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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Fadenwürmer. Trichotracheliden. Saitenwürmer.
hauptsächlich an dem eigentlichen Fleischstoff und zwar wesentlich an den Körnchen, Primitivfibrillen
und Scheiben kund. Diese verschwinden im größten Theile der Faser mehr und mehr, und die
letztere magert in dem Verhältniß dieses Schwindens ab. Die reizende Wirkung hingegen tritt
am meisten an der Hülle und an den Muskelkörperchen hervor, am stärksten an der Stelle, wo das
Thier dauernd liegen bleibt. Die Hülle verdickt sich hier allmälig, die Kerne der Muskelkörperchen
vermehren sich, die Körperchen selbst vergrößern sich, zwischen ihnen lagert sich eine derbere Sub-
stanz ab, und so entsteht nach und nach um das Thier herum eine festere und dichtere Masse,
an welcher man noch lange die äußere Hülle und die innere Wucherung unterscheiden kann."

"Je größer das Thier wird, um so mehr rollt es sich ein, indem es Kopf- und Schwanzende
einkrümmt und wie eine Uhrfeder spiralförmig zusammengewickelt liegt. Diese Vorgänge bilden
sich hauptsächlich in der 3. bis 5. Woche nach der Einwanderung aus. Von da an nimmt die
Dicke der Kapsel mehr und mehr zu, und zwar verdichtet sich insbesondere der Jnhalt, weniger
die Hülle. Der mittlere Theil der Kapsel, wo eben das aufgerollte Thier liegt, erscheint bei

[Abbildung] Trichinenkapsel. Vergrößert.
mäßiger Vergrößerung wie eine helle, kugelige oder eiförmige
Masse, in welcher man das Thier deutlich wahrnimmt.
Ueber und unter dieser Stelle finden sich in der Regel
zwei Anhänge, welche bei durchfallendem Lichte dunkler, bei
auffallendem Lichte weißlich erscheinen und sich allmälig ver-
dünnen, um in einiger Entfernung mit einem abgerundeten
oder abgestumpften Ende aufzuhören. Häufig haben sie die
größte Aehnlichkeit in der Form mit dem Ausschnitt des inneren
Augenwinkels. Sie sind von sehr verschiedener Länge und auch an derselben Kapfel nicht selten
ungleich. Zuweilen fehlen sie ganz und die Kapsel bildet ein einfaches Oval, oder sie ist an den Enden
abgestumpft oder selbst eingedrückt. Diejenigen Theile der früheren Muskelfaser, welche über sie
hinaus liegen, verkümmern inzwischen, dagegen sieht man in dem umliegenden Bindegewebe
manchmal eine starke, wie entzündliche Wucherung, selbst mit Entwicklung neuer Gefäße."

"Ueber diesen Umwandlungen vergehen Monate, und bei noch längerer Zeit nach der Ein-
wanderung geschehen weitere Veränderungen an den Kapseln. Die gewöhnlichste ist, daß sich
Kalksalze ablagern, oder, wie man wohl sagt, daß die Kapseln verkreiden. -- Nimmt die
Kalkmasse sehr zu, so überzieht sie endlich das ganze Thier, und man kann auch unter dem Mikroskop
von demselben nichts mehr wahrnehmen, selbst wenn es ganz unversehrt ist. Es steckt dann in
einer Kalkschale, wie ein Vogelei."

Wie lange die Trichine in diesem vollkommensten Zustande der Einkapselung verharren kaun,
ohne die Fähigkeit zu verlieren, in einen passenden Darmkanal versetzt, sich fortzupflanzen, ist ungewiß.
Jedenfalls Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Menschen und Thiere, welche die stürmische und schmerzhafte
Krankheit, von der eine massenhafte Einwanderung von Trichinen begleitet ist, überstanden haben
und bei denen die zerstörten Muskelfasern durch Neubildungen ersetzt sind, haben von den von
ihnen beherbergten Gästen keine weiteren Unbilden zu erdulden. Ein höchst interessanter, hierher
gehöriger Fall ist der folgende. Jm Jahre 1845 frühstückten nach einer Schulvisitation in einer
Provinzialstadt Sachsens die sieben dabei betheiligten Personen in einem Gasthause. Wurst,
Schinken, Weiß- und Rothwein u. s. w. waren aufgetischt. Alle sieben erkrankten sehr heftig,
vier starben, und da einer achten Person, welche nur ein Glas Rothwein getrunken, nichts zugestoßen
war, glaubte man an eine Vergiftung durch den anderen Wein. Es kam nichts heraus, doch war
der Verdacht gegen den Wirth so groß, daß derselbe sich zur Auswanderung genöthigt sah. Als
einer der Genesenen 1863 sich eine Geschwulst am Halse operiren ließ, erkannte Professor Langen-
beck
in dem bloß liegenden Muskel eine Masse eingekapselter Trichinen, und die Krankheits-
erscheinungen bei der vermeintlichen Vergiftung lassen kaum eine andere Deutung als auf Trichinose
(die Trichinenkrankheit) zu.

Fadenwürmer. Trichotracheliden. Saitenwürmer.
hauptſächlich an dem eigentlichen Fleiſchſtoff und zwar weſentlich an den Körnchen, Primitivfibrillen
und Scheiben kund. Dieſe verſchwinden im größten Theile der Faſer mehr und mehr, und die
letztere magert in dem Verhältniß dieſes Schwindens ab. Die reizende Wirkung hingegen tritt
am meiſten an der Hülle und an den Muskelkörperchen hervor, am ſtärkſten an der Stelle, wo das
Thier dauernd liegen bleibt. Die Hülle verdickt ſich hier allmälig, die Kerne der Muskelkörperchen
vermehren ſich, die Körperchen ſelbſt vergrößern ſich, zwiſchen ihnen lagert ſich eine derbere Sub-
ſtanz ab, und ſo entſteht nach und nach um das Thier herum eine feſtere und dichtere Maſſe,
an welcher man noch lange die äußere Hülle und die innere Wucherung unterſcheiden kann.“

„Je größer das Thier wird, um ſo mehr rollt es ſich ein, indem es Kopf- und Schwanzende
einkrümmt und wie eine Uhrfeder ſpiralförmig zuſammengewickelt liegt. Dieſe Vorgänge bilden
ſich hauptſächlich in der 3. bis 5. Woche nach der Einwanderung aus. Von da an nimmt die
Dicke der Kapſel mehr und mehr zu, und zwar verdichtet ſich insbeſondere der Jnhalt, weniger
die Hülle. Der mittlere Theil der Kapſel, wo eben das aufgerollte Thier liegt, erſcheint bei

[Abbildung] Trichinenkapſel. Vergrößert.
mäßiger Vergrößerung wie eine helle, kugelige oder eiförmige
Maſſe, in welcher man das Thier deutlich wahrnimmt.
Ueber und unter dieſer Stelle finden ſich in der Regel
zwei Anhänge, welche bei durchfallendem Lichte dunkler, bei
auffallendem Lichte weißlich erſcheinen und ſich allmälig ver-
dünnen, um in einiger Entfernung mit einem abgerundeten
oder abgeſtumpften Ende aufzuhören. Häufig haben ſie die
größte Aehnlichkeit in der Form mit dem Ausſchnitt des inneren
Augenwinkels. Sie ſind von ſehr verſchiedener Länge und auch an derſelben Kapfel nicht ſelten
ungleich. Zuweilen fehlen ſie ganz und die Kapſel bildet ein einfaches Oval, oder ſie iſt an den Enden
abgeſtumpft oder ſelbſt eingedrückt. Diejenigen Theile der früheren Muskelfaſer, welche über ſie
hinaus liegen, verkümmern inzwiſchen, dagegen ſieht man in dem umliegenden Bindegewebe
manchmal eine ſtarke, wie entzündliche Wucherung, ſelbſt mit Entwicklung neuer Gefäße.“

„Ueber dieſen Umwandlungen vergehen Monate, und bei noch längerer Zeit nach der Ein-
wanderung geſchehen weitere Veränderungen an den Kapſeln. Die gewöhnlichſte iſt, daß ſich
Kalkſalze ablagern, oder, wie man wohl ſagt, daß die Kapſeln verkreiden. — Nimmt die
Kalkmaſſe ſehr zu, ſo überzieht ſie endlich das ganze Thier, und man kann auch unter dem Mikroſkop
von demſelben nichts mehr wahrnehmen, ſelbſt wenn es ganz unverſehrt iſt. Es ſteckt dann in
einer Kalkſchale, wie ein Vogelei.“

Wie lange die Trichine in dieſem vollkommenſten Zuſtande der Einkapſelung verharren kaun,
ohne die Fähigkeit zu verlieren, in einen paſſenden Darmkanal verſetzt, ſich fortzupflanzen, iſt ungewiß.
Jedenfalls Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Menſchen und Thiere, welche die ſtürmiſche und ſchmerzhafte
Krankheit, von der eine maſſenhafte Einwanderung von Trichinen begleitet iſt, überſtanden haben
und bei denen die zerſtörten Muskelfaſern durch Neubildungen erſetzt ſind, haben von den von
ihnen beherbergten Gäſten keine weiteren Unbilden zu erdulden. Ein höchſt intereſſanter, hierher
gehöriger Fall iſt der folgende. Jm Jahre 1845 frühſtückten nach einer Schulviſitation in einer
Provinzialſtadt Sachſens die ſieben dabei betheiligten Perſonen in einem Gaſthauſe. Wurſt,
Schinken, Weiß- und Rothwein u. ſ. w. waren aufgetiſcht. Alle ſieben erkrankten ſehr heftig,
vier ſtarben, und da einer achten Perſon, welche nur ein Glas Rothwein getrunken, nichts zugeſtoßen
war, glaubte man an eine Vergiftung durch den anderen Wein. Es kam nichts heraus, doch war
der Verdacht gegen den Wirth ſo groß, daß derſelbe ſich zur Auswanderung genöthigt ſah. Als
einer der Geneſenen 1863 ſich eine Geſchwulſt am Halſe operiren ließ, erkannte Profeſſor Langen-
beck
in dem bloß liegenden Muskel eine Maſſe eingekapſelter Trichinen, und die Krankheits-
erſcheinungen bei der vermeintlichen Vergiftung laſſen kaum eine andere Deutung als auf Trichinoſe
(die Trichinenkrankheit) zu.

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[722/0766] Fadenwürmer. Trichotracheliden. Saitenwürmer. hauptſächlich an dem eigentlichen Fleiſchſtoff und zwar weſentlich an den Körnchen, Primitivfibrillen und Scheiben kund. Dieſe verſchwinden im größten Theile der Faſer mehr und mehr, und die letztere magert in dem Verhältniß dieſes Schwindens ab. Die reizende Wirkung hingegen tritt am meiſten an der Hülle und an den Muskelkörperchen hervor, am ſtärkſten an der Stelle, wo das Thier dauernd liegen bleibt. Die Hülle verdickt ſich hier allmälig, die Kerne der Muskelkörperchen vermehren ſich, die Körperchen ſelbſt vergrößern ſich, zwiſchen ihnen lagert ſich eine derbere Sub- ſtanz ab, und ſo entſteht nach und nach um das Thier herum eine feſtere und dichtere Maſſe, an welcher man noch lange die äußere Hülle und die innere Wucherung unterſcheiden kann.“ „Je größer das Thier wird, um ſo mehr rollt es ſich ein, indem es Kopf- und Schwanzende einkrümmt und wie eine Uhrfeder ſpiralförmig zuſammengewickelt liegt. Dieſe Vorgänge bilden ſich hauptſächlich in der 3. bis 5. Woche nach der Einwanderung aus. Von da an nimmt die Dicke der Kapſel mehr und mehr zu, und zwar verdichtet ſich insbeſondere der Jnhalt, weniger die Hülle. Der mittlere Theil der Kapſel, wo eben das aufgerollte Thier liegt, erſcheint bei [Abbildung Trichinenkapſel. Vergrößert.] mäßiger Vergrößerung wie eine helle, kugelige oder eiförmige Maſſe, in welcher man das Thier deutlich wahrnimmt. Ueber und unter dieſer Stelle finden ſich in der Regel zwei Anhänge, welche bei durchfallendem Lichte dunkler, bei auffallendem Lichte weißlich erſcheinen und ſich allmälig ver- dünnen, um in einiger Entfernung mit einem abgerundeten oder abgeſtumpften Ende aufzuhören. Häufig haben ſie die größte Aehnlichkeit in der Form mit dem Ausſchnitt des inneren Augenwinkels. Sie ſind von ſehr verſchiedener Länge und auch an derſelben Kapfel nicht ſelten ungleich. Zuweilen fehlen ſie ganz und die Kapſel bildet ein einfaches Oval, oder ſie iſt an den Enden abgeſtumpft oder ſelbſt eingedrückt. Diejenigen Theile der früheren Muskelfaſer, welche über ſie hinaus liegen, verkümmern inzwiſchen, dagegen ſieht man in dem umliegenden Bindegewebe manchmal eine ſtarke, wie entzündliche Wucherung, ſelbſt mit Entwicklung neuer Gefäße.“ „Ueber dieſen Umwandlungen vergehen Monate, und bei noch längerer Zeit nach der Ein- wanderung geſchehen weitere Veränderungen an den Kapſeln. Die gewöhnlichſte iſt, daß ſich Kalkſalze ablagern, oder, wie man wohl ſagt, daß die Kapſeln verkreiden. — Nimmt die Kalkmaſſe ſehr zu, ſo überzieht ſie endlich das ganze Thier, und man kann auch unter dem Mikroſkop von demſelben nichts mehr wahrnehmen, ſelbſt wenn es ganz unverſehrt iſt. Es ſteckt dann in einer Kalkſchale, wie ein Vogelei.“ Wie lange die Trichine in dieſem vollkommenſten Zuſtande der Einkapſelung verharren kaun, ohne die Fähigkeit zu verlieren, in einen paſſenden Darmkanal verſetzt, ſich fortzupflanzen, iſt ungewiß. Jedenfalls Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Menſchen und Thiere, welche die ſtürmiſche und ſchmerzhafte Krankheit, von der eine maſſenhafte Einwanderung von Trichinen begleitet iſt, überſtanden haben und bei denen die zerſtörten Muskelfaſern durch Neubildungen erſetzt ſind, haben von den von ihnen beherbergten Gäſten keine weiteren Unbilden zu erdulden. Ein höchſt intereſſanter, hierher gehöriger Fall iſt der folgende. Jm Jahre 1845 frühſtückten nach einer Schulviſitation in einer Provinzialſtadt Sachſens die ſieben dabei betheiligten Perſonen in einem Gaſthauſe. Wurſt, Schinken, Weiß- und Rothwein u. ſ. w. waren aufgetiſcht. Alle ſieben erkrankten ſehr heftig, vier ſtarben, und da einer achten Perſon, welche nur ein Glas Rothwein getrunken, nichts zugeſtoßen war, glaubte man an eine Vergiftung durch den anderen Wein. Es kam nichts heraus, doch war der Verdacht gegen den Wirth ſo groß, daß derſelbe ſich zur Auswanderung genöthigt ſah. Als einer der Geneſenen 1863 ſich eine Geſchwulſt am Halſe operiren ließ, erkannte Profeſſor Langen- beck in dem bloß liegenden Muskel eine Maſſe eingekapſelter Trichinen, und die Krankheits- erſcheinungen bei der vermeintlichen Vergiftung laſſen kaum eine andere Deutung als auf Trichinoſe (die Trichinenkrankheit) zu.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/766>, abgerufen am 24.11.2024.