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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Käfer. Drehläfer.
Minuten widmete, möchte fast auf den Gedanken kommen, daß es kein lustigeres, glücklicheres
Geschöpf geben könnte. Jetzt grüppirt sich die kleine Gesellschaft auf einem Punkte, jeder fährt
hin und her, der eine beschreibt einen größeren Kreis, der zweite folgt, ein dritter vollendet den
Bogen in der entgegengesetzten Richtung, ein vierter zeichnet andere Kurven oder Spiralen und so
kommen sie im wechselnden Spiele einander näher oder ferner. Dabei sind die Bewegungen so
elegant, das Wasser unter dem einzelnen steht fast still, nur, wo mehrere bei einander sind, bilden
sich embryonische Wellen. Jetzt plumpt ein schwerfälliger Frosch in ihrer Nähe in das Wasser
oder es wird auf andere Weise beunruhigt, da, wie die Strahlen des Blitzes, fahren die kleinen
Schwimmer auseinander und es dauert eine geraume Zeit, ehe sie sich wieder zum alten Spiele
vereinigen. So bei Sonnenschein oder bei warmer schwüler Luft ohne denselben; an rauhen,
unfreundlichen Tagen bemerkt man keine Spur von diesen Taumelkäfern (Gyrinus), wie man
sie genannt hat, vielleicht um damit anzudeuten, daß sie sich in ewigem Freudentaumel befinden;
sie halten sich verborgen am Rande zwischen den Blättern der Pflanzen. Wenn einer untertaucht,
[Abbildung] Gyrinus mergus.
nimmt er eine, am Leibesende haftende, wie eine Perle erscheinende Luftblase
mit hinab. Sie können auch fliegen und sondern, wie die Dytiscen, eine
milchige Flüssigkeit ab, wenn man sie aufaßt. Sehen wir uns einen der
gemeinsten, z. B. den Gyrinus mergus, etwas näher an, damit die vielen Eigen-
thümlichkeiten zum Bewußtsein kommen, welche die Gattung auszeichnen. Um
das in Worte zu übersetzen, was die Figur in Linien ausdrückt, beginnen wir
mit der allgemeinen Körpertracht. Dasselbe Oval, wie es die vorigen zeigen,
doch am Bauche mehr platt gedrückt und rückwärts gewölbter, die Flügeldecken
stutzen sich dagegen hinten ab und lassen die Leibesspitze frei. Die Vorder-
beine, aus freien, kegelförmigen Hüften entspringend, haben sich armartig verlängert, die hinteren,
deren Hüften fest mit dem Brustbeine verwachsen, Schienen und Tarsen je ein rhombisches Blatt
darstellen, sind zu förmlichen Flossen geworden. Die Fühler, obschon zusammengesetzt aus elf
Gliedern, deren letztes so lang ist, wie die sieben vorhergehenden zusammengenommen, erscheinen
doch als bloße Stumpfe. Höchst merkwürdig werden die Thiere durch die Bildung ihrer Augen,
deren jedes ein breiter Querstreifen in eine obere und untere Partie theilt, so daß der Käfer,
wenn er umherschwimmt, gleichzeitig unten in das Wasser, oben in die Luft, wahrscheinlich aber
nicht in gerader Richtung mit dem Wasserspiegel sehen kann. Das Kinn ist tief ausgeschnitten
und seine Seitenlappen runden sich stark, die Taster sind kurz, die der Lippe drei-, der Kiefer
viergliedrig. Diese unterscheidet sich wesentlich von der der Lauf- und Schwimmkäfer, indem die
äußere Lade die Form eines dünnen Stachels annimmt, bei anderen Familiengliedern gänzlich
verkümmert. Die kurzen, gekrümmten Kinnbacken laufen in zwei Zähne aus. Der Hinterleib
wird vom Bauche her aus nur sechs Gliedern zusammengesetzt, deren drei vorderste auch hier
verwachsen, das letzte zusammengedrückt und gerundet, in einigen anderen Fällen dagegen kegel-
förmig ist. Zur Charakteristik der in Rede stehenden Art sei noch hinzugefügt, daß am sehr stark
stahlblau glänzenden Körper der untergeschlagene Rand der Flügeldecken und des Halsschildes,
sowie die Beine rostroth und die zarten Punktstreifen jener in der Nähe der Naht noch feiner als
die übrigen sind. Der Arten gibt es viele, zum Theil schwer zu unterscheidende, zwei von ihnen
(minutus und aeneus) nicht nur bei uns, sondern auch in Nordamerika; von der einen (natator)
wurde 1770 die Verwandelungsgeschichte veröffentlicht, die seitdem, meines Wissens nach, nicht
wieder beobachtet worden. Aus derselben geht hervor, daß die einem Skolopender ähnliche Larve
vom Raube im Wasser lebt und sich außerhalb desselben in einem ovalen, beiderseits zugespitzten
Cocon von pergamentartiger Beschaffenheit verpuppt. Die gestreckte Larve, mit viergliedrigen
Fühlern an ihrem fast rechteckigen Kopfe und saugenden Kinnbacken, besteht aus zwölf Körper-
ringen, deren drei vorderste zweiklauige Füße, die folgenden je einen seitlichen, bewimperten,
spitzen Zipfel tragen, die aller Wahrscheinlichkeit nach Kiemen darstellen.

Käfer. Drehläfer.
Minuten widmete, möchte faſt auf den Gedanken kommen, daß es kein luſtigeres, glücklicheres
Geſchöpf geben könnte. Jetzt grüppirt ſich die kleine Geſellſchaft auf einem Punkte, jeder fährt
hin und her, der eine beſchreibt einen größeren Kreis, der zweite folgt, ein dritter vollendet den
Bogen in der entgegengeſetzten Richtung, ein vierter zeichnet andere Kurven oder Spiralen und ſo
kommen ſie im wechſelnden Spiele einander näher oder ferner. Dabei ſind die Bewegungen ſo
elegant, das Waſſer unter dem einzelnen ſteht faſt ſtill, nur, wo mehrere bei einander ſind, bilden
ſich embryoniſche Wellen. Jetzt plumpt ein ſchwerfälliger Froſch in ihrer Nähe in das Waſſer
oder es wird auf andere Weiſe beunruhigt, da, wie die Strahlen des Blitzes, fahren die kleinen
Schwimmer auseinander und es dauert eine geraume Zeit, ehe ſie ſich wieder zum alten Spiele
vereinigen. So bei Sonnenſchein oder bei warmer ſchwüler Luft ohne denſelben; an rauhen,
unfreundlichen Tagen bemerkt man keine Spur von dieſen Taumelkäfern (Gyrinus), wie man
ſie genannt hat, vielleicht um damit anzudeuten, daß ſie ſich in ewigem Freudentaumel befinden;
ſie halten ſich verborgen am Rande zwiſchen den Blättern der Pflanzen. Wenn einer untertaucht,
[Abbildung] Gyrinus mergus.
nimmt er eine, am Leibesende haftende, wie eine Perle erſcheinende Luftblaſe
mit hinab. Sie können auch fliegen und ſondern, wie die Dytiscen, eine
milchige Flüſſigkeit ab, wenn man ſie aufaßt. Sehen wir uns einen der
gemeinſten, z. B. den Gyrinus mergus, etwas näher an, damit die vielen Eigen-
thümlichkeiten zum Bewußtſein kommen, welche die Gattung auszeichnen. Um
das in Worte zu überſetzen, was die Figur in Linien ausdrückt, beginnen wir
mit der allgemeinen Körpertracht. Daſſelbe Oval, wie es die vorigen zeigen,
doch am Bauche mehr platt gedrückt und rückwärts gewölbter, die Flügeldecken
ſtutzen ſich dagegen hinten ab und laſſen die Leibesſpitze frei. Die Vorder-
beine, aus freien, kegelförmigen Hüften entſpringend, haben ſich armartig verlängert, die hinteren,
deren Hüften feſt mit dem Bruſtbeine verwachſen, Schienen und Tarſen je ein rhombiſches Blatt
darſtellen, ſind zu förmlichen Floſſen geworden. Die Fühler, obſchon zuſammengeſetzt aus elf
Gliedern, deren letztes ſo lang iſt, wie die ſieben vorhergehenden zuſammengenommen, erſcheinen
doch als bloße Stumpfe. Höchſt merkwürdig werden die Thiere durch die Bildung ihrer Augen,
deren jedes ein breiter Querſtreifen in eine obere und untere Partie theilt, ſo daß der Käfer,
wenn er umherſchwimmt, gleichzeitig unten in das Waſſer, oben in die Luft, wahrſcheinlich aber
nicht in gerader Richtung mit dem Waſſerſpiegel ſehen kann. Das Kinn iſt tief ausgeſchnitten
und ſeine Seitenlappen runden ſich ſtark, die Taſter ſind kurz, die der Lippe drei-, der Kiefer
viergliedrig. Dieſe unterſcheidet ſich weſentlich von der der Lauf- und Schwimmkäfer, indem die
äußere Lade die Form eines dünnen Stachels annimmt, bei anderen Familiengliedern gänzlich
verkümmert. Die kurzen, gekrümmten Kinnbacken laufen in zwei Zähne aus. Der Hinterleib
wird vom Bauche her aus nur ſechs Gliedern zuſammengeſetzt, deren drei vorderſte auch hier
verwachſen, das letzte zuſammengedrückt und gerundet, in einigen anderen Fällen dagegen kegel-
förmig iſt. Zur Charakteriſtik der in Rede ſtehenden Art ſei noch hinzugefügt, daß am ſehr ſtark
ſtahlblau glänzenden Körper der untergeſchlagene Rand der Flügeldecken und des Halsſchildes,
ſowie die Beine roſtroth und die zarten Punktſtreifen jener in der Nähe der Naht noch feiner als
die übrigen ſind. Der Arten gibt es viele, zum Theil ſchwer zu unterſcheidende, zwei von ihnen
(minutus und aeneus) nicht nur bei uns, ſondern auch in Nordamerika; von der einen (natator)
wurde 1770 die Verwandelungsgeſchichte veröffentlicht, die ſeitdem, meines Wiſſens nach, nicht
wieder beobachtet worden. Aus derſelben geht hervor, daß die einem Skolopender ähnliche Larve
vom Raube im Waſſer lebt und ſich außerhalb deſſelben in einem ovalen, beiderſeits zugeſpitzten
Cocon von pergamentartiger Beſchaffenheit verpuppt. Die geſtreckte Larve, mit viergliedrigen
Fühlern an ihrem faſt rechteckigen Kopfe und ſaugenden Kinnbacken, beſteht aus zwölf Körper-
ringen, deren drei vorderſte zweiklauige Füße, die folgenden je einen ſeitlichen, bewimperten,
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[48/0062] Käfer. Drehläfer. Minuten widmete, möchte faſt auf den Gedanken kommen, daß es kein luſtigeres, glücklicheres Geſchöpf geben könnte. Jetzt grüppirt ſich die kleine Geſellſchaft auf einem Punkte, jeder fährt hin und her, der eine beſchreibt einen größeren Kreis, der zweite folgt, ein dritter vollendet den Bogen in der entgegengeſetzten Richtung, ein vierter zeichnet andere Kurven oder Spiralen und ſo kommen ſie im wechſelnden Spiele einander näher oder ferner. Dabei ſind die Bewegungen ſo elegant, das Waſſer unter dem einzelnen ſteht faſt ſtill, nur, wo mehrere bei einander ſind, bilden ſich embryoniſche Wellen. Jetzt plumpt ein ſchwerfälliger Froſch in ihrer Nähe in das Waſſer oder es wird auf andere Weiſe beunruhigt, da, wie die Strahlen des Blitzes, fahren die kleinen Schwimmer auseinander und es dauert eine geraume Zeit, ehe ſie ſich wieder zum alten Spiele vereinigen. So bei Sonnenſchein oder bei warmer ſchwüler Luft ohne denſelben; an rauhen, unfreundlichen Tagen bemerkt man keine Spur von dieſen Taumelkäfern (Gyrinus), wie man ſie genannt hat, vielleicht um damit anzudeuten, daß ſie ſich in ewigem Freudentaumel befinden; ſie halten ſich verborgen am Rande zwiſchen den Blättern der Pflanzen. Wenn einer untertaucht, [Abbildung Gyrinus mergus.] nimmt er eine, am Leibesende haftende, wie eine Perle erſcheinende Luftblaſe mit hinab. Sie können auch fliegen und ſondern, wie die Dytiscen, eine milchige Flüſſigkeit ab, wenn man ſie aufaßt. Sehen wir uns einen der gemeinſten, z. B. den Gyrinus mergus, etwas näher an, damit die vielen Eigen- thümlichkeiten zum Bewußtſein kommen, welche die Gattung auszeichnen. Um das in Worte zu überſetzen, was die Figur in Linien ausdrückt, beginnen wir mit der allgemeinen Körpertracht. Daſſelbe Oval, wie es die vorigen zeigen, doch am Bauche mehr platt gedrückt und rückwärts gewölbter, die Flügeldecken ſtutzen ſich dagegen hinten ab und laſſen die Leibesſpitze frei. Die Vorder- beine, aus freien, kegelförmigen Hüften entſpringend, haben ſich armartig verlängert, die hinteren, deren Hüften feſt mit dem Bruſtbeine verwachſen, Schienen und Tarſen je ein rhombiſches Blatt darſtellen, ſind zu förmlichen Floſſen geworden. Die Fühler, obſchon zuſammengeſetzt aus elf Gliedern, deren letztes ſo lang iſt, wie die ſieben vorhergehenden zuſammengenommen, erſcheinen doch als bloße Stumpfe. Höchſt merkwürdig werden die Thiere durch die Bildung ihrer Augen, deren jedes ein breiter Querſtreifen in eine obere und untere Partie theilt, ſo daß der Käfer, wenn er umherſchwimmt, gleichzeitig unten in das Waſſer, oben in die Luft, wahrſcheinlich aber nicht in gerader Richtung mit dem Waſſerſpiegel ſehen kann. Das Kinn iſt tief ausgeſchnitten und ſeine Seitenlappen runden ſich ſtark, die Taſter ſind kurz, die der Lippe drei-, der Kiefer viergliedrig. Dieſe unterſcheidet ſich weſentlich von der der Lauf- und Schwimmkäfer, indem die äußere Lade die Form eines dünnen Stachels annimmt, bei anderen Familiengliedern gänzlich verkümmert. Die kurzen, gekrümmten Kinnbacken laufen in zwei Zähne aus. Der Hinterleib wird vom Bauche her aus nur ſechs Gliedern zuſammengeſetzt, deren drei vorderſte auch hier verwachſen, das letzte zuſammengedrückt und gerundet, in einigen anderen Fällen dagegen kegel- förmig iſt. Zur Charakteriſtik der in Rede ſtehenden Art ſei noch hinzugefügt, daß am ſehr ſtark ſtahlblau glänzenden Körper der untergeſchlagene Rand der Flügeldecken und des Halsſchildes, ſowie die Beine roſtroth und die zarten Punktſtreifen jener in der Nähe der Naht noch feiner als die übrigen ſind. Der Arten gibt es viele, zum Theil ſchwer zu unterſcheidende, zwei von ihnen (minutus und aeneus) nicht nur bei uns, ſondern auch in Nordamerika; von der einen (natator) wurde 1770 die Verwandelungsgeſchichte veröffentlicht, die ſeitdem, meines Wiſſens nach, nicht wieder beobachtet worden. Aus derſelben geht hervor, daß die einem Skolopender ähnliche Larve vom Raube im Waſſer lebt und ſich außerhalb deſſelben in einem ovalen, beiderſeits zugeſpitzten Cocon von pergamentartiger Beſchaffenheit verpuppt. Die geſtreckte Larve, mit viergliedrigen Fühlern an ihrem faſt rechteckigen Kopfe und ſaugenden Kinnbacken, beſteht aus zwölf Körper- ringen, deren drei vorderſte zweiklauige Füße, die folgenden je einen ſeitlichen, bewimperten, ſpitzen Zipfel tragen, die aller Wahrſcheinlichkeit nach Kiemen darſtellen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/62>, abgerufen am 23.11.2024.