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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901.

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3.

Endlich ist die Menschenfurcht auch unserer Zeit
unwürdig
. Nur zwei Gedanken will ich hier kurz be-
rühren. Unsere Zeit will eine Zeit der Freiheit sein.
Die Menschen unserer Tage wollen vielfach das so
heilsame und nothwendige Joch der Auctorität nicht
mehr tragen; sie dürsten, rufen und schreien nach Frei-
heit. Das Wort "Freiheit" ist eine Art Zaubermacht
geworden, die bethörend und verlockend auf zahllose
Herzen und Köpfe einwirkt. Dieser ungeordnete Hang
nach zügelloser Freiheit ist eine große Gefahr für die
Gegenwart.

Für eine solche freiheitsliebende Zeit nun paßt doch
gar schlecht die Menschenfurcht. Mit der Freiheit ver-
trägt sich am allerwenigsten die Sclaverei. Wer aber
der Menschenfurcht ergeben ist, lebt in der Sclaverei.
Ein Solcher mag wohl keine Sclavenketten und kein
Sclavenkleid tragen; er mag selbst in Ehren und An-
sehen stehen, mag sogar eine Fürstenkrone auf seinem
Haupte tragen, er ist doch ein Sclave. Er ist der
Sclave, der feige und schwache Sclave Aller, aus
Rücksicht auf welche er seine Pflichten nicht erfüllt, der
erbärmliche Sclave eines Jeden, dessen Unwillen
und Spott er so ängstlich fürchtet. Ist es nicht son-
derbar, daß es in unserer Zeit, in der Alles nach
Freiheit dürstet, so viele Sclaven gibt, daß die schwache
Menschenfurcht eine so allgemeine und grausame Herr-
schaft ausübt? Das ist eine gerechte Strafe des Himmels.

3.

Endlich ist die Menschenfurcht auch unserer Zeit
unwürdig
. Nur zwei Gedanken will ich hier kurz be-
rühren. Unsere Zeit will eine Zeit der Freiheit sein.
Die Menschen unserer Tage wollen vielfach das so
heilsame und nothwendige Joch der Auctorität nicht
mehr tragen; sie dürsten, rufen und schreien nach Frei-
heit. Das Wort „Freiheit“ ist eine Art Zaubermacht
geworden, die bethörend und verlockend auf zahllose
Herzen und Köpfe einwirkt. Dieser ungeordnete Hang
nach zügelloser Freiheit ist eine große Gefahr für die
Gegenwart.

Für eine solche freiheitsliebende Zeit nun paßt doch
gar schlecht die Menschenfurcht. Mit der Freiheit ver-
trägt sich am allerwenigsten die Sclaverei. Wer aber
der Menschenfurcht ergeben ist, lebt in der Sclaverei.
Ein Solcher mag wohl keine Sclavenketten und kein
Sclavenkleid tragen; er mag selbst in Ehren und An-
sehen stehen, mag sogar eine Fürstenkrone auf seinem
Haupte tragen, er ist doch ein Sclave. Er ist der
Sclave, der feige und schwache Sclave Aller, aus
Rücksicht auf welche er seine Pflichten nicht erfüllt, der
erbärmliche Sclave eines Jeden, dessen Unwillen
und Spott er so ängstlich fürchtet. Ist es nicht son-
derbar, daß es in unserer Zeit, in der Alles nach
Freiheit dürstet, so viele Sclaven gibt, daß die schwache
Menschenfurcht eine so allgemeine und grausame Herr-
schaft ausübt? Das ist eine gerechte Strafe des Himmels.

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[168/0180] 3. Endlich ist die Menschenfurcht auch unserer Zeit unwürdig. Nur zwei Gedanken will ich hier kurz be- rühren. Unsere Zeit will eine Zeit der Freiheit sein. Die Menschen unserer Tage wollen vielfach das so heilsame und nothwendige Joch der Auctorität nicht mehr tragen; sie dürsten, rufen und schreien nach Frei- heit. Das Wort „Freiheit“ ist eine Art Zaubermacht geworden, die bethörend und verlockend auf zahllose Herzen und Köpfe einwirkt. Dieser ungeordnete Hang nach zügelloser Freiheit ist eine große Gefahr für die Gegenwart. Für eine solche freiheitsliebende Zeit nun paßt doch gar schlecht die Menschenfurcht. Mit der Freiheit ver- trägt sich am allerwenigsten die Sclaverei. Wer aber der Menschenfurcht ergeben ist, lebt in der Sclaverei. Ein Solcher mag wohl keine Sclavenketten und kein Sclavenkleid tragen; er mag selbst in Ehren und An- sehen stehen, mag sogar eine Fürstenkrone auf seinem Haupte tragen, er ist doch ein Sclave. Er ist der Sclave, der feige und schwache Sclave Aller, aus Rücksicht auf welche er seine Pflichten nicht erfüllt, der erbärmliche Sclave eines Jeden, dessen Unwillen und Spott er so ängstlich fürchtet. Ist es nicht son- derbar, daß es in unserer Zeit, in der Alles nach Freiheit dürstet, so viele Sclaven gibt, daß die schwache Menschenfurcht eine so allgemeine und grausame Herr- schaft ausübt? Das ist eine gerechte Strafe des Himmels.

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Zitationshilfe: Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/180>, abgerufen am 25.11.2024.