vor Durſt verſchmachten.
„Verzeih, Herz Hinkel!“ ſprach Gockel, „ich ſelbſt ver¬
geſſe uͤber den kurioſen Sachen Eſſen und Trinken“ — da
gab er ihr das Glas von dem Waſchtiſch, duͤnn und klar
und rein wie eine Seifenblaſe, die ſich auf eine Lilie nieder¬
gelaſſen, ſo war Kelch und Stiel gebildet — „halte es zum
Fenſter hinaus, ich will den Ring Salomonis drehen.“
Gockel zog den rothdamaſtenen Vorhang hinweg, da
ſah man durch die bluͤthenvollen Wipfel der Orangenbaͤume
in den blauen Himmel, an deſſen Oſten der Tag graute; der
Mond ſtand am Himmel wie ein freigebiger Kavalier, wel¬
cher der Frau Graͤfin Hinkel von Hennegau ein Staͤndchen
von der Nachtigall will bringen laſſen. — „Reiche nur den
Pokal hinaus,“ ſagte Gockel, „fahre nur mit der Hand
mitten durch die Orangenbluͤthen, die Geiſter Salomonis
werden ſchon einen Waſſerſtrahl ſenden, der dir das Herz
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