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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken.
dieselbe Weise, ob sie nun auf dem Boden des Meeres dahin kriechen, oder die steilen Fels-
gehänge erklimmen oder in ihren Höhlen zwischen Seegras und Korallen herumirren". (John-
ston.) Endlich können wir an allen unsern Land- und Wasserschnecken wahrnehmen, wie auch
der Mantel, jenes für alle Weichthiere so wichtige Organ, in dieser Klasse ein besonderes
Gepräge angenommen hat. Sei es, daß er, bei den Gehäustragenden Schnecken, vorn eine dicke
Falte bildet, welche wie ein Kragen sich über den Kopf ziehen kann, und hinten in eine Art
von Bauchsack zur Aufnahme eines großes Theiles der Eingeweide übergeht, oder sei es, daß er,
bei den meisten Nacktschnecken, von der allgemeinen Körperbedeckung sich nicht auffallend abhebt:
nie ist er auf der Bauchseite geschlossen.

Wie nun aber der Kopf und die an ihm befindlichen Theile, die Augen z. B., in gewissen
niedrigen Abtheilungen kaum als ein besonderer Körperabschnitt erkennbar sind, oder jene Theile
fehlen, so sind auch die inneren Organe in ihrer Ausbildung den größten Schwankungen unter-
worfen, wie solche weder in der höheren Klasse der Kopffüßer, noch in derjenigen der tiefer
stehenden Muscheln vorkommen. Den größten Bestand hat die Zunge und der Darmkanal,
neben dem Schlundringe und den immer sehr ausgebildeten Fortpflanzungsorganen.
Diese vielen Variationen des Baues berühren uns so weit, als an sie wesentliche, die äußere
Form betreffende Umwandlungen geknüpft sind und damit verändertes Vorkommen und Lebens-
weise in Verbindung stehen. Die meisten Zweige des Baumes der Schnecken sind dem Wasser-
leben zugewendet und wiederum der größte Theil davon dem Meere angehörig. Sie bevölkern
in ihm alle Zonen von der Fluthmarke an bis in die Tiefe und die Höhe des offenen Meeres.
Keine der Meerschnecken hat sich über die Kiemenathmung erhoben; die Luftathmer der Klasse sind
Bewohner des süßen Wassers und des Landes, und es hat sich ganz besonders in diesem starken
Aste die größte Akkommodationsfähigkeit gezeigt. Jn dieser Beziehung sind die Schnecken, wenn
man will, höher gestiegen, als die Kopffüßer, welche von der ältesten uns bekannten Zeit ihres
Auftretens bis jetzt verhältnißmäßig geringe Fortschritte ihrer Organisation gemacht haben.
Allerdings ist bei den Schnecken der wahre Fortschritt, d. h. eine der körperlichen, in der Luft-
athmung sich aussprechenden Vervollkommnung parallele geistige Entfaltung auch nicht eingetreten:
unsere Landschnecken sind auf ein Haar so beschränkt, als die dem salzigen Elemente getren
gebliebene Hauptschaar.

Was die Schnecken nützen und schaden, wie sie sich und andere Thiere befehden, alle diese
und ähnliche Dinge lassen sich besser im Einzelnen nachweisen. Zum Verständniß der Beschrei-
bungen müssen wir uns aber näher mit dem Gehäus bekannt machen. Es ist schon davon die
Rede gewesen, daß das Gehäus aller Weichthiere sich nicht mit dem lebendigen Knochen der
Wirbelthiere vergleichen lasse, sondern eine bloße Aus- und Abscheidung und damit eine todte
Masse sei. Alle Schalen sind jedoch nicht bloße unorganische Massen, sondern haben eine thierische
Grundlage, wie man auf zweierlei Weise beobachten kann. Betrachtet man in der Entwicklung
begriffene Eier Gehäustragender Schnecken oder Muscheln unter dem Mikroskope, so sieht man
die Schalen anfänglich als häntige, biegsame Ausbreitungen, welche sich mehr und mehr vom
Mantel abheben. Die oberste Schichte wird zur Oberhaut, die bei sehr vielen Schalen alsbald
wieder sich abreibt, jedoch bei einer Reihe von Schnecken und Muscheln, z. B. bei unseren Fluß-
muscheln sehr deutlich wenigstens an den Rändern der Schalen ist. Die unter dieser Oberhaut
liegende, aus Zellen bestehende Schicht erfüllt ihre blasenförmigen Theile nach und nach mit
kohlensaurem Kalk, und es folgt aus dieser Entstehungsweise von selbst, daß, nachdem die
Kalkanfüllung der Zellen vollendet, die feineren Theile der inneren Schalenschichten als pris-
matische oder rhomboidale Körperchen erscheinen. Die Oberhaut wird nur an den freien Mantel-
rändern gebildet; nachdem aber auf der übrigen Mantelfläche eine solche verkalkte Zellenschicht sich
abgestoßen, bildet sich eine neue und auf diese Weise verdickt und ergänzt sich die Schale. Da
die Farben der Conchylien nur in der äußersten Lage des Kalkes enthalten sind und von dem

Schnecken.
dieſelbe Weiſe, ob ſie nun auf dem Boden des Meeres dahin kriechen, oder die ſteilen Fels-
gehänge erklimmen oder in ihren Höhlen zwiſchen Seegras und Korallen herumirren“. (John-
ſton.) Endlich können wir an allen unſern Land- und Waſſerſchnecken wahrnehmen, wie auch
der Mantel, jenes für alle Weichthiere ſo wichtige Organ, in dieſer Klaſſe ein beſonderes
Gepräge angenommen hat. Sei es, daß er, bei den Gehäustragenden Schnecken, vorn eine dicke
Falte bildet, welche wie ein Kragen ſich über den Kopf ziehen kann, und hinten in eine Art
von Bauchſack zur Aufnahme eines großes Theiles der Eingeweide übergeht, oder ſei es, daß er,
bei den meiſten Nacktſchnecken, von der allgemeinen Körperbedeckung ſich nicht auffallend abhebt:
nie iſt er auf der Bauchſeite geſchloſſen.

Wie nun aber der Kopf und die an ihm befindlichen Theile, die Augen z. B., in gewiſſen
niedrigen Abtheilungen kaum als ein beſonderer Körperabſchnitt erkennbar ſind, oder jene Theile
fehlen, ſo ſind auch die inneren Organe in ihrer Ausbildung den größten Schwankungen unter-
worfen, wie ſolche weder in der höheren Klaſſe der Kopffüßer, noch in derjenigen der tiefer
ſtehenden Muſcheln vorkommen. Den größten Beſtand hat die Zunge und der Darmkanal,
neben dem Schlundringe und den immer ſehr ausgebildeten Fortpflanzungsorganen.
Dieſe vielen Variationen des Baues berühren uns ſo weit, als an ſie weſentliche, die äußere
Form betreffende Umwandlungen geknüpft ſind und damit verändertes Vorkommen und Lebens-
weiſe in Verbindung ſtehen. Die meiſten Zweige des Baumes der Schnecken ſind dem Waſſer-
leben zugewendet und wiederum der größte Theil davon dem Meere angehörig. Sie bevölkern
in ihm alle Zonen von der Fluthmarke an bis in die Tiefe und die Höhe des offenen Meeres.
Keine der Meerſchnecken hat ſich über die Kiemenathmung erhoben; die Luftathmer der Klaſſe ſind
Bewohner des ſüßen Waſſers und des Landes, und es hat ſich ganz beſonders in dieſem ſtarken
Aſte die größte Akkommodationsfähigkeit gezeigt. Jn dieſer Beziehung ſind die Schnecken, wenn
man will, höher geſtiegen, als die Kopffüßer, welche von der älteſten uns bekannten Zeit ihres
Auftretens bis jetzt verhältnißmäßig geringe Fortſchritte ihrer Organiſation gemacht haben.
Allerdings iſt bei den Schnecken der wahre Fortſchritt, d. h. eine der körperlichen, in der Luft-
athmung ſich ausſprechenden Vervollkommnung parallele geiſtige Entfaltung auch nicht eingetreten:
unſere Landſchnecken ſind auf ein Haar ſo beſchränkt, als die dem ſalzigen Elemente getren
gebliebene Hauptſchaar.

Was die Schnecken nützen und ſchaden, wie ſie ſich und andere Thiere befehden, alle dieſe
und ähnliche Dinge laſſen ſich beſſer im Einzelnen nachweiſen. Zum Verſtändniß der Beſchrei-
bungen müſſen wir uns aber näher mit dem Gehäus bekannt machen. Es iſt ſchon davon die
Rede geweſen, daß das Gehäus aller Weichthiere ſich nicht mit dem lebendigen Knochen der
Wirbelthiere vergleichen laſſe, ſondern eine bloße Aus- und Abſcheidung und damit eine todte
Maſſe ſei. Alle Schalen ſind jedoch nicht bloße unorganiſche Maſſen, ſondern haben eine thieriſche
Grundlage, wie man auf zweierlei Weiſe beobachten kann. Betrachtet man in der Entwicklung
begriffene Eier Gehäustragender Schnecken oder Muſcheln unter dem Mikroſkope, ſo ſieht man
die Schalen anfänglich als häntige, biegſame Ausbreitungen, welche ſich mehr und mehr vom
Mantel abheben. Die oberſte Schichte wird zur Oberhaut, die bei ſehr vielen Schalen alsbald
wieder ſich abreibt, jedoch bei einer Reihe von Schnecken und Muſcheln, z. B. bei unſeren Fluß-
muſcheln ſehr deutlich wenigſtens an den Rändern der Schalen iſt. Die unter dieſer Oberhaut
liegende, aus Zellen beſtehende Schicht erfüllt ihre blaſenförmigen Theile nach und nach mit
kohlenſaurem Kalk, und es folgt aus dieſer Entſtehungsweiſe von ſelbſt, daß, nachdem die
Kalkanfüllung der Zellen vollendet, die feineren Theile der inneren Schalenſchichten als pris-
matiſche oder rhomboidale Körperchen erſcheinen. Die Oberhaut wird nur an den freien Mantel-
rändern gebildet; nachdem aber auf der übrigen Mantelfläche eine ſolche verkalkte Zellenſchicht ſich
abgeſtoßen, bildet ſich eine neue und auf dieſe Weiſe verdickt und ergänzt ſich die Schale. Da
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[786/0832] Schnecken. dieſelbe Weiſe, ob ſie nun auf dem Boden des Meeres dahin kriechen, oder die ſteilen Fels- gehänge erklimmen oder in ihren Höhlen zwiſchen Seegras und Korallen herumirren“. (John- ſton.) Endlich können wir an allen unſern Land- und Waſſerſchnecken wahrnehmen, wie auch der Mantel, jenes für alle Weichthiere ſo wichtige Organ, in dieſer Klaſſe ein beſonderes Gepräge angenommen hat. Sei es, daß er, bei den Gehäustragenden Schnecken, vorn eine dicke Falte bildet, welche wie ein Kragen ſich über den Kopf ziehen kann, und hinten in eine Art von Bauchſack zur Aufnahme eines großes Theiles der Eingeweide übergeht, oder ſei es, daß er, bei den meiſten Nacktſchnecken, von der allgemeinen Körperbedeckung ſich nicht auffallend abhebt: nie iſt er auf der Bauchſeite geſchloſſen. Wie nun aber der Kopf und die an ihm befindlichen Theile, die Augen z. B., in gewiſſen niedrigen Abtheilungen kaum als ein beſonderer Körperabſchnitt erkennbar ſind, oder jene Theile fehlen, ſo ſind auch die inneren Organe in ihrer Ausbildung den größten Schwankungen unter- worfen, wie ſolche weder in der höheren Klaſſe der Kopffüßer, noch in derjenigen der tiefer ſtehenden Muſcheln vorkommen. Den größten Beſtand hat die Zunge und der Darmkanal, neben dem Schlundringe und den immer ſehr ausgebildeten Fortpflanzungsorganen. Dieſe vielen Variationen des Baues berühren uns ſo weit, als an ſie weſentliche, die äußere Form betreffende Umwandlungen geknüpft ſind und damit verändertes Vorkommen und Lebens- weiſe in Verbindung ſtehen. Die meiſten Zweige des Baumes der Schnecken ſind dem Waſſer- leben zugewendet und wiederum der größte Theil davon dem Meere angehörig. Sie bevölkern in ihm alle Zonen von der Fluthmarke an bis in die Tiefe und die Höhe des offenen Meeres. Keine der Meerſchnecken hat ſich über die Kiemenathmung erhoben; die Luftathmer der Klaſſe ſind Bewohner des ſüßen Waſſers und des Landes, und es hat ſich ganz beſonders in dieſem ſtarken Aſte die größte Akkommodationsfähigkeit gezeigt. Jn dieſer Beziehung ſind die Schnecken, wenn man will, höher geſtiegen, als die Kopffüßer, welche von der älteſten uns bekannten Zeit ihres Auftretens bis jetzt verhältnißmäßig geringe Fortſchritte ihrer Organiſation gemacht haben. Allerdings iſt bei den Schnecken der wahre Fortſchritt, d. h. eine der körperlichen, in der Luft- athmung ſich ausſprechenden Vervollkommnung parallele geiſtige Entfaltung auch nicht eingetreten: unſere Landſchnecken ſind auf ein Haar ſo beſchränkt, als die dem ſalzigen Elemente getren gebliebene Hauptſchaar. Was die Schnecken nützen und ſchaden, wie ſie ſich und andere Thiere befehden, alle dieſe und ähnliche Dinge laſſen ſich beſſer im Einzelnen nachweiſen. Zum Verſtändniß der Beſchrei- bungen müſſen wir uns aber näher mit dem Gehäus bekannt machen. Es iſt ſchon davon die Rede geweſen, daß das Gehäus aller Weichthiere ſich nicht mit dem lebendigen Knochen der Wirbelthiere vergleichen laſſe, ſondern eine bloße Aus- und Abſcheidung und damit eine todte Maſſe ſei. Alle Schalen ſind jedoch nicht bloße unorganiſche Maſſen, ſondern haben eine thieriſche Grundlage, wie man auf zweierlei Weiſe beobachten kann. Betrachtet man in der Entwicklung begriffene Eier Gehäustragender Schnecken oder Muſcheln unter dem Mikroſkope, ſo ſieht man die Schalen anfänglich als häntige, biegſame Ausbreitungen, welche ſich mehr und mehr vom Mantel abheben. Die oberſte Schichte wird zur Oberhaut, die bei ſehr vielen Schalen alsbald wieder ſich abreibt, jedoch bei einer Reihe von Schnecken und Muſcheln, z. B. bei unſeren Fluß- muſcheln ſehr deutlich wenigſtens an den Rändern der Schalen iſt. Die unter dieſer Oberhaut liegende, aus Zellen beſtehende Schicht erfüllt ihre blaſenförmigen Theile nach und nach mit kohlenſaurem Kalk, und es folgt aus dieſer Entſtehungsweiſe von ſelbſt, daß, nachdem die Kalkanfüllung der Zellen vollendet, die feineren Theile der inneren Schalenſchichten als pris- matiſche oder rhomboidale Körperchen erſcheinen. Die Oberhaut wird nur an den freien Mantel- rändern gebildet; nachdem aber auf der übrigen Mantelfläche eine ſolche verkalkte Zellenſchicht ſich abgeſtoßen, bildet ſich eine neue und auf dieſe Weiſe verdickt und ergänzt ſich die Schale. Da die Farben der Conchylien nur in der äußerſten Lage des Kalkes enthalten ſind und von dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/832>, abgerufen am 11.06.2024.