Die Neigung der Rückenhaut zu warzenförmigen oder anders gestalteten Ausstülpungen ist bei einigen Gattungen so gesteigert, daß sie wiederum zu einer eignen Familie sich gruppiren, den Aeolididen, deren Athmungsorgane eben jene Rückenanhänge und Rückenpapillen sind.
Unter ihnen zeichnet sich Dendronotus durch die symmetrisch geordneten baumförmigen Anhänge aus. Die weit verbreitete gemeine Bäumchenschnecke (Dendronotus arborescens) ist eine der schönsten Nacktschnecken. Sie erreicht eine Länge von fast 11/2 Zoll und macht sich auch durch die fleischrothe Grundfarbe leicht bemerklich. Jhr Körper ist sehr schlank, nach hinten allmälig zugespitzt. Jhre größte Zierde sind aber die Bäumchen, deren ein Halbkreis von 7 bis 9 nahe über dem Vorder- rande des Kopfes und 5 bis 6 Paare längs des Rückens stehen. Auch die Fühler haben einen sich verzweigenden Stamm, in welchen sie zurückgezogen werden können. Der Fuß ist schmäler als der Rücken und beim Kriechen auf ebenem Boden vorn gerade abgestutzt. Seine Seiten- kanten ziehen sich oft so eng an einander, daß er als ein scharfer Kiel erscheint. Sie zieht das Klettern auf den dünnen Zweigen der Algen dem Kriechen am Boden vor. Ost geht sie bis an die äußerste Spitze des Zwei-
ges hinaus, hebt den freien Vorderkörper in die Höhe und wendet ihn, wie eine Spannraupe, bald nach der einen und bald nach der anderen Seite, um nach einem festen Gegenstand zu suchen, worauf sie ihren Weg fortsetzen kann. Meyer und Möbius sahen die Bäumchenschnecken seltener als andere Nacktkiemer an der Aquarienwand ruhig sitzen. Dann halten sie sich nur mit schmaler Fußleiste fest und lehnen sich mit einer Seite gegen die Wand. Schwimmen sie an der Oberfläche, so nimmt der Fuß bald seine größte Breite an, bald nähern sich dessen Seitenkanten einander und die Sohle bildet eine Furche. Beim Schwimmen hängen die Rückenbäumchen schräg auswärts nach unten; kriecht die Schnecke mit gestrecktem Körper gerade aus, so neigen sie sich leicht hinterwärts; windet sich der Leib, so treten sie nach allen Richtungen auseinander. Unsre Beobachter fassen daher mit Recht den Eindruck, den Form und Bewegungen auf sie machten, dahin zusammen, daß die schlanke Körperform, die zarten, leicht schwankenden Bäumchen auf dem Rücken, die milde Färbung und die leichten anschmiegenden Bewegungen die Bäumchenschnecke zu einem der reizendsten Seethiere machen.
Bei Kiel wurde sie am häufigsten im Winter auf den Bäumen angetroffen, die zur Mieß- muschelzucht im innern Theile der Bucht aufgestellt sind, und sie hielt sich gut in Aquarien, angefüllt mit verfaulenden und frischen Pflanzen. Sie ist aber überhaupt ziemlich gemein an den nordischen Küsten, und ich selbst habe sie vor zwanzig Jahren an den Färöern gefunden.
Die Angabe des englischen Zoologen Grant, daß Dendronotus arborescens schwache Töne hervorbringe, konnte von den Hamburger Naturforschern nicht bestätigt werden, da jedoch auch
Griffel-, Bäumchen-Schnecke.
Die Neigung der Rückenhaut zu warzenförmigen oder anders geſtalteten Ausſtülpungen iſt bei einigen Gattungen ſo geſteigert, daß ſie wiederum zu einer eignen Familie ſich gruppiren, den Aeolididen, deren Athmungsorgane eben jene Rückenanhänge und Rückenpapillen ſind.
Unter ihnen zeichnet ſich Dendronotus durch die ſymmetriſch geordneten baumförmigen Anhänge aus. Die weit verbreitete gemeine Bäumchenſchnecke (Dendronotus arborescens) iſt eine der ſchönſten Nacktſchnecken. Sie erreicht eine Länge von faſt 1½ Zoll und macht ſich auch durch die fleiſchrothe Grundfarbe leicht bemerklich. Jhr Körper iſt ſehr ſchlank, nach hinten allmälig zugeſpitzt. Jhre größte Zierde ſind aber die Bäumchen, deren ein Halbkreis von 7 bis 9 nahe über dem Vorder- rande des Kopfes und 5 bis 6 Paare längs des Rückens ſtehen. Auch die Fühler haben einen ſich verzweigenden Stamm, in welchen ſie zurückgezogen werden können. Der Fuß iſt ſchmäler als der Rücken und beim Kriechen auf ebenem Boden vorn gerade abgeſtutzt. Seine Seiten- kanten ziehen ſich oft ſo eng an einander, daß er als ein ſcharfer Kiel erſcheint. Sie zieht das Klettern auf den dünnen Zweigen der Algen dem Kriechen am Boden vor. Oſt geht ſie bis an die äußerſte Spitze des Zwei-
ges hinaus, hebt den freien Vorderkörper in die Höhe und wendet ihn, wie eine Spannraupe, bald nach der einen und bald nach der anderen Seite, um nach einem feſten Gegenſtand zu ſuchen, worauf ſie ihren Weg fortſetzen kann. Meyer und Möbius ſahen die Bäumchenſchnecken ſeltener als andere Nacktkiemer an der Aquarienwand ruhig ſitzen. Dann halten ſie ſich nur mit ſchmaler Fußleiſte feſt und lehnen ſich mit einer Seite gegen die Wand. Schwimmen ſie an der Oberfläche, ſo nimmt der Fuß bald ſeine größte Breite an, bald nähern ſich deſſen Seitenkanten einander und die Sohle bildet eine Furche. Beim Schwimmen hängen die Rückenbäumchen ſchräg auswärts nach unten; kriecht die Schnecke mit geſtrecktem Körper gerade aus, ſo neigen ſie ſich leicht hinterwärts; windet ſich der Leib, ſo treten ſie nach allen Richtungen auseinander. Unſre Beobachter faſſen daher mit Recht den Eindruck, den Form und Bewegungen auf ſie machten, dahin zuſammen, daß die ſchlanke Körperform, die zarten, leicht ſchwankenden Bäumchen auf dem Rücken, die milde Färbung und die leichten anſchmiegenden Bewegungen die Bäumchenſchnecke zu einem der reizendſten Seethiere machen.
Bei Kiel wurde ſie am häufigſten im Winter auf den Bäumen angetroffen, die zur Mieß- muſchelzucht im innern Theile der Bucht aufgeſtellt ſind, und ſie hielt ſich gut in Aquarien, angefüllt mit verfaulenden und friſchen Pflanzen. Sie iſt aber überhaupt ziemlich gemein an den nordiſchen Küſten, und ich ſelbſt habe ſie vor zwanzig Jahren an den Färöern gefunden.
Die Angabe des engliſchen Zoologen Grant, daß Dendronotus arborescens ſchwache Töne hervorbringe, konnte von den Hamburger Naturforſchern nicht beſtätigt werden, da jedoch auch
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Griffel-, Bäumchen-Schnecke.
Die Neigung der Rückenhaut zu warzenförmigen oder anders geſtalteten Ausſtülpungen iſt
bei einigen Gattungen ſo geſteigert, daß ſie wiederum zu einer eignen Familie ſich gruppiren,
den Aeolididen, deren Athmungsorgane eben jene Rückenanhänge und Rückenpapillen ſind.
Unter ihnen zeichnet ſich Dendronotus durch die ſymmetriſch geordneten baumförmigen
Anhänge aus. Die weit verbreitete gemeine Bäumchenſchnecke (Dendronotus arborescens)
iſt eine der ſchönſten Nacktſchnecken. Sie erreicht eine Länge von faſt 1½ Zoll und macht ſich
auch durch die fleiſchrothe Grundfarbe leicht bemerklich. Jhr Körper iſt ſehr ſchlank, nach hinten
allmälig zugeſpitzt. Jhre größte Zierde ſind aber die Bäumchen, deren ein Halbkreis von 7 bis 9
nahe über dem Vorder-
rande des Kopfes und 5
bis 6 Paare längs des
Rückens ſtehen. Auch die
Fühler haben einen ſich
verzweigenden Stamm, in
welchen ſie zurückgezogen
werden können. Der Fuß
iſt ſchmäler als der Rücken
und beim Kriechen auf
ebenem Boden vorn gerade
abgeſtutzt. Seine Seiten-
kanten ziehen ſich oft ſo
eng an einander, daß
er als ein ſcharfer Kiel
erſcheint. Sie zieht das
Klettern auf den dünnen
Zweigen der Algen dem
Kriechen am Boden vor.
Oſt geht ſie bis an die
äußerſte Spitze des Zwei-
[Abbildung Gemeine Bäumchenſchnecke (Dendronotus arborescens). Vergrößert.]
ges hinaus, hebt den freien Vorderkörper in die Höhe und wendet ihn, wie eine Spannraupe,
bald nach der einen und bald nach der anderen Seite, um nach einem feſten Gegenſtand zu
ſuchen, worauf ſie ihren Weg fortſetzen kann. Meyer und Möbius ſahen die Bäumchenſchnecken
ſeltener als andere Nacktkiemer an der Aquarienwand ruhig ſitzen. Dann halten ſie ſich nur mit
ſchmaler Fußleiſte feſt und lehnen ſich mit einer Seite gegen die Wand. Schwimmen ſie an der
Oberfläche, ſo nimmt der Fuß bald ſeine größte Breite an, bald nähern ſich deſſen Seitenkanten
einander und die Sohle bildet eine Furche. Beim Schwimmen hängen die Rückenbäumchen ſchräg
auswärts nach unten; kriecht die Schnecke mit geſtrecktem Körper gerade aus, ſo neigen ſie ſich
leicht hinterwärts; windet ſich der Leib, ſo treten ſie nach allen Richtungen auseinander. Unſre
Beobachter faſſen daher mit Recht den Eindruck, den Form und Bewegungen auf ſie machten, dahin
zuſammen, daß die ſchlanke Körperform, die zarten, leicht ſchwankenden Bäumchen auf dem Rücken,
die milde Färbung und die leichten anſchmiegenden Bewegungen die Bäumchenſchnecke zu einem der
reizendſten Seethiere machen.
Bei Kiel wurde ſie am häufigſten im Winter auf den Bäumen angetroffen, die zur Mieß-
muſchelzucht im innern Theile der Bucht aufgeſtellt ſind, und ſie hielt ſich gut in Aquarien,
angefüllt mit verfaulenden und friſchen Pflanzen. Sie iſt aber überhaupt ziemlich gemein an den
nordiſchen Küſten, und ich ſelbſt habe ſie vor zwanzig Jahren an den Färöern gefunden.
Die Angabe des engliſchen Zoologen Grant, daß Dendronotus arborescens ſchwache Töne
hervorbringe, konnte von den Hamburger Naturforſchern nicht beſtätigt werden, da jedoch auch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 869. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/917>, abgerufen am 24.11.2024.
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