Die Lebensweise unserer Kugelschnecke ist nach Meyer's und Möbius' Worten folgende. Die größten Exemplare wurden im Winter und Frühjahr gefangen. Jm Juli fischten die Beiden häufig kleine, nur 11/2 bis 21/2 Linien lange Thiere und viele leere und mittellose Schalen zwischen
faulem Seegras, woraus sich entnehmen läßt, daß die Kugelschnecke von einem Frühling bis zum nächstfolgenden leben mag. Sie gehört im Kieler Busen da, wo schlammiger, seegrastragender Grund ist, zu den gemeinsten Thieren und liebt besonders die Region des abgestorbenen See- grases, das die Fischer Rottang nennen. Hier findet sie an den braunen faulen Blättern reichliche Nahrung. Jm Aquarium frißt sie außer diesen auch Fleisch.
"Die Kugelschnecke ist", fahren die Beobachter fort, "fast immer in Bewegung. Sie kriecht am Boden hin oder an der Wand des Aquariums hinauf. Zuweilen hängt sie auch etwas krumm zusammengezogen an der Oberfläche. Beim Kriechen hebt und senkt sie den Kopf und biegt sie den Vorderkörper nach rechts und links. Mit dem unteren Theile des Fußes schieben sich auch die empor geschlagenen Flügel desselben vorwärts, so daß die Schale, worauf sie liegen, abwechselnd mehr frei und darauf wieder mehr bedeckt wird. Geschieht dieser Wechsel lebhafter als gewöhnlich, so schickt sich die Kugelschnecke an zum Schwimmen, einer eigenthümlichen, überaus anziehenden, aber seltenen Bewegung, die man ein Fliegen im Wasser nennen möchte. Die gelbe Schale gleitet immer schneller und weiter vor- und rückwärts, der Vorderkörper macht rhythmische Biegungen, die Fußlappen werden abgelöst und wieder angezogen, immer weiter und immer kräftiger, bis endlich ihre Niederschläge den ganzen Körper vom Boden abstoßen. Das Thier fährt nun, bald rechts oder links, bald vor- oder rückwärts schwankend, immer höher im Wasser empor und schwebt in den anmuthigsten Stellungen mitten in seinem klaren Elemente. Sind diese Bewegungen aufs höchste gesteigert, so macht der Fuß in einer Sekunde 2 bis 3 kräftige Schläge, wobei er sich in dem Grade vom Körper abzieht, daß er eine nach unten konkave Fläche bildet. Damit gleich- zeitig biegt sich der Vorderkörper entweder vorwärts oder rückwärts. Während dieß geschieht, sinkt das Thier jedesmal ein wenig, fährt aber beim Niederschlag des ausgespannten Fußes darauf plötzlich wieder schräg in die Höhe."
"Nachdem solche lebhafte Bewegungen einige Minuten angehalten haben, werden die Schläge schwächer; die Schnecke sinkt langsam tiefer; zuweilen erhebt sie sich, ehe sie den Boden berührt, noch einmal durch einige starke Schläge, jedoch nicht mehr zu ihrer früheren Höhe; die Kräfte werden matter, sie sinkt zu Boden, schlägt nur noch die Fußlappeuränder in die Höhe, lüftet sie noch einigemal, legt sie dann über der Schale ruhig zusammen und fängt endlich wieder an zu kriechen."
Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Die Lebensweiſe unſerer Kugelſchnecke iſt nach Meyer’s und Möbius’ Worten folgende. Die größten Exemplare wurden im Winter und Frühjahr gefangen. Jm Juli fiſchten die Beiden häufig kleine, nur 1½ bis 2½ Linien lange Thiere und viele leere und mittelloſe Schalen zwiſchen
faulem Seegras, woraus ſich entnehmen läßt, daß die Kugelſchnecke von einem Frühling bis zum nächſtfolgenden leben mag. Sie gehört im Kieler Buſen da, wo ſchlammiger, ſeegrastragender Grund iſt, zu den gemeinſten Thieren und liebt beſonders die Region des abgeſtorbenen See- graſes, das die Fiſcher Rottang nennen. Hier findet ſie an den braunen faulen Blättern reichliche Nahrung. Jm Aquarium frißt ſie außer dieſen auch Fleiſch.
„Die Kugelſchnecke iſt“, fahren die Beobachter fort, „faſt immer in Bewegung. Sie kriecht am Boden hin oder an der Wand des Aquariums hinauf. Zuweilen hängt ſie auch etwas krumm zuſammengezogen an der Oberfläche. Beim Kriechen hebt und ſenkt ſie den Kopf und biegt ſie den Vorderkörper nach rechts und links. Mit dem unteren Theile des Fußes ſchieben ſich auch die empor geſchlagenen Flügel deſſelben vorwärts, ſo daß die Schale, worauf ſie liegen, abwechſelnd mehr frei und darauf wieder mehr bedeckt wird. Geſchieht dieſer Wechſel lebhafter als gewöhnlich, ſo ſchickt ſich die Kugelſchnecke an zum Schwimmen, einer eigenthümlichen, überaus anziehenden, aber ſeltenen Bewegung, die man ein Fliegen im Waſſer nennen möchte. Die gelbe Schale gleitet immer ſchneller und weiter vor- und rückwärts, der Vorderkörper macht rhythmiſche Biegungen, die Fußlappen werden abgelöſt und wieder angezogen, immer weiter und immer kräftiger, bis endlich ihre Niederſchläge den ganzen Körper vom Boden abſtoßen. Das Thier fährt nun, bald rechts oder links, bald vor- oder rückwärts ſchwankend, immer höher im Waſſer empor und ſchwebt in den anmuthigſten Stellungen mitten in ſeinem klaren Elemente. Sind dieſe Bewegungen aufs höchſte geſteigert, ſo macht der Fuß in einer Sekunde 2 bis 3 kräftige Schläge, wobei er ſich in dem Grade vom Körper abzieht, daß er eine nach unten konkave Fläche bildet. Damit gleich- zeitig biegt ſich der Vorderkörper entweder vorwärts oder rückwärts. Während dieß geſchieht, ſinkt das Thier jedesmal ein wenig, fährt aber beim Niederſchlag des ausgeſpannten Fußes darauf plötzlich wieder ſchräg in die Höhe.“
„Nachdem ſolche lebhafte Bewegungen einige Minuten angehalten haben, werden die Schläge ſchwächer; die Schnecke ſinkt langſam tiefer; zuweilen erhebt ſie ſich, ehe ſie den Boden berührt, noch einmal durch einige ſtarke Schläge, jedoch nicht mehr zu ihrer früheren Höhe; die Kräfte werden matter, ſie ſinkt zu Boden, ſchlägt nur noch die Fußlappeuränder in die Höhe, lüftet ſie noch einigemal, legt ſie dann über der Schale ruhig zuſammen und fängt endlich wieder an zu kriechen.“
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Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Die Lebensweiſe unſerer Kugelſchnecke iſt nach Meyer’s und Möbius’ Worten folgende.
Die größten Exemplare wurden im Winter und Frühjahr gefangen. Jm Juli fiſchten die Beiden
häufig kleine, nur 1½ bis 2½ Linien lange Thiere und viele leere und mittelloſe Schalen zwiſchen
[Abbildung Gemeine Kugelſchnecke (Acera bullata).]
faulem Seegras, woraus ſich entnehmen läßt, daß die Kugelſchnecke von einem Frühling bis zum
nächſtfolgenden leben mag. Sie gehört im Kieler Buſen da, wo ſchlammiger, ſeegrastragender
Grund iſt, zu den gemeinſten Thieren und liebt beſonders die Region des abgeſtorbenen See-
graſes, das die Fiſcher Rottang nennen. Hier findet ſie an den braunen faulen Blättern reichliche
Nahrung. Jm Aquarium frißt ſie außer dieſen auch Fleiſch.
„Die Kugelſchnecke iſt“, fahren die Beobachter fort, „faſt immer in Bewegung. Sie kriecht am
Boden hin oder an der Wand des Aquariums hinauf. Zuweilen hängt ſie auch etwas krumm
zuſammengezogen an der Oberfläche. Beim Kriechen hebt und ſenkt ſie den Kopf und biegt ſie
den Vorderkörper nach rechts und links. Mit dem unteren Theile des Fußes ſchieben ſich auch
die empor geſchlagenen Flügel deſſelben vorwärts, ſo daß die Schale, worauf ſie liegen, abwechſelnd
mehr frei und darauf wieder mehr bedeckt wird. Geſchieht dieſer Wechſel lebhafter als gewöhnlich,
ſo ſchickt ſich die Kugelſchnecke an zum Schwimmen, einer eigenthümlichen, überaus anziehenden,
aber ſeltenen Bewegung, die man ein Fliegen im Waſſer nennen möchte. Die gelbe Schale gleitet
immer ſchneller und weiter vor- und rückwärts, der Vorderkörper macht rhythmiſche Biegungen,
die Fußlappen werden abgelöſt und wieder angezogen, immer weiter und immer kräftiger, bis
endlich ihre Niederſchläge den ganzen Körper vom Boden abſtoßen. Das Thier fährt nun, bald
rechts oder links, bald vor- oder rückwärts ſchwankend, immer höher im Waſſer empor und
ſchwebt in den anmuthigſten Stellungen mitten in ſeinem klaren Elemente. Sind dieſe Bewegungen
aufs höchſte geſteigert, ſo macht der Fuß in einer Sekunde 2 bis 3 kräftige Schläge, wobei er ſich
in dem Grade vom Körper abzieht, daß er eine nach unten konkave Fläche bildet. Damit gleich-
zeitig biegt ſich der Vorderkörper entweder vorwärts oder rückwärts. Während dieß geſchieht,
ſinkt das Thier jedesmal ein wenig, fährt aber beim Niederſchlag des ausgeſpannten Fußes
darauf plötzlich wieder ſchräg in die Höhe.“
„Nachdem ſolche lebhafte Bewegungen einige Minuten angehalten haben, werden die Schläge
ſchwächer; die Schnecke ſinkt langſam tiefer; zuweilen erhebt ſie ſich, ehe ſie den Boden berührt,
noch einmal durch einige ſtarke Schläge, jedoch nicht mehr zu ihrer früheren Höhe; die Kräfte
werden matter, ſie ſinkt zu Boden, ſchlägt nur noch die Fußlappeuränder in die Höhe, lüftet
ſie noch einigemal, legt ſie dann über der Schale ruhig zuſammen und fängt endlich wieder
an zu kriechen.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/908>, abgerufen am 24.11.2024.
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