Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeines.
Fluß- und Teichmuscheln finden wir demnach Eierstock oder Samendrüse unterhalb und hinter-
wärts von der Leber, und ihr Ausführungsgang wird in der Kiemenfurche sichtbar (x).

Die ganze Lebensökonomie des Muschelthieres würde aber unverständlich bleiben, wenn wir
nichts wüßten von der Thätigkeit der Flimmerhärchen an der Oberfläche ihrer Körpertheile. Man
lasse sich eine unserer Muscheln in einer mit Sand und einer einige Finger hohen Wasserschicht
gefüllten Schüssel ruhig eingraben und streue dann, nachdem sie sich placirt, ein nicht zu Boden
sinkendes Pulver in die Nähe ihres emporragenden Hintertheiles. Es werden sofort schon vorher
bemerkbare Strudel und Strömungen sichtbar. Die Pulvertheilchen verschwinden unterhalb des
Afterschlitzes und aus diesem Mantelschlitze, in welchen der Mastdarm mündet, kommen sie nach
einiger Zeit mit einer starken Strömung wieder zum Vorschein. Die ganze innere Mantelfläche,
die gesammte Oberfläche der Kiemen und der Lippententakeln ist mit lebhaft thätigen Flimmer-
haaren besetzt, durch welche ganz regelmäßige ununterbrochene Strömungen unterhalten werden.
Durch dieselben wird nicht bloß den Kiemen neues Wasser, sondern mit diesem auch dem Munde
Nahrung zugeführt. Das Verbrauchte und Unbrauchbare aber stoßen die in entgegengesetzter
Richtung wirkenden Wimperfelder durch die obere Röhre oder durch den oberen Schlitz wieder aus.
Bei denjenigen Muscheln, welche, wie unsere Teich- und Flußmuscheln, ihre Eier bis zum Aus-
schlüpfen der Jungen in den Kiemen tragen, wird der Transport der Eier und die Befruchtung
ebenfalls durch diese Strömungen vermittelt. Kurz, durch einen diese Flimmerschleimhäute
befallenden Katarrh können mit einem Male die wichtigsten Lebensverrichtungen der Muschelthiere
unterbrochen werden. Die ganze Existenz hängt von dem Vorhandensein und der Gesundheit
jener unsichtbaren Härchen ab. Daß übrigens der Wasserwechsel innerhalb der Schale nicht allein
durch die Flimmerorgane bewirkt wird, davon kann man sich durch kurze Beobachtung überzeugen.
Ohne jede äußere Veranlassung klappt die Muschel von Zeit zu Zeit plötzlich die Schale zu,
wodurch natürlich auch ein gewaltsames Abströmen des zwischen den Mantel- und Kiemenblättern
enthaltenen Wassers erfolgt. Das Oeffnen der Schale erfolgt darauf langsam.

Wir wissen, daß sehr viele Weichthiere durch die absondernde Thätigkeit des Mantels im
Stande sind, sich ein Gehäus zu banen. Der Mantel der Muscheln schwitzt auf der äußeren
Fläche und an den freien Rändern Kalkmasse aus, welche sich zu der Muschelschale organisirt.
Die beiden Schalenhälften bestehen meist aus zwei verschiedenen Schichten; die äußere, von den
Mantelrändern abgesonderte -- die Säulenschicht -- ist aus prismatischen, mit kohlensauerm Kalk
angefüllten Zellen oder Säckchen gebildet, die senkrecht auf der Mantelfläche stehen; die innere
besteht aus einer Menge dicht übereinander liegender, blättriger, strukturloser Ausbreitungen, in
und zwischen denen der Kalk abgelagert ist. Bald bildet die äußere, bald die innere, die Perl-
mutterschicht, die Hauptmasse der Schale. Wir erwähnten schon, daß beide Schalen auf ihrer
inneren Fläche nur durch die, durch Eindrücke sichtbaren Ansätze der Muskeln und an ihrem
Rande durch eine von den Mantelsäumen ausgehende Oberhaut mit dem Thier verwachsen sind.
Diese Oberhaut oder Epidermis überzieht auch die äußere Fläche der Schalen, wird jedoch bei
vielen Muscheln immer wieder abgerieben. Die Verbindung der Schalen aneinander geschieht
durch ein elastisches Band, das Ligament, welches zugleich durch seine Elasticität die Muschel
öffnet, mithin den Schließmuskeln entgegenwirkt. Dieses Ligament ist der Willkür des Thieres
entzogen und eigentlich eine todte Masse. Es erklärt sich daraus, warum abgestorbene Muscheln
zu klaffen pflegen: die Muskeln, welche im Leben nach dem Willen des Thieres sich zusammen-
zogen und die Wirkung des Bandes zeitweilig unterbrachen, sind erschlafft. Die Muscheln öffnen
also, wenn man will, ihre Schalen nicht selbst, durch eigne Kraft, sondern die Schalen öffnen
sich in Folge des Nachlassens der Muskelkraft oder Muskelthätigkeit des Thieres. Bei den
allermeisten Muschelschalen liegen vor dem Ligament die beiden Wirbel, ein Paar nach vorn
gerichtete Erhebungen der Schalenhälften, so daß, wenn Ligament und Wirbel deutlich ausgeprägt
sind, man sich mit größter Leichtigkeit über die Gegenden der Schale und die Lage des Thieres

Allgemeines.
Fluß- und Teichmuſcheln finden wir demnach Eierſtock oder Samendrüſe unterhalb und hinter-
wärts von der Leber, und ihr Ausführungsgang wird in der Kiemenfurche ſichtbar (x).

Die ganze Lebensökonomie des Muſchelthieres würde aber unverſtändlich bleiben, wenn wir
nichts wüßten von der Thätigkeit der Flimmerhärchen an der Oberfläche ihrer Körpertheile. Man
laſſe ſich eine unſerer Muſcheln in einer mit Sand und einer einige Finger hohen Waſſerſchicht
gefüllten Schüſſel ruhig eingraben und ſtreue dann, nachdem ſie ſich placirt, ein nicht zu Boden
ſinkendes Pulver in die Nähe ihres emporragenden Hintertheiles. Es werden ſofort ſchon vorher
bemerkbare Strudel und Strömungen ſichtbar. Die Pulvertheilchen verſchwinden unterhalb des
Afterſchlitzes und aus dieſem Mantelſchlitze, in welchen der Maſtdarm mündet, kommen ſie nach
einiger Zeit mit einer ſtarken Strömung wieder zum Vorſchein. Die ganze innere Mantelfläche,
die geſammte Oberfläche der Kiemen und der Lippententakeln iſt mit lebhaft thätigen Flimmer-
haaren beſetzt, durch welche ganz regelmäßige ununterbrochene Strömungen unterhalten werden.
Durch dieſelben wird nicht bloß den Kiemen neues Waſſer, ſondern mit dieſem auch dem Munde
Nahrung zugeführt. Das Verbrauchte und Unbrauchbare aber ſtoßen die in entgegengeſetzter
Richtung wirkenden Wimperfelder durch die obere Röhre oder durch den oberen Schlitz wieder aus.
Bei denjenigen Muſcheln, welche, wie unſere Teich- und Flußmuſcheln, ihre Eier bis zum Aus-
ſchlüpfen der Jungen in den Kiemen tragen, wird der Transport der Eier und die Befruchtung
ebenfalls durch dieſe Strömungen vermittelt. Kurz, durch einen dieſe Flimmerſchleimhäute
befallenden Katarrh können mit einem Male die wichtigſten Lebensverrichtungen der Muſchelthiere
unterbrochen werden. Die ganze Exiſtenz hängt von dem Vorhandenſein und der Geſundheit
jener unſichtbaren Härchen ab. Daß übrigens der Waſſerwechſel innerhalb der Schale nicht allein
durch die Flimmerorgane bewirkt wird, davon kann man ſich durch kurze Beobachtung überzeugen.
Ohne jede äußere Veranlaſſung klappt die Muſchel von Zeit zu Zeit plötzlich die Schale zu,
wodurch natürlich auch ein gewaltſames Abſtrömen des zwiſchen den Mantel- und Kiemenblättern
enthaltenen Waſſers erfolgt. Das Oeffnen der Schale erfolgt darauf langſam.

Wir wiſſen, daß ſehr viele Weichthiere durch die abſondernde Thätigkeit des Mantels im
Stande ſind, ſich ein Gehäus zu banen. Der Mantel der Muſcheln ſchwitzt auf der äußeren
Fläche und an den freien Rändern Kalkmaſſe aus, welche ſich zu der Muſchelſchale organiſirt.
Die beiden Schalenhälften beſtehen meiſt aus zwei verſchiedenen Schichten; die äußere, von den
Mantelrändern abgeſonderte — die Säulenſchicht — iſt aus prismatiſchen, mit kohlenſauerm Kalk
angefüllten Zellen oder Säckchen gebildet, die ſenkrecht auf der Mantelfläche ſtehen; die innere
beſteht aus einer Menge dicht übereinander liegender, blättriger, ſtrukturloſer Ausbreitungen, in
und zwiſchen denen der Kalk abgelagert iſt. Bald bildet die äußere, bald die innere, die Perl-
mutterſchicht, die Hauptmaſſe der Schale. Wir erwähnten ſchon, daß beide Schalen auf ihrer
inneren Fläche nur durch die, durch Eindrücke ſichtbaren Anſätze der Muskeln und an ihrem
Rande durch eine von den Mantelſäumen ausgehende Oberhaut mit dem Thier verwachſen ſind.
Dieſe Oberhaut oder Epidermis überzieht auch die äußere Fläche der Schalen, wird jedoch bei
vielen Muſcheln immer wieder abgerieben. Die Verbindung der Schalen aneinander geſchieht
durch ein elaſtiſches Band, das Ligament, welches zugleich durch ſeine Elaſticität die Muſchel
öffnet, mithin den Schließmuskeln entgegenwirkt. Dieſes Ligament iſt der Willkür des Thieres
entzogen und eigentlich eine todte Maſſe. Es erklärt ſich daraus, warum abgeſtorbene Muſcheln
zu klaffen pflegen: die Muskeln, welche im Leben nach dem Willen des Thieres ſich zuſammen-
zogen und die Wirkung des Bandes zeitweilig unterbrachen, ſind erſchlafft. Die Muſcheln öffnen
alſo, wenn man will, ihre Schalen nicht ſelbſt, durch eigne Kraft, ſondern die Schalen öffnen
ſich in Folge des Nachlaſſens der Muskelkraft oder Muskelthätigkeit des Thieres. Bei den
allermeiſten Muſchelſchalen liegen vor dem Ligament die beiden Wirbel, ein Paar nach vorn
gerichtete Erhebungen der Schalenhälften, ſo daß, wenn Ligament und Wirbel deutlich ausgeprägt
ſind, man ſich mit größter Leichtigkeit über die Gegenden der Schale und die Lage des Thieres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <p><pb facs="#f0943" n="895"/><fw place="top" type="header">Allgemeines.</fw><lb/>
Fluß- und Teichmu&#x017F;cheln finden wir demnach Eier&#x017F;tock oder Samendrü&#x017F;e unterhalb und hinter-<lb/>
wärts von der Leber, und ihr Ausführungsgang wird in der Kiemenfurche &#x017F;ichtbar (<hi rendition="#aq">x</hi>).</p><lb/>
            <p>Die ganze Lebensökonomie des Mu&#x017F;chelthieres würde aber unver&#x017F;tändlich bleiben, wenn wir<lb/>
nichts wüßten von der Thätigkeit der Flimmerhärchen an der Oberfläche ihrer Körpertheile. Man<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich eine un&#x017F;erer Mu&#x017F;cheln in einer mit Sand und einer einige Finger hohen Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chicht<lb/>
gefüllten Schü&#x017F;&#x017F;el ruhig eingraben und &#x017F;treue dann, nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich placirt, ein nicht zu Boden<lb/>
&#x017F;inkendes Pulver in die Nähe ihres emporragenden Hintertheiles. Es werden &#x017F;ofort &#x017F;chon vorher<lb/>
bemerkbare Strudel und Strömungen &#x017F;ichtbar. Die Pulvertheilchen ver&#x017F;chwinden unterhalb des<lb/>
After&#x017F;chlitzes und aus die&#x017F;em Mantel&#x017F;chlitze, in welchen der Ma&#x017F;tdarm mündet, kommen &#x017F;ie nach<lb/>
einiger Zeit mit einer &#x017F;tarken Strömung wieder zum Vor&#x017F;chein. Die ganze innere Mantelfläche,<lb/>
die ge&#x017F;ammte Oberfläche der Kiemen und der Lippententakeln i&#x017F;t mit lebhaft thätigen Flimmer-<lb/>
haaren be&#x017F;etzt, durch welche ganz regelmäßige ununterbrochene Strömungen unterhalten werden.<lb/>
Durch die&#x017F;elben wird nicht bloß den Kiemen neues Wa&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;ondern mit die&#x017F;em auch dem Munde<lb/>
Nahrung zugeführt. Das Verbrauchte und Unbrauchbare aber &#x017F;toßen die in entgegenge&#x017F;etzter<lb/>
Richtung wirkenden Wimperfelder durch die obere Röhre oder durch den oberen Schlitz wieder aus.<lb/>
Bei denjenigen Mu&#x017F;cheln, welche, wie un&#x017F;ere Teich- und Flußmu&#x017F;cheln, ihre Eier bis zum Aus-<lb/>
&#x017F;chlüpfen der Jungen in den Kiemen tragen, wird der Transport der Eier und die Befruchtung<lb/>
ebenfalls durch die&#x017F;e Strömungen vermittelt. Kurz, durch einen die&#x017F;e Flimmer&#x017F;chleimhäute<lb/>
befallenden Katarrh können mit einem Male die wichtig&#x017F;ten Lebensverrichtungen der Mu&#x017F;chelthiere<lb/>
unterbrochen werden. Die ganze Exi&#x017F;tenz hängt von dem Vorhanden&#x017F;ein und der Ge&#x017F;undheit<lb/>
jener un&#x017F;ichtbaren Härchen ab. Daß übrigens der Wa&#x017F;&#x017F;erwech&#x017F;el innerhalb der Schale nicht allein<lb/>
durch die Flimmerorgane bewirkt wird, davon kann man &#x017F;ich durch kurze Beobachtung überzeugen.<lb/>
Ohne jede äußere Veranla&#x017F;&#x017F;ung klappt die Mu&#x017F;chel von Zeit zu Zeit plötzlich die Schale zu,<lb/>
wodurch natürlich auch ein gewalt&#x017F;ames Ab&#x017F;trömen des zwi&#x017F;chen den Mantel- und Kiemenblättern<lb/>
enthaltenen Wa&#x017F;&#x017F;ers erfolgt. Das Oeffnen der Schale erfolgt darauf lang&#x017F;am.</p><lb/>
            <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ehr viele Weichthiere durch die ab&#x017F;ondernde Thätigkeit des Mantels im<lb/>
Stande &#x017F;ind, &#x017F;ich ein Gehäus zu banen. Der Mantel der Mu&#x017F;cheln &#x017F;chwitzt auf der äußeren<lb/>
Fläche und an den freien Rändern Kalkma&#x017F;&#x017F;e aus, welche &#x017F;ich zu der <hi rendition="#g">Mu&#x017F;chel&#x017F;chale</hi> organi&#x017F;irt.<lb/>
Die beiden Schalenhälften be&#x017F;tehen mei&#x017F;t aus zwei ver&#x017F;chiedenen Schichten; die äußere, von den<lb/>
Mantelrändern abge&#x017F;onderte &#x2014; die Säulen&#x017F;chicht &#x2014; i&#x017F;t aus prismati&#x017F;chen, mit kohlen&#x017F;auerm Kalk<lb/>
angefüllten Zellen oder Säckchen gebildet, die &#x017F;enkrecht auf der Mantelfläche &#x017F;tehen; die innere<lb/>
be&#x017F;teht aus einer Menge dicht übereinander liegender, blättriger, &#x017F;trukturlo&#x017F;er Ausbreitungen, in<lb/>
und zwi&#x017F;chen denen der Kalk abgelagert i&#x017F;t. Bald bildet die äußere, bald die innere, die Perl-<lb/>
mutter&#x017F;chicht, die Hauptma&#x017F;&#x017F;e der Schale. Wir erwähnten &#x017F;chon, daß beide Schalen auf ihrer<lb/>
inneren Fläche nur durch die, durch Eindrücke &#x017F;ichtbaren An&#x017F;ätze der Muskeln und an ihrem<lb/>
Rande durch eine von den Mantel&#x017F;äumen ausgehende Oberhaut mit dem Thier verwach&#x017F;en &#x017F;ind.<lb/>
Die&#x017F;e Oberhaut oder Epidermis überzieht auch die äußere Fläche der Schalen, wird jedoch bei<lb/>
vielen Mu&#x017F;cheln immer wieder abgerieben. Die Verbindung der Schalen aneinander ge&#x017F;chieht<lb/>
durch ein ela&#x017F;ti&#x017F;ches <hi rendition="#g">Band,</hi> das <hi rendition="#g">Ligament,</hi> welches zugleich durch &#x017F;eine Ela&#x017F;ticität die Mu&#x017F;chel<lb/>
öffnet, mithin den Schließmuskeln entgegenwirkt. Die&#x017F;es Ligament i&#x017F;t der Willkür des Thieres<lb/>
entzogen und eigentlich eine todte Ma&#x017F;&#x017F;e. Es erklärt &#x017F;ich daraus, warum abge&#x017F;torbene Mu&#x017F;cheln<lb/>
zu klaffen pflegen: die Muskeln, welche im Leben nach dem Willen des Thieres &#x017F;ich zu&#x017F;ammen-<lb/>
zogen und die Wirkung des Bandes zeitweilig unterbrachen, &#x017F;ind er&#x017F;chlafft. Die Mu&#x017F;cheln öffnen<lb/>
al&#x017F;o, wenn man will, ihre Schalen nicht &#x017F;elb&#x017F;t, durch eigne Kraft, &#x017F;ondern die Schalen öffnen<lb/>
&#x017F;ich in Folge des Nachla&#x017F;&#x017F;ens der Muskelkraft oder Muskelthätigkeit des Thieres. Bei den<lb/>
allermei&#x017F;ten Mu&#x017F;chel&#x017F;chalen liegen <hi rendition="#g">vor</hi> dem Ligament die beiden <hi rendition="#g">Wirbel,</hi> ein Paar nach vorn<lb/>
gerichtete Erhebungen der Schalenhälften, &#x017F;o daß, wenn Ligament und Wirbel deutlich ausgeprägt<lb/>
&#x017F;ind, man &#x017F;ich mit größter Leichtigkeit über die Gegenden der Schale und die Lage des Thieres<lb/></p>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[895/0943] Allgemeines. Fluß- und Teichmuſcheln finden wir demnach Eierſtock oder Samendrüſe unterhalb und hinter- wärts von der Leber, und ihr Ausführungsgang wird in der Kiemenfurche ſichtbar (x). Die ganze Lebensökonomie des Muſchelthieres würde aber unverſtändlich bleiben, wenn wir nichts wüßten von der Thätigkeit der Flimmerhärchen an der Oberfläche ihrer Körpertheile. Man laſſe ſich eine unſerer Muſcheln in einer mit Sand und einer einige Finger hohen Waſſerſchicht gefüllten Schüſſel ruhig eingraben und ſtreue dann, nachdem ſie ſich placirt, ein nicht zu Boden ſinkendes Pulver in die Nähe ihres emporragenden Hintertheiles. Es werden ſofort ſchon vorher bemerkbare Strudel und Strömungen ſichtbar. Die Pulvertheilchen verſchwinden unterhalb des Afterſchlitzes und aus dieſem Mantelſchlitze, in welchen der Maſtdarm mündet, kommen ſie nach einiger Zeit mit einer ſtarken Strömung wieder zum Vorſchein. Die ganze innere Mantelfläche, die geſammte Oberfläche der Kiemen und der Lippententakeln iſt mit lebhaft thätigen Flimmer- haaren beſetzt, durch welche ganz regelmäßige ununterbrochene Strömungen unterhalten werden. Durch dieſelben wird nicht bloß den Kiemen neues Waſſer, ſondern mit dieſem auch dem Munde Nahrung zugeführt. Das Verbrauchte und Unbrauchbare aber ſtoßen die in entgegengeſetzter Richtung wirkenden Wimperfelder durch die obere Röhre oder durch den oberen Schlitz wieder aus. Bei denjenigen Muſcheln, welche, wie unſere Teich- und Flußmuſcheln, ihre Eier bis zum Aus- ſchlüpfen der Jungen in den Kiemen tragen, wird der Transport der Eier und die Befruchtung ebenfalls durch dieſe Strömungen vermittelt. Kurz, durch einen dieſe Flimmerſchleimhäute befallenden Katarrh können mit einem Male die wichtigſten Lebensverrichtungen der Muſchelthiere unterbrochen werden. Die ganze Exiſtenz hängt von dem Vorhandenſein und der Geſundheit jener unſichtbaren Härchen ab. Daß übrigens der Waſſerwechſel innerhalb der Schale nicht allein durch die Flimmerorgane bewirkt wird, davon kann man ſich durch kurze Beobachtung überzeugen. Ohne jede äußere Veranlaſſung klappt die Muſchel von Zeit zu Zeit plötzlich die Schale zu, wodurch natürlich auch ein gewaltſames Abſtrömen des zwiſchen den Mantel- und Kiemenblättern enthaltenen Waſſers erfolgt. Das Oeffnen der Schale erfolgt darauf langſam. Wir wiſſen, daß ſehr viele Weichthiere durch die abſondernde Thätigkeit des Mantels im Stande ſind, ſich ein Gehäus zu banen. Der Mantel der Muſcheln ſchwitzt auf der äußeren Fläche und an den freien Rändern Kalkmaſſe aus, welche ſich zu der Muſchelſchale organiſirt. Die beiden Schalenhälften beſtehen meiſt aus zwei verſchiedenen Schichten; die äußere, von den Mantelrändern abgeſonderte — die Säulenſchicht — iſt aus prismatiſchen, mit kohlenſauerm Kalk angefüllten Zellen oder Säckchen gebildet, die ſenkrecht auf der Mantelfläche ſtehen; die innere beſteht aus einer Menge dicht übereinander liegender, blättriger, ſtrukturloſer Ausbreitungen, in und zwiſchen denen der Kalk abgelagert iſt. Bald bildet die äußere, bald die innere, die Perl- mutterſchicht, die Hauptmaſſe der Schale. Wir erwähnten ſchon, daß beide Schalen auf ihrer inneren Fläche nur durch die, durch Eindrücke ſichtbaren Anſätze der Muskeln und an ihrem Rande durch eine von den Mantelſäumen ausgehende Oberhaut mit dem Thier verwachſen ſind. Dieſe Oberhaut oder Epidermis überzieht auch die äußere Fläche der Schalen, wird jedoch bei vielen Muſcheln immer wieder abgerieben. Die Verbindung der Schalen aneinander geſchieht durch ein elaſtiſches Band, das Ligament, welches zugleich durch ſeine Elaſticität die Muſchel öffnet, mithin den Schließmuskeln entgegenwirkt. Dieſes Ligament iſt der Willkür des Thieres entzogen und eigentlich eine todte Maſſe. Es erklärt ſich daraus, warum abgeſtorbene Muſcheln zu klaffen pflegen: die Muskeln, welche im Leben nach dem Willen des Thieres ſich zuſammen- zogen und die Wirkung des Bandes zeitweilig unterbrachen, ſind erſchlafft. Die Muſcheln öffnen alſo, wenn man will, ihre Schalen nicht ſelbſt, durch eigne Kraft, ſondern die Schalen öffnen ſich in Folge des Nachlaſſens der Muskelkraft oder Muskelthätigkeit des Thieres. Bei den allermeiſten Muſchelſchalen liegen vor dem Ligament die beiden Wirbel, ein Paar nach vorn gerichtete Erhebungen der Schalenhälften, ſo daß, wenn Ligament und Wirbel deutlich ausgeprägt ſind, man ſich mit größter Leichtigkeit über die Gegenden der Schale und die Lage des Thieres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/943
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 895. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/943>, abgerufen am 24.11.2024.