Mantelrande ausgesondert werden, so ergiebt sich daraus, daß verletzte Schalen zwar von innen herausgebessert und verstopft, aber nie wieder vollständig ausgeglichen und angefüllt werden können und daß die ausgebesserten Stellen ungefärbt bleiben. Der Versuch ist leicht an einer Garten- schnecke zu machen, ohne daß man dem Thiere weh thut.
Der andre Weg, sich von der thierischen Grundlage des Weichthiergehäuses zu überzeugen, ist einfacher. Man braucht nur ein Schalenstück in eine verdünnte Säure zu legen, so wird der Kalk aufgelöst und das organische Fachwerk bleibt zurück. Man sieht dann, daß nicht der Kalk, sondern die thierische Grundmasse dem Gehäuse die Gestalt giebt. Sind die Zellen und Häutchen, zwischen denen der Kalk sich ablagert besonders dünn, so bekommen die Schalen den perlenartigen, irisirenden Glanz. "Wenn solche Schalen verwittern", sagt Gray, "so trennen sie sich in viele dünne blättrige Schuppen von perlgrauer Farbe und silberartigem Glanze. Die Chinesen wissen dieß und benützen diese Theilchen der zerfallenen Placunen, einer Muschel, als Silber in ihren Wasserfarbgemälden. Jch habe selbst dieses Silberpulver, welches Reeves mit nach England gebracht, mit gutem Erfolg zum Malen von Fischen angewendet. Es ist nicht ganz so glänzend, wie gepulvertes Blattsilber, bietet aber den Vortheil dar, an der Luft sich nicht zu verändern."
Jch ersuche nun den Leser, ein Gehäus einer unserer größeren Schnecken, etwa der Weinbergs- schnecke zur Hand zu nehmen, um sich an ihm, nicht an einer Abbildung, einige nothwendige Vorkenntnisse zu erwerben. Stellt man dieses Haus mit der Spitze zu sich gewendet vor sich hin so liegt der scharfe, gebauchte Rand der Mündung zur Rechten; hält man dasselbe so vor sich, daß die Spitze in die Höhe, die Mündung gegen das Gesicht gewendet ist, so sieht man die Umgänge von Rechts nach Links hinablaufen. Man nennt ein solches Gehäus rechtsgewunden. Was ein linksgewundenes ist, folgt von selbst. Die allermeisten spiraligen Schneckenhäuser sind rechts gewunden. Es kommen aber unter manchen in der Regel rechtsgewundenen Arten auch umgekehrt gewundene Exemplare vor, und gerade unter den Weinbergsschnecken findet man dergleichen nicht selten. Die Conchyliensammler fahnden natürlich auf solche Ausnahmen, und Johnston erzählt in seiner Einleitung in die Conchyliologie eine sehr gute hierauf bezügliche Geschichte. Sein "Freund Pratt kannte einen französischen Naturforscher, der sich bemühte, eine Brut verkehrt gewundener Schnecken zu erhalten, um sie an Raritätensammler mit Vortheil zu verkaufen. Er wußte sich ein lebendes Paar zu verschaffen und erzeugte damit eine ansehnliche Familie, deren Mitglieder von Geburt an alle verkehrt gewunden waren, alle links, Revolutio- nisten vom Ei an".
An der uns zugekehrten Mündung unserer Helix pomatia unterscheiden wir nun den Mundsaum als den ganzen Umfang der Mündung und an ihm die äußere Hälfte als Außen- lippe oder auch rechte Lippe von der inneren Hälfte oder inneren Lippe. Jn unserem Falle gehn diese Lippen ununterbrochen in einander über und durch eine Umbiegung der inneren wird eine, bei sehr vielen Gehäusen offene Vertiefung, der Nabel, bedeckt. Alle Windungen oder Umgänge, welche sich über der letzten erheben, bilden zusammen das Gewinde. Sie legen sich bei der Weinbergsschnecke so an einander, daß, wenn man das Gehäus in der Richtung von dem Scheitel nach der Mündung durchsägt, man eine wirkliche Axe oder Spindel sieht, welche zu einer eingebildeten oder mathematischen wird, falls die Umgänge sich gar nicht berühren, wie bei der Wendeltreppe. Die Weinbergsschnecke und die meisten ihrer zahlreichen Verwandten ver- schließt die Mündung ihres Gehäuses nur während des Winterschlafes mit einem Deckel. Um einen bleibenden Deckel zu sehn, müssen wir uns, wenn wir nicht am Meere wohnen, eine Sumpfschnecke (Paludina) verschaffen. Sie trägt auf dem Rücken des Fußes eine hornige Scheibe, viele andre Schnecken eine Kalkscheibe, an welcher man, wie an den Gehäusen, die Umgänge und jährlichen Ansätze bemerkt. Ueberhaupt aber ist, wie von Martens sich ausdrückt, da wo Luft und Wasser sich wechselsweise verdrängen, der Deckel das einfachste Mittel, sich vollständig in die für Flüssigkeiten undurchdringliche Schale zurückzuziehen, diese wasserdicht zu schließen und
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Allgemeines.
Mantelrande ausgeſondert werden, ſo ergiebt ſich daraus, daß verletzte Schalen zwar von innen herausgebeſſert und verſtopft, aber nie wieder vollſtändig ausgeglichen und angefüllt werden können und daß die ausgebeſſerten Stellen ungefärbt bleiben. Der Verſuch iſt leicht an einer Garten- ſchnecke zu machen, ohne daß man dem Thiere weh thut.
Der andre Weg, ſich von der thieriſchen Grundlage des Weichthiergehäuſes zu überzeugen, iſt einfacher. Man braucht nur ein Schalenſtück in eine verdünnte Säure zu legen, ſo wird der Kalk aufgelöſt und das organiſche Fachwerk bleibt zurück. Man ſieht dann, daß nicht der Kalk, ſondern die thieriſche Grundmaſſe dem Gehäuſe die Geſtalt giebt. Sind die Zellen und Häutchen, zwiſchen denen der Kalk ſich ablagert beſonders dünn, ſo bekommen die Schalen den perlenartigen, iriſirenden Glanz. „Wenn ſolche Schalen verwittern“, ſagt Gray, „ſo trennen ſie ſich in viele dünne blättrige Schuppen von perlgrauer Farbe und ſilberartigem Glanze. Die Chineſen wiſſen dieß und benützen dieſe Theilchen der zerfallenen Placunen, einer Muſchel, als Silber in ihren Waſſerfarbgemälden. Jch habe ſelbſt dieſes Silberpulver, welches Reeves mit nach England gebracht, mit gutem Erfolg zum Malen von Fiſchen angewendet. Es iſt nicht ganz ſo glänzend, wie gepulvertes Blattſilber, bietet aber den Vortheil dar, an der Luft ſich nicht zu verändern.“
Jch erſuche nun den Leſer, ein Gehäus einer unſerer größeren Schnecken, etwa der Weinbergs- ſchnecke zur Hand zu nehmen, um ſich an ihm, nicht an einer Abbildung, einige nothwendige Vorkenntniſſe zu erwerben. Stellt man dieſes Haus mit der Spitze zu ſich gewendet vor ſich hin ſo liegt der ſcharfe, gebauchte Rand der Mündung zur Rechten; hält man daſſelbe ſo vor ſich, daß die Spitze in die Höhe, die Mündung gegen das Geſicht gewendet iſt, ſo ſieht man die Umgänge von Rechts nach Links hinablaufen. Man nennt ein ſolches Gehäus rechtsgewunden. Was ein linksgewundenes iſt, folgt von ſelbſt. Die allermeiſten ſpiraligen Schneckenhäuſer ſind rechts gewunden. Es kommen aber unter manchen in der Regel rechtsgewundenen Arten auch umgekehrt gewundene Exemplare vor, und gerade unter den Weinbergsſchnecken findet man dergleichen nicht ſelten. Die Conchylienſammler fahnden natürlich auf ſolche Ausnahmen, und Johnſton erzählt in ſeiner Einleitung in die Conchyliologie eine ſehr gute hierauf bezügliche Geſchichte. Sein „Freund Pratt kannte einen franzöſiſchen Naturforſcher, der ſich bemühte, eine Brut verkehrt gewundener Schnecken zu erhalten, um ſie an Raritätenſammler mit Vortheil zu verkaufen. Er wußte ſich ein lebendes Paar zu verſchaffen und erzeugte damit eine anſehnliche Familie, deren Mitglieder von Geburt an alle verkehrt gewunden waren, alle links, Revolutio- niſten vom Ei an“.
An der uns zugekehrten Mündung unſerer Helix pomatia unterſcheiden wir nun den Mundſaum als den ganzen Umfang der Mündung und an ihm die äußere Hälfte als Außen- lippe oder auch rechte Lippe von der inneren Hälfte oder inneren Lippe. Jn unſerem Falle gehn dieſe Lippen ununterbrochen in einander über und durch eine Umbiegung der inneren wird eine, bei ſehr vielen Gehäuſen offene Vertiefung, der Nabel, bedeckt. Alle Windungen oder Umgänge, welche ſich über der letzten erheben, bilden zuſammen das Gewinde. Sie legen ſich bei der Weinbergsſchnecke ſo an einander, daß, wenn man das Gehäus in der Richtung von dem Scheitel nach der Mündung durchſägt, man eine wirkliche Axe oder Spindel ſieht, welche zu einer eingebildeten oder mathematiſchen wird, falls die Umgänge ſich gar nicht berühren, wie bei der Wendeltreppe. Die Weinbergsſchnecke und die meiſten ihrer zahlreichen Verwandten ver- ſchließt die Mündung ihres Gehäuſes nur während des Winterſchlafes mit einem Deckel. Um einen bleibenden Deckel zu ſehn, müſſen wir uns, wenn wir nicht am Meere wohnen, eine Sumpfſchnecke (Paludina) verſchaffen. Sie trägt auf dem Rücken des Fußes eine hornige Scheibe, viele andre Schnecken eine Kalkſcheibe, an welcher man, wie an den Gehäuſen, die Umgänge und jährlichen Anſätze bemerkt. Ueberhaupt aber iſt, wie von Martens ſich ausdrückt, da wo Luft und Waſſer ſich wechſelsweiſe verdrängen, der Deckel das einfachſte Mittel, ſich vollſtändig in die für Flüſſigkeiten undurchdringliche Schale zurückzuziehen, dieſe waſſerdicht zu ſchließen und
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Allgemeines.
Mantelrande ausgeſondert werden, ſo ergiebt ſich daraus, daß verletzte Schalen zwar von innen
herausgebeſſert und verſtopft, aber nie wieder vollſtändig ausgeglichen und angefüllt werden können
und daß die ausgebeſſerten Stellen ungefärbt bleiben. Der Verſuch iſt leicht an einer Garten-
ſchnecke zu machen, ohne daß man dem Thiere weh thut.
Der andre Weg, ſich von der thieriſchen Grundlage des Weichthiergehäuſes zu überzeugen,
iſt einfacher. Man braucht nur ein Schalenſtück in eine verdünnte Säure zu legen, ſo wird der
Kalk aufgelöſt und das organiſche Fachwerk bleibt zurück. Man ſieht dann, daß nicht der Kalk,
ſondern die thieriſche Grundmaſſe dem Gehäuſe die Geſtalt giebt. Sind die Zellen und Häutchen,
zwiſchen denen der Kalk ſich ablagert beſonders dünn, ſo bekommen die Schalen den perlenartigen,
iriſirenden Glanz. „Wenn ſolche Schalen verwittern“, ſagt Gray, „ſo trennen ſie ſich in viele
dünne blättrige Schuppen von perlgrauer Farbe und ſilberartigem Glanze. Die Chineſen wiſſen
dieß und benützen dieſe Theilchen der zerfallenen Placunen, einer Muſchel, als Silber in ihren
Waſſerfarbgemälden. Jch habe ſelbſt dieſes Silberpulver, welches Reeves mit nach England
gebracht, mit gutem Erfolg zum Malen von Fiſchen angewendet. Es iſt nicht ganz ſo glänzend,
wie gepulvertes Blattſilber, bietet aber den Vortheil dar, an der Luft ſich nicht zu verändern.“
Jch erſuche nun den Leſer, ein Gehäus einer unſerer größeren Schnecken, etwa der Weinbergs-
ſchnecke zur Hand zu nehmen, um ſich an ihm, nicht an einer Abbildung, einige nothwendige
Vorkenntniſſe zu erwerben. Stellt man dieſes Haus mit der Spitze zu ſich gewendet vor ſich hin
ſo liegt der ſcharfe, gebauchte Rand der Mündung zur Rechten; hält man daſſelbe ſo vor ſich,
daß die Spitze in die Höhe, die Mündung gegen das Geſicht gewendet iſt, ſo ſieht man die
Umgänge von Rechts nach Links hinablaufen. Man nennt ein ſolches Gehäus rechtsgewunden.
Was ein linksgewundenes iſt, folgt von ſelbſt. Die allermeiſten ſpiraligen Schneckenhäuſer
ſind rechts gewunden. Es kommen aber unter manchen in der Regel rechtsgewundenen Arten
auch umgekehrt gewundene Exemplare vor, und gerade unter den Weinbergsſchnecken findet man
dergleichen nicht ſelten. Die Conchylienſammler fahnden natürlich auf ſolche Ausnahmen, und
Johnſton erzählt in ſeiner Einleitung in die Conchyliologie eine ſehr gute hierauf bezügliche
Geſchichte. Sein „Freund Pratt kannte einen franzöſiſchen Naturforſcher, der ſich bemühte,
eine Brut verkehrt gewundener Schnecken zu erhalten, um ſie an Raritätenſammler mit Vortheil
zu verkaufen. Er wußte ſich ein lebendes Paar zu verſchaffen und erzeugte damit eine anſehnliche
Familie, deren Mitglieder von Geburt an alle verkehrt gewunden waren, alle links, Revolutio-
niſten vom Ei an“.
An der uns zugekehrten Mündung unſerer Helix pomatia unterſcheiden wir nun den
Mundſaum als den ganzen Umfang der Mündung und an ihm die äußere Hälfte als Außen-
lippe oder auch rechte Lippe von der inneren Hälfte oder inneren Lippe. Jn unſerem Falle
gehn dieſe Lippen ununterbrochen in einander über und durch eine Umbiegung der inneren wird
eine, bei ſehr vielen Gehäuſen offene Vertiefung, der Nabel, bedeckt. Alle Windungen oder
Umgänge, welche ſich über der letzten erheben, bilden zuſammen das Gewinde. Sie legen ſich
bei der Weinbergsſchnecke ſo an einander, daß, wenn man das Gehäus in der Richtung von dem
Scheitel nach der Mündung durchſägt, man eine wirkliche Axe oder Spindel ſieht, welche zu
einer eingebildeten oder mathematiſchen wird, falls die Umgänge ſich gar nicht berühren, wie
bei der Wendeltreppe. Die Weinbergsſchnecke und die meiſten ihrer zahlreichen Verwandten ver-
ſchließt die Mündung ihres Gehäuſes nur während des Winterſchlafes mit einem Deckel. Um
einen bleibenden Deckel zu ſehn, müſſen wir uns, wenn wir nicht am Meere wohnen, eine
Sumpfſchnecke (Paludina) verſchaffen. Sie trägt auf dem Rücken des Fußes eine hornige Scheibe,
viele andre Schnecken eine Kalkſcheibe, an welcher man, wie an den Gehäuſen, die Umgänge
und jährlichen Anſätze bemerkt. Ueberhaupt aber iſt, wie von Martens ſich ausdrückt, da wo
Luft und Waſſer ſich wechſelsweiſe verdrängen, der Deckel das einfachſte Mittel, ſich vollſtändig
in die für Flüſſigkeiten undurchdringliche Schale zurückzuziehen, dieſe waſſerdicht zu ſchließen und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/833>, abgerufen am 24.11.2024.
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