Wer sich mit der Gliederung der Zehnfüßer und der Jnsekten vertraut gemacht, wird mit Jnteresse auch die neue Erscheinung mit dem schon Bekannten vergleichen. Von den drei Brust- ringen des Jnsektes ist der vordere (man sehe S. 8 d. Bds.) hier vollständig im Kopf aufge- gangen, welcher letztere zwei sitzende, d. h. nicht gestielte, sacettirte Augen, zwei Paar Fühler und außer den drei Kieferpaaren ein Kieferfußpaar trägt. Die beiden freien Brust- ringe sind so gebaut, wie die fünf Abschnitte des Leibes, und dem entsprechend sind sieben Paar Beine für die Ortsbewegung vorhanden. Sieben Segmente bilden auch den meist nicht merklich abgesetzten Nachleib oder Postabdomen; alle, mit Ausnahme des letzten, tragen ebenfalls Beine, von denen jedoch die drei ersten Paare sich in Form und Benutzung von den drei letzten unterscheiden. Durch jene wird nämlich den Athmungsorganen, welche in Blattform an den Beinen der vorderen Leibesabschnitte angebracht sind, ununterbrochen Wasser zugespielt, eine Thätigkeit, die man leicht an den sonst ruhig liegenden Thieren beobachten kann. Jhr Athem- bedürfniß ist sehr groß, indem sie leicht in Gefäßen absterben, wo nicht durch Vegetation für Reinigung des Wassers gesorgt ist. Jn flachen Gefäßen oder in Aquarien mit flachem Rande
[Abbildung]
Der gemeine Flohkrebs (Gammarus pulex).
gehalten, sammeln sie sich bald in der seichten Wasser- schichte, wo durch ihre Be- wegungen die Luftabsorp- tion gefördert wird.
Die größten Amphi- poden werden etwa einen Zoll lang, die meisten er- reichen kaum einen halben Zoll, und viele bleiben darunter. Nur eine sehr geringe Zahl lebt im süßen Wasser. Die außerordent- lich zahlreichen Bewohner des Meeres halten sich theils an den Küsten auf, bekannt unter dem Namen der Sandhüpfer, theils begeben sie sich auf das hohe Meer hinaus. Noch andere bauen sich Gehäuse aus Pflanzentheilen oder graben Röhren im Schlamm und Sand. Aus den Forschungen des dänischen Zoologen Kröyer ist bekannt geworden, daß, abweichend von der Verbreitung der meisten anderen Thiere, gerade die hochnordischen Meere sehr zahlreiche Arten beherbergen, meist in einer ganz erstaunlichen Masse von Jndividuen. Jndem sie nun vorzugs- weise von thierischen, in Zersetzung übergehenden Stoffen leben, werden sie als Aasvertilger von höchstem Nutzen. Die Aeser großer Delphine und Wale, welche, der allmäligen Fäulniß über- lassen, das Wasser im weiten Umkreis verpesten und damit einer Menge Thierbrut den Untergang bereiten würden, werden in kurzer Zeit von den Millionen sich einstellender Flohkrebse rein skelettirt. Sie versehen also als die Organe der Natur-Gesundheitspolizei dieselben Dienste, welche in den Tropengegenden von den Aasgeiern mit so großem Vergnügen übernommen werden, verarbeiten aber jedenfalls eine weit größere Masse schädlicher Stoffe als letztere.
Der oben abgebildete Flohkrebs ist ein Repräsentant der Familie der Flohkrebse i. e. Sinne (Gammarina), bei welchen die beiden vorderen der oben erwähnten sieben Paar Beine des Kopf- brust-Abschnittes durch die zurückgeschlagene Klaue Greifbeine sind. Alle, welche springen können, haben einen zusammengedrückten Körper, und ihre hinteren Afterfußpaare, welche die Sprung- bewegung vermitteln, sind griffelförmig. So leicht man sich den gemeinen Flohkrebs verschaffen kann, so schnell ist man mit der Beobachtung seiner hervorstechenden Eigenschaften fertig. Er
Flohkrebſe. Kehlfüßer.
Wer ſich mit der Gliederung der Zehnfüßer und der Jnſekten vertraut gemacht, wird mit Jntereſſe auch die neue Erſcheinung mit dem ſchon Bekannten vergleichen. Von den drei Bruſt- ringen des Jnſektes iſt der vordere (man ſehe S. 8 d. Bds.) hier vollſtändig im Kopf aufge- gangen, welcher letztere zwei ſitzende, d. h. nicht geſtielte, ſacettirte Augen, zwei Paar Fühler und außer den drei Kieferpaaren ein Kieferfußpaar trägt. Die beiden freien Bruſt- ringe ſind ſo gebaut, wie die fünf Abſchnitte des Leibes, und dem entſprechend ſind ſieben Paar Beine für die Ortsbewegung vorhanden. Sieben Segmente bilden auch den meiſt nicht merklich abgeſetzten Nachleib oder Poſtabdomen; alle, mit Ausnahme des letzten, tragen ebenfalls Beine, von denen jedoch die drei erſten Paare ſich in Form und Benutzung von den drei letzten unterſcheiden. Durch jene wird nämlich den Athmungsorganen, welche in Blattform an den Beinen der vorderen Leibesabſchnitte angebracht ſind, ununterbrochen Waſſer zugeſpielt, eine Thätigkeit, die man leicht an den ſonſt ruhig liegenden Thieren beobachten kann. Jhr Athem- bedürfniß iſt ſehr groß, indem ſie leicht in Gefäßen abſterben, wo nicht durch Vegetation für Reinigung des Waſſers geſorgt iſt. Jn flachen Gefäßen oder in Aquarien mit flachem Rande
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Der gemeine Flohkrebs (Gammarus pulex).
gehalten, ſammeln ſie ſich bald in der ſeichten Waſſer- ſchichte, wo durch ihre Be- wegungen die Luftabſorp- tion gefördert wird.
Die größten Amphi- poden werden etwa einen Zoll lang, die meiſten er- reichen kaum einen halben Zoll, und viele bleiben darunter. Nur eine ſehr geringe Zahl lebt im ſüßen Waſſer. Die außerordent- lich zahlreichen Bewohner des Meeres halten ſich theils an den Küſten auf, bekannt unter dem Namen der Sandhüpfer, theils begeben ſie ſich auf das hohe Meer hinaus. Noch andere bauen ſich Gehäuſe aus Pflanzentheilen oder graben Röhren im Schlamm und Sand. Aus den Forſchungen des däniſchen Zoologen Kröyer iſt bekannt geworden, daß, abweichend von der Verbreitung der meiſten anderen Thiere, gerade die hochnordiſchen Meere ſehr zahlreiche Arten beherbergen, meiſt in einer ganz erſtaunlichen Maſſe von Jndividuen. Jndem ſie nun vorzugs- weiſe von thieriſchen, in Zerſetzung übergehenden Stoffen leben, werden ſie als Aasvertilger von höchſtem Nutzen. Die Aeſer großer Delphine und Wale, welche, der allmäligen Fäulniß über- laſſen, das Waſſer im weiten Umkreis verpeſten und damit einer Menge Thierbrut den Untergang bereiten würden, werden in kurzer Zeit von den Millionen ſich einſtellender Flohkrebſe rein ſkelettirt. Sie verſehen alſo als die Organe der Natur-Geſundheitspolizei dieſelben Dienſte, welche in den Tropengegenden von den Aasgeiern mit ſo großem Vergnügen übernommen werden, verarbeiten aber jedenfalls eine weit größere Maſſe ſchädlicher Stoffe als letztere.
Der oben abgebildete Flohkrebs iſt ein Repräſentant der Familie der Flohkrebſe i. e. Sinne (Gammarina), bei welchen die beiden vorderen der oben erwähnten ſieben Paar Beine des Kopf- bruſt-Abſchnittes durch die zurückgeſchlagene Klaue Greifbeine ſind. Alle, welche ſpringen können, haben einen zuſammengedrückten Körper, und ihre hinteren Afterfußpaare, welche die Sprung- bewegung vermitteln, ſind griffelförmig. So leicht man ſich den gemeinen Flohkrebs verſchaffen kann, ſo ſchnell iſt man mit der Beobachtung ſeiner hervorſtechenden Eigenſchaften fertig. Er
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[650/0694]
Flohkrebſe. Kehlfüßer.
Wer ſich mit der Gliederung der Zehnfüßer und der Jnſekten vertraut gemacht, wird mit
Jntereſſe auch die neue Erſcheinung mit dem ſchon Bekannten vergleichen. Von den drei Bruſt-
ringen des Jnſektes iſt der vordere (man ſehe S. 8 d. Bds.) hier vollſtändig im Kopf aufge-
gangen, welcher letztere zwei ſitzende, d. h. nicht geſtielte, ſacettirte Augen, zwei Paar Fühler
und außer den drei Kieferpaaren ein Kieferfußpaar trägt. Die beiden freien Bruſt-
ringe ſind ſo gebaut, wie die fünf Abſchnitte des Leibes, und dem entſprechend ſind ſieben
Paar Beine für die Ortsbewegung vorhanden. Sieben Segmente bilden auch den meiſt nicht
merklich abgeſetzten Nachleib oder Poſtabdomen; alle, mit Ausnahme des letzten, tragen ebenfalls
Beine, von denen jedoch die drei erſten Paare ſich in Form und Benutzung von den drei letzten
unterſcheiden. Durch jene wird nämlich den Athmungsorganen, welche in Blattform an den
Beinen der vorderen Leibesabſchnitte angebracht ſind, ununterbrochen Waſſer zugeſpielt, eine
Thätigkeit, die man leicht an den ſonſt ruhig liegenden Thieren beobachten kann. Jhr Athem-
bedürfniß iſt ſehr groß, indem ſie leicht in Gefäßen abſterben, wo nicht durch Vegetation für
Reinigung des Waſſers geſorgt iſt. Jn flachen Gefäßen oder in Aquarien mit flachem Rande
[Abbildung Der gemeine Flohkrebs (Gammarus pulex).]
gehalten, ſammeln ſie ſich
bald in der ſeichten Waſſer-
ſchichte, wo durch ihre Be-
wegungen die Luftabſorp-
tion gefördert wird.
Die größten Amphi-
poden werden etwa einen
Zoll lang, die meiſten er-
reichen kaum einen halben
Zoll, und viele bleiben
darunter. Nur eine ſehr
geringe Zahl lebt im ſüßen
Waſſer. Die außerordent-
lich zahlreichen Bewohner
des Meeres halten ſich
theils an den Küſten auf,
bekannt unter dem Namen der Sandhüpfer, theils begeben ſie ſich auf das hohe Meer hinaus.
Noch andere bauen ſich Gehäuſe aus Pflanzentheilen oder graben Röhren im Schlamm und Sand.
Aus den Forſchungen des däniſchen Zoologen Kröyer iſt bekannt geworden, daß, abweichend von
der Verbreitung der meiſten anderen Thiere, gerade die hochnordiſchen Meere ſehr zahlreiche Arten
beherbergen, meiſt in einer ganz erſtaunlichen Maſſe von Jndividuen. Jndem ſie nun vorzugs-
weiſe von thieriſchen, in Zerſetzung übergehenden Stoffen leben, werden ſie als Aasvertilger von
höchſtem Nutzen. Die Aeſer großer Delphine und Wale, welche, der allmäligen Fäulniß über-
laſſen, das Waſſer im weiten Umkreis verpeſten und damit einer Menge Thierbrut den Untergang
bereiten würden, werden in kurzer Zeit von den Millionen ſich einſtellender Flohkrebſe rein ſkelettirt.
Sie verſehen alſo als die Organe der Natur-Geſundheitspolizei dieſelben Dienſte, welche in den
Tropengegenden von den Aasgeiern mit ſo großem Vergnügen übernommen werden, verarbeiten
aber jedenfalls eine weit größere Maſſe ſchädlicher Stoffe als letztere.
Der oben abgebildete Flohkrebs iſt ein Repräſentant der Familie der Flohkrebſe i. e. Sinne
(Gammarina), bei welchen die beiden vorderen der oben erwähnten ſieben Paar Beine des Kopf-
bruſt-Abſchnittes durch die zurückgeſchlagene Klaue Greifbeine ſind. Alle, welche ſpringen können,
haben einen zuſammengedrückten Körper, und ihre hinteren Afterfußpaare, welche die Sprung-
bewegung vermitteln, ſind griffelförmig. So leicht man ſich den gemeinen Flohkrebs verſchaffen
kann, ſo ſchnell iſt man mit der Beobachtung ſeiner hervorſtechenden Eigenſchaften fertig. Er
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/694>, abgerufen am 24.11.2024.
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