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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Kammkiemer.
häufiger durch Anbohren, wie auch die meisten anderen fleischfressenden Bauchfüßer thun. Theils
um es als einen gefährlichen Feind der eßbaren Muscheln zu verfolgen, theils um es als Köder
zu benutzen, wird von den Fischern dem Buccinum undatum eifrig nachgestellt. Johnston sagt
darüber: "Zu Portpatrik, wo das Buccinum undatum die Buckie-Henne heißt, wird sie zu diesem
Ende in Körben gefangen, in welche man Stücke von Fischen legt, und die man 1/4 Meile vom Hafen
oder dem alten Schlosse etwa 10 Faden tief ins Meer hinabläßt, dann aber täglich wieder
heraufzieht, um die Schnecken herauszunehmen, welche hineingekrochen sind, um die Fischstücke zu
verzehren. Jede Schnecke liefert Köder für zwei Angeln, so daß, wenn man die von allen Booten
ausgeworfenen Angeln zusammen auf 4500 anschlägt, so lange als dieß geschieht, täglich 2250 von
diesen großen Schnecken zerstört werden müssen, wozu jährlich nicht weniger als 70,000 nöthig
sein werden. Und obwohl dieser Bedarf größtentheils nur von einem kleinen Raume gewonnen
wird, so scheint davon doch ein größerer Ueberfluß als je dort vorhanden zu sein".

Wenn wir oben sagten, daß wahrscheinlich auch bei den anderen Arten von Buccinum die
Entwicklung der wenigen Jungen auf Kosten der größeren Menge der Eier vor sich gehe, so

[Abbildung] Eikapseln von
Purpura lapillus.
Nat. Größe.
wird man darin durch die Wahrnehmung bestärkt, daß dasselbe auch bei
anderen Schnecken geschieht. So bei der dem Buccinum nahe verwandten und
denselben Verbreitungsbezirk mit ihm theilenden Purpura lapillus. Man
findet die Cikapseln dieses Bauchfüßers ebenfalls an Steinen und anderen
Gegenständen angeheftet. Sie gleichen einer kleinen Flasche, welche mit
ihrem dünnen Halse befestigt ist. Jede Kapsel ist hermetisch verschlossen
und erfüllt mit einer wasserklaren zähen Flüssigkeit, worin 500 bis 600 Eier
schwimmen. Auch von ihnen, wie gesagt, erreicht die große Mehrzahl ihr ideelles Ziel nicht,
sondern ist das Futter für einzelne Bevorzugte.

Alle zur Sippe gehörigen Arten zeichnen sich durch Langsamkeit und Trägheit aus, und
unsere Purpura lapillus gehört zu denjenigen, welche Tage und Wochen lang an einer und derselben
Stelle sitzen bleiben. Nach Steenstrups Beobachtungen geht diese Faulheit noch weiter bei
einigen kleinen Formen, die man auf den Stämmen und Aesten der Fächerkoralle (Gorgonia
flabellum
) und anderen westindischen Gorgonien findet. Sie behaupten hartnäckig ihren Platz
und drücken den Mantelrand so fest an die Aeste der Koralle, daß sie selbige ganz umfassen,
während die weiche oberflächliche Lage der Gorgonie die Schale umwächst, bis schließlich nur ein
kleines Loch zur Communication zwischen Schnecke und Außenwelt übrig bleibt. Aehnlich wie
diese Arten auf den biegsamen Hornkorallen lebt eine andre -- Purpura madreporarum -- auf
den indischen Steinkorallen. Jm Wesentlichen ist aber dieses Verhalten kein anderes, als wie
wir oben von der Mützenschnecke mitgetheilt haben.

Nun giebt es aber zwei der Purpura ganz nahe stehende Gattungen, welche, sich festsetzend,
die merkwürdigsten Umwandlungen erleiden, Magilus und Rhizochilus. Anfangs frei, werden
sie nicht nur seßhaft, sondern es geht mit ihrem Gehäuse auch eine solche Formveränderung vor,

[Abbildung] Junges Exemplar von
Rhizochilus Antipathum.
daß ihre Ernährungs- und Lebensweise dadurch völlig umgestaltet wird.
Wir folgen der Beschreibung, welche Steenstrup von diesen Verhältnissen
gegeben. Die Jungen von Rhizochilus Antipathum gleichen den Purpura-
Schnecken so vollständig, daß man sie mit jüngeren Exemplaren mancher
Arten derselben verwechseln kann. Das Gehäus der sich eben festsetzenden
Thiere von 31/2 Linien Länge hat die beistehende Form. Die längliche
Mündung ist nach oben hin abgerundet, nach dem kurzen Kanal zu spitz,
und die beiden Lippen sind ganz einfach, bis zur Anheftung, wo denn
sowohl die äußere als die innere sich zu verlängern, und die Zweige der Korallen zu umfassen
beginnen. Betrachtet man dagegen den späteren Zustand nach der Anheftung, so ist eine merk-
würdige Veränderung mit dem Mündungstheile des Gehäuses vor sich gegangen, besonders durch

Schnecken. Kammkiemer.
häufiger durch Anbohren, wie auch die meiſten anderen fleiſchfreſſenden Bauchfüßer thun. Theils
um es als einen gefährlichen Feind der eßbaren Muſcheln zu verfolgen, theils um es als Köder
zu benutzen, wird von den Fiſchern dem Buccinum undatum eifrig nachgeſtellt. Johnſton ſagt
darüber: „Zu Portpatrik, wo das Buccinum undatum die Buckie-Henne heißt, wird ſie zu dieſem
Ende in Körben gefangen, in welche man Stücke von Fiſchen legt, und die man ¼ Meile vom Hafen
oder dem alten Schloſſe etwa 10 Faden tief ins Meer hinabläßt, dann aber täglich wieder
heraufzieht, um die Schnecken herauszunehmen, welche hineingekrochen ſind, um die Fiſchſtücke zu
verzehren. Jede Schnecke liefert Köder für zwei Angeln, ſo daß, wenn man die von allen Booten
ausgeworfenen Angeln zuſammen auf 4500 anſchlägt, ſo lange als dieß geſchieht, täglich 2250 von
dieſen großen Schnecken zerſtört werden müſſen, wozu jährlich nicht weniger als 70,000 nöthig
ſein werden. Und obwohl dieſer Bedarf größtentheils nur von einem kleinen Raume gewonnen
wird, ſo ſcheint davon doch ein größerer Ueberfluß als je dort vorhanden zu ſein“.

Wenn wir oben ſagten, daß wahrſcheinlich auch bei den anderen Arten von Buccinum die
Entwicklung der wenigen Jungen auf Koſten der größeren Menge der Eier vor ſich gehe, ſo

[Abbildung] Eikapſeln von
Purpura lapillus.
Nat. Größe.
wird man darin durch die Wahrnehmung beſtärkt, daß daſſelbe auch bei
anderen Schnecken geſchieht. So bei der dem Buccinum nahe verwandten und
denſelben Verbreitungsbezirk mit ihm theilenden Purpura lapillus. Man
findet die Cikapſeln dieſes Bauchfüßers ebenfalls an Steinen und anderen
Gegenſtänden angeheftet. Sie gleichen einer kleinen Flaſche, welche mit
ihrem dünnen Halſe befeſtigt iſt. Jede Kapſel iſt hermetiſch verſchloſſen
und erfüllt mit einer waſſerklaren zähen Flüſſigkeit, worin 500 bis 600 Eier
ſchwimmen. Auch von ihnen, wie geſagt, erreicht die große Mehrzahl ihr ideelles Ziel nicht,
ſondern iſt das Futter für einzelne Bevorzugte.

Alle zur Sippe gehörigen Arten zeichnen ſich durch Langſamkeit und Trägheit aus, und
unſere Purpura lapillus gehört zu denjenigen, welche Tage und Wochen lang an einer und derſelben
Stelle ſitzen bleiben. Nach Steenſtrups Beobachtungen geht dieſe Faulheit noch weiter bei
einigen kleinen Formen, die man auf den Stämmen und Aeſten der Fächerkoralle (Gorgonia
flabellum
) und anderen weſtindiſchen Gorgonien findet. Sie behaupten hartnäckig ihren Platz
und drücken den Mantelrand ſo feſt an die Aeſte der Koralle, daß ſie ſelbige ganz umfaſſen,
während die weiche oberflächliche Lage der Gorgonie die Schale umwächſt, bis ſchließlich nur ein
kleines Loch zur Communication zwiſchen Schnecke und Außenwelt übrig bleibt. Aehnlich wie
dieſe Arten auf den biegſamen Hornkorallen lebt eine andre — Purpura madreporarum — auf
den indiſchen Steinkorallen. Jm Weſentlichen iſt aber dieſes Verhalten kein anderes, als wie
wir oben von der Mützenſchnecke mitgetheilt haben.

Nun giebt es aber zwei der Purpura ganz nahe ſtehende Gattungen, welche, ſich feſtſetzend,
die merkwürdigſten Umwandlungen erleiden, Magilus und Rhizochilus. Anfangs frei, werden
ſie nicht nur ſeßhaft, ſondern es geht mit ihrem Gehäuſe auch eine ſolche Formveränderung vor,

[Abbildung] Junges Exemplar von
Rhizochilus Antipathum.
daß ihre Ernährungs- und Lebensweiſe dadurch völlig umgeſtaltet wird.
Wir folgen der Beſchreibung, welche Steenſtrup von dieſen Verhältniſſen
gegeben. Die Jungen von Rhizochilus Antipathum gleichen den Purpura-
Schnecken ſo vollſtändig, daß man ſie mit jüngeren Exemplaren mancher
Arten derſelben verwechſeln kann. Das Gehäus der ſich eben feſtſetzenden
Thiere von 3½ Linien Länge hat die beiſtehende Form. Die längliche
Mündung iſt nach oben hin abgerundet, nach dem kurzen Kanal zu ſpitz,
und die beiden Lippen ſind ganz einfach, bis zur Anheftung, wo denn
ſowohl die äußere als die innere ſich zu verlängern, und die Zweige der Korallen zu umfaſſen
beginnen. Betrachtet man dagegen den ſpäteren Zuſtand nach der Anheftung, ſo iſt eine merk-
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[830/0878] Schnecken. Kammkiemer. häufiger durch Anbohren, wie auch die meiſten anderen fleiſchfreſſenden Bauchfüßer thun. Theils um es als einen gefährlichen Feind der eßbaren Muſcheln zu verfolgen, theils um es als Köder zu benutzen, wird von den Fiſchern dem Buccinum undatum eifrig nachgeſtellt. Johnſton ſagt darüber: „Zu Portpatrik, wo das Buccinum undatum die Buckie-Henne heißt, wird ſie zu dieſem Ende in Körben gefangen, in welche man Stücke von Fiſchen legt, und die man ¼ Meile vom Hafen oder dem alten Schloſſe etwa 10 Faden tief ins Meer hinabläßt, dann aber täglich wieder heraufzieht, um die Schnecken herauszunehmen, welche hineingekrochen ſind, um die Fiſchſtücke zu verzehren. Jede Schnecke liefert Köder für zwei Angeln, ſo daß, wenn man die von allen Booten ausgeworfenen Angeln zuſammen auf 4500 anſchlägt, ſo lange als dieß geſchieht, täglich 2250 von dieſen großen Schnecken zerſtört werden müſſen, wozu jährlich nicht weniger als 70,000 nöthig ſein werden. Und obwohl dieſer Bedarf größtentheils nur von einem kleinen Raume gewonnen wird, ſo ſcheint davon doch ein größerer Ueberfluß als je dort vorhanden zu ſein“. Wenn wir oben ſagten, daß wahrſcheinlich auch bei den anderen Arten von Buccinum die Entwicklung der wenigen Jungen auf Koſten der größeren Menge der Eier vor ſich gehe, ſo [Abbildung Eikapſeln von Purpura lapillus. Nat. Größe.] wird man darin durch die Wahrnehmung beſtärkt, daß daſſelbe auch bei anderen Schnecken geſchieht. So bei der dem Buccinum nahe verwandten und denſelben Verbreitungsbezirk mit ihm theilenden Purpura lapillus. Man findet die Cikapſeln dieſes Bauchfüßers ebenfalls an Steinen und anderen Gegenſtänden angeheftet. Sie gleichen einer kleinen Flaſche, welche mit ihrem dünnen Halſe befeſtigt iſt. Jede Kapſel iſt hermetiſch verſchloſſen und erfüllt mit einer waſſerklaren zähen Flüſſigkeit, worin 500 bis 600 Eier ſchwimmen. Auch von ihnen, wie geſagt, erreicht die große Mehrzahl ihr ideelles Ziel nicht, ſondern iſt das Futter für einzelne Bevorzugte. Alle zur Sippe gehörigen Arten zeichnen ſich durch Langſamkeit und Trägheit aus, und unſere Purpura lapillus gehört zu denjenigen, welche Tage und Wochen lang an einer und derſelben Stelle ſitzen bleiben. Nach Steenſtrups Beobachtungen geht dieſe Faulheit noch weiter bei einigen kleinen Formen, die man auf den Stämmen und Aeſten der Fächerkoralle (Gorgonia flabellum) und anderen weſtindiſchen Gorgonien findet. Sie behaupten hartnäckig ihren Platz und drücken den Mantelrand ſo feſt an die Aeſte der Koralle, daß ſie ſelbige ganz umfaſſen, während die weiche oberflächliche Lage der Gorgonie die Schale umwächſt, bis ſchließlich nur ein kleines Loch zur Communication zwiſchen Schnecke und Außenwelt übrig bleibt. Aehnlich wie dieſe Arten auf den biegſamen Hornkorallen lebt eine andre — Purpura madreporarum — auf den indiſchen Steinkorallen. Jm Weſentlichen iſt aber dieſes Verhalten kein anderes, als wie wir oben von der Mützenſchnecke mitgetheilt haben. Nun giebt es aber zwei der Purpura ganz nahe ſtehende Gattungen, welche, ſich feſtſetzend, die merkwürdigſten Umwandlungen erleiden, Magilus und Rhizochilus. Anfangs frei, werden ſie nicht nur ſeßhaft, ſondern es geht mit ihrem Gehäuſe auch eine ſolche Formveränderung vor, [Abbildung Junges Exemplar von Rhizochilus Antipathum.] daß ihre Ernährungs- und Lebensweiſe dadurch völlig umgeſtaltet wird. Wir folgen der Beſchreibung, welche Steenſtrup von dieſen Verhältniſſen gegeben. Die Jungen von Rhizochilus Antipathum gleichen den Purpura- Schnecken ſo vollſtändig, daß man ſie mit jüngeren Exemplaren mancher Arten derſelben verwechſeln kann. Das Gehäus der ſich eben feſtſetzenden Thiere von 3½ Linien Länge hat die beiſtehende Form. Die längliche Mündung iſt nach oben hin abgerundet, nach dem kurzen Kanal zu ſpitz, und die beiden Lippen ſind ganz einfach, bis zur Anheftung, wo denn ſowohl die äußere als die innere ſich zu verlängern, und die Zweige der Korallen zu umfaſſen beginnen. Betrachtet man dagegen den ſpäteren Zuſtand nach der Anheftung, ſo iſt eine merk- würdige Veränderung mit dem Mündungstheile des Gehäuſes vor ſich gegangen, beſonders durch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/878>, abgerufen am 24.11.2024.