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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schlamm-, Sumpf-, Ohr- und Mantelschnecke.
sie sinken rasch zu Boden, von welchem sie sich gewöhnlich nur durch Emporkriechen an irgend
einer festen Unterlage wieder zur Oberfläche erheben. Zuweilen habe ich sie aber auch geraden
Weges durch das Wasser emporschweben sehen, eine Thatsache, die ich nur durch die Annahme
erklären kann, daß sie das Vermögen besitzen, die Luft in ihrer Lungenhöhle zusammenzudrücken,
wenn sie niedergehen, und daß sie derselben sich auszudehnen gestatten, um so ihren Körper zu
erleichtern, wenn sie durch das Wasser aufsteigen wollen." Jch halte diese Erklärung für eine
befriedigende, zumal sie auch in den Verrichtungen der Schwimmblase der Fische, als eines
hydrostatischen Apparates eine Bestätigung findet. Was aber das Schweben der Limnäen und
anderer Schnecken an der Gränzfläche zwischen Wasser und Luft angeht, so ist mir keine, die
merkwürdige Erscheinung völlig plausibel machende Erläuterung bekannt. Man sieht an der Fuß-
sohle unbedeutende wellenförmige Bewegungen, die aber hier nicht in Betracht kommen können.
Von Wichtigkeit ist die Bekleidung der Sohle mit Flimmerhärchen, wobei man aber nicht einsieht,
wie das Thier sein Gleiten plötzlich hemmen kann. Am schwierigsten und gänzlich ungelöst ist
aber das Haften an der Oberfläche selbst. Es sieht genau so aus, als ob die Luftsäule eine
Anziehung ausübe und als ob vor dem Untersinken ein Loßreißen stattfände. Es hat mir jedoch
scheinen wollen, als ob die Sohle bei diesem Schweben an der Wasseroberfläche sich etwas, wie
eine hohle Hand, vertiefte, so daß das Thier wie ein Boot getragen wird. Da das specifische
Gewicht nur wenig über 1 ist, so genügt, um die Schnecke gerade am Wasserspiegel zu erhalten,
eine geringe Concavität, wird diese durch unmerkliche Contractionen des Fußrandes zur Ebene,
so versinkt das Thier augenblicklich. Dieß dürfte die einfachste und völlig ausreichende
Erklärung sein.

Die große Schlammschnecke (Limnaeus stagnalis), welche überall in stehenden Gewässern
sehr gemein ist, erreicht eine Gehäuslänge von 21/2 Zoll. Das Thier ist schmutzig gelblich-grau
bis dunkel-olivengrün, mit gelblichen Pünktchen bestreut; die Sohle ist stets dunkler mit hellem
Rande. Von größtem Einfluße hierauf sind die Altersverschiedenheiten. Gleich der Farbe ist
auch die Form des Gehäuses großen Veränderlichkeiten unterworfen, so daß man sich die Güte
gethan hat, nicht weniger als sechs dieser Varietäten mit besondern lateinischen Namen zu belegen.
Sogar der dünne schwarze Schmutzüberzug verleitete die eifrigen Conchyliologen, die große
Schlammschnecke eines gewissen Teiches zu einer besonderen Art zu stempeln. Dieselben Lokalitäten,
wie die obige Art, bewohnen noch mehrere andere, wie die Sumpf-Schlammschnecke und die
gemeine Schlammschnecke, welche sich in der Form des Gehäuses dem Limnaeus stagnalis enger
anschließen, während eine andere ausgezeichnete Art, die Ohrschnecke (Limnaeus auricularis) sich
durch ihr aufgetrieben blasenförmiges und fast stets von gitterförmig gestellten Eindrücken narbiges
Gehäus auszeichnet. Alle Limnäen legen ihre Eier als zusammenhängende wurmförmige oder
ovale Laiche an allerlei Gegenstände im Wasser ab, meist auf die Unterseite der auf dem Wasser
schwimmenden Blätter der Wassergewächse. Solcher Laiche setzen sie vom Mai bis August oft
gegen 20, deren jeder 20 bis 130 Eier enthält. Sowohl das Laichen selbst als die Entwicklung
der mit Hülfe von Flimmerorganen sich umdrehenden Embryonen kann man leicht an den in
Gläsern gehaltenen Exemplaren beobachten.

Auch die Mantelschnecke (Amphipeplea) hat dreieckige, zusammengedrückte, aber kurze
Fühler und die Augen innen am Grunde derselben. Eigenthümlich ist der Mantel, welcher das
Gehäuse ganz umhüllt. Jn Europa und auch im mittleren Deutschland kommt nur eine Art,
die Amphipeplea glutinosa, die schleimige Mantelschnecke vor, 4 Linien lang. Jhr fast
kugelrundes Gehäus ist äußerst zart und dünn, von der immerwährenden Umhüllung des Mantels
ganz glatt polirt und stark glänzend. Letzterer selbst ist schwarz marmorirt und mit gelben
Punkten bestreut. Wenn das Thier ungestört sich im Wasser befindet ist vom Gehäus nichts zu
sehen und das Thier gleicht dann einem Schleimklümpchen, daher schon mancher Kenner, der
unvermuthet auf diese seltene Schnecke stieß, getäuscht worden ist. Aber auch wenn man die

Schlamm-, Sumpf-, Ohr- und Mantelſchnecke.
ſie ſinken raſch zu Boden, von welchem ſie ſich gewöhnlich nur durch Emporkriechen an irgend
einer feſten Unterlage wieder zur Oberfläche erheben. Zuweilen habe ich ſie aber auch geraden
Weges durch das Waſſer emporſchweben ſehen, eine Thatſache, die ich nur durch die Annahme
erklären kann, daß ſie das Vermögen beſitzen, die Luft in ihrer Lungenhöhle zuſammenzudrücken,
wenn ſie niedergehen, und daß ſie derſelben ſich auszudehnen geſtatten, um ſo ihren Körper zu
erleichtern, wenn ſie durch das Waſſer aufſteigen wollen.“ Jch halte dieſe Erklärung für eine
befriedigende, zumal ſie auch in den Verrichtungen der Schwimmblaſe der Fiſche, als eines
hydroſtatiſchen Apparates eine Beſtätigung findet. Was aber das Schweben der Limnäen und
anderer Schnecken an der Gränzfläche zwiſchen Waſſer und Luft angeht, ſo iſt mir keine, die
merkwürdige Erſcheinung völlig plauſibel machende Erläuterung bekannt. Man ſieht an der Fuß-
ſohle unbedeutende wellenförmige Bewegungen, die aber hier nicht in Betracht kommen können.
Von Wichtigkeit iſt die Bekleidung der Sohle mit Flimmerhärchen, wobei man aber nicht einſieht,
wie das Thier ſein Gleiten plötzlich hemmen kann. Am ſchwierigſten und gänzlich ungelöſt iſt
aber das Haften an der Oberfläche ſelbſt. Es ſieht genau ſo aus, als ob die Luftſäule eine
Anziehung ausübe und als ob vor dem Unterſinken ein Loßreißen ſtattfände. Es hat mir jedoch
ſcheinen wollen, als ob die Sohle bei dieſem Schweben an der Waſſeroberfläche ſich etwas, wie
eine hohle Hand, vertiefte, ſo daß das Thier wie ein Boot getragen wird. Da das ſpecifiſche
Gewicht nur wenig über 1 iſt, ſo genügt, um die Schnecke gerade am Waſſerſpiegel zu erhalten,
eine geringe Concavität, wird dieſe durch unmerkliche Contractionen des Fußrandes zur Ebene,
ſo verſinkt das Thier augenblicklich. Dieß dürfte die einfachſte und völlig ausreichende
Erklärung ſein.

Die große Schlammſchnecke (Limnaeus stagnalis), welche überall in ſtehenden Gewäſſern
ſehr gemein iſt, erreicht eine Gehäuslänge von 2½ Zoll. Das Thier iſt ſchmutzig gelblich-grau
bis dunkel-olivengrün, mit gelblichen Pünktchen beſtreut; die Sohle iſt ſtets dunkler mit hellem
Rande. Von größtem Einfluße hierauf ſind die Altersverſchiedenheiten. Gleich der Farbe iſt
auch die Form des Gehäuſes großen Veränderlichkeiten unterworfen, ſo daß man ſich die Güte
gethan hat, nicht weniger als ſechs dieſer Varietäten mit beſondern lateiniſchen Namen zu belegen.
Sogar der dünne ſchwarze Schmutzüberzug verleitete die eifrigen Conchyliologen, die große
Schlammſchnecke eines gewiſſen Teiches zu einer beſonderen Art zu ſtempeln. Dieſelben Lokalitäten,
wie die obige Art, bewohnen noch mehrere andere, wie die Sumpf-Schlammſchnecke und die
gemeine Schlammſchnecke, welche ſich in der Form des Gehäuſes dem Limnaeus stagnalis enger
anſchließen, während eine andere ausgezeichnete Art, die Ohrſchnecke (Limnaeus auricularis) ſich
durch ihr aufgetrieben blaſenförmiges und faſt ſtets von gitterförmig geſtellten Eindrücken narbiges
Gehäus auszeichnet. Alle Limnäen legen ihre Eier als zuſammenhängende wurmförmige oder
ovale Laiche an allerlei Gegenſtände im Waſſer ab, meiſt auf die Unterſeite der auf dem Waſſer
ſchwimmenden Blätter der Waſſergewächſe. Solcher Laiche ſetzen ſie vom Mai bis Auguſt oft
gegen 20, deren jeder 20 bis 130 Eier enthält. Sowohl das Laichen ſelbſt als die Entwicklung
der mit Hülfe von Flimmerorganen ſich umdrehenden Embryonen kann man leicht an den in
Gläſern gehaltenen Exemplaren beobachten.

Auch die Mantelſchnecke (Amphipeplea) hat dreieckige, zuſammengedrückte, aber kurze
Fühler und die Augen innen am Grunde derſelben. Eigenthümlich iſt der Mantel, welcher das
Gehäuſe ganz umhüllt. Jn Europa und auch im mittleren Deutſchland kommt nur eine Art,
die Amphipeplea glutinosa, die ſchleimige Mantelſchnecke vor, 4 Linien lang. Jhr faſt
kugelrundes Gehäus iſt äußerſt zart und dünn, von der immerwährenden Umhüllung des Mantels
ganz glatt polirt und ſtark glänzend. Letzterer ſelbſt iſt ſchwarz marmorirt und mit gelben
Punkten beſtreut. Wenn das Thier ungeſtört ſich im Waſſer befindet iſt vom Gehäus nichts zu
ſehen und das Thier gleicht dann einem Schleimklümpchen, daher ſchon mancher Kenner, der
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[805/0853] Schlamm-, Sumpf-, Ohr- und Mantelſchnecke. ſie ſinken raſch zu Boden, von welchem ſie ſich gewöhnlich nur durch Emporkriechen an irgend einer feſten Unterlage wieder zur Oberfläche erheben. Zuweilen habe ich ſie aber auch geraden Weges durch das Waſſer emporſchweben ſehen, eine Thatſache, die ich nur durch die Annahme erklären kann, daß ſie das Vermögen beſitzen, die Luft in ihrer Lungenhöhle zuſammenzudrücken, wenn ſie niedergehen, und daß ſie derſelben ſich auszudehnen geſtatten, um ſo ihren Körper zu erleichtern, wenn ſie durch das Waſſer aufſteigen wollen.“ Jch halte dieſe Erklärung für eine befriedigende, zumal ſie auch in den Verrichtungen der Schwimmblaſe der Fiſche, als eines hydroſtatiſchen Apparates eine Beſtätigung findet. Was aber das Schweben der Limnäen und anderer Schnecken an der Gränzfläche zwiſchen Waſſer und Luft angeht, ſo iſt mir keine, die merkwürdige Erſcheinung völlig plauſibel machende Erläuterung bekannt. Man ſieht an der Fuß- ſohle unbedeutende wellenförmige Bewegungen, die aber hier nicht in Betracht kommen können. Von Wichtigkeit iſt die Bekleidung der Sohle mit Flimmerhärchen, wobei man aber nicht einſieht, wie das Thier ſein Gleiten plötzlich hemmen kann. Am ſchwierigſten und gänzlich ungelöſt iſt aber das Haften an der Oberfläche ſelbſt. Es ſieht genau ſo aus, als ob die Luftſäule eine Anziehung ausübe und als ob vor dem Unterſinken ein Loßreißen ſtattfände. Es hat mir jedoch ſcheinen wollen, als ob die Sohle bei dieſem Schweben an der Waſſeroberfläche ſich etwas, wie eine hohle Hand, vertiefte, ſo daß das Thier wie ein Boot getragen wird. Da das ſpecifiſche Gewicht nur wenig über 1 iſt, ſo genügt, um die Schnecke gerade am Waſſerſpiegel zu erhalten, eine geringe Concavität, wird dieſe durch unmerkliche Contractionen des Fußrandes zur Ebene, ſo verſinkt das Thier augenblicklich. Dieß dürfte die einfachſte und völlig ausreichende Erklärung ſein. Die große Schlammſchnecke (Limnaeus stagnalis), welche überall in ſtehenden Gewäſſern ſehr gemein iſt, erreicht eine Gehäuslänge von 2½ Zoll. Das Thier iſt ſchmutzig gelblich-grau bis dunkel-olivengrün, mit gelblichen Pünktchen beſtreut; die Sohle iſt ſtets dunkler mit hellem Rande. Von größtem Einfluße hierauf ſind die Altersverſchiedenheiten. Gleich der Farbe iſt auch die Form des Gehäuſes großen Veränderlichkeiten unterworfen, ſo daß man ſich die Güte gethan hat, nicht weniger als ſechs dieſer Varietäten mit beſondern lateiniſchen Namen zu belegen. Sogar der dünne ſchwarze Schmutzüberzug verleitete die eifrigen Conchyliologen, die große Schlammſchnecke eines gewiſſen Teiches zu einer beſonderen Art zu ſtempeln. Dieſelben Lokalitäten, wie die obige Art, bewohnen noch mehrere andere, wie die Sumpf-Schlammſchnecke und die gemeine Schlammſchnecke, welche ſich in der Form des Gehäuſes dem Limnaeus stagnalis enger anſchließen, während eine andere ausgezeichnete Art, die Ohrſchnecke (Limnaeus auricularis) ſich durch ihr aufgetrieben blaſenförmiges und faſt ſtets von gitterförmig geſtellten Eindrücken narbiges Gehäus auszeichnet. Alle Limnäen legen ihre Eier als zuſammenhängende wurmförmige oder ovale Laiche an allerlei Gegenſtände im Waſſer ab, meiſt auf die Unterſeite der auf dem Waſſer ſchwimmenden Blätter der Waſſergewächſe. Solcher Laiche ſetzen ſie vom Mai bis Auguſt oft gegen 20, deren jeder 20 bis 130 Eier enthält. Sowohl das Laichen ſelbſt als die Entwicklung der mit Hülfe von Flimmerorganen ſich umdrehenden Embryonen kann man leicht an den in Gläſern gehaltenen Exemplaren beobachten. Auch die Mantelſchnecke (Amphipeplea) hat dreieckige, zuſammengedrückte, aber kurze Fühler und die Augen innen am Grunde derſelben. Eigenthümlich iſt der Mantel, welcher das Gehäuſe ganz umhüllt. Jn Europa und auch im mittleren Deutſchland kommt nur eine Art, die Amphipeplea glutinosa, die ſchleimige Mantelſchnecke vor, 4 Linien lang. Jhr faſt kugelrundes Gehäus iſt äußerſt zart und dünn, von der immerwährenden Umhüllung des Mantels ganz glatt polirt und ſtark glänzend. Letzterer ſelbſt iſt ſchwarz marmorirt und mit gelben Punkten beſtreut. Wenn das Thier ungeſtört ſich im Waſſer befindet iſt vom Gehäus nichts zu ſehen und das Thier gleicht dann einem Schleimklümpchen, daher ſchon mancher Kenner, der unvermuthet auf dieſe ſeltene Schnecke ſtieß, getäuſcht worden iſt. Aber auch wenn man die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 805. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/853>, abgerufen am 24.11.2024.