Während bei den meisten Bandasseln sich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform öffnen, kommen sie bei einer Anzahl vorherrschend neuholländischer und chinesischer Arten in Sieb- form vor, welche darum von Gervais unter der besondern Gattung Heterostoma vereinigt wurden; einige andere, darunter auch europäische
entsprechen vollkommen den echten Bandasseln, wurden aber wegen des Mangels der Augen als besondere Gattung Cryptops ausgeschieden. Auch gibt es Arten mit 23 Fußpaaren, so die Bandassel von Bahia (Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen jederseits, die rothe Bandassel (Scolopocryptops rufa) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia). Höchst interessant wird endlich die klappernde Bandassel (Eucorybas crotalus) von Port Natal dadurch, daß sich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräusch hervor- bringt. Sein rostfarbener Körper mißt 31/2 Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von sieben Längskielen durchzogen.
Die Erdasseln (Geophilus) sind lange, sehr schmale, fast linienförmige Hundertfüßler mit vierzig und mehr Leibesringen, so daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen (14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe scheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei ungleichen Stücken zu bestehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr tasterartigen Charakter an und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorschein, andere, wie beispiels- weise der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, sondern aus punktförmigen Drüsen der Bauchschuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüssigkeit ab. Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben sich überall Erdasseln gefunden, besonders zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund- füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterschiede unter den vielen, oft recht ähnlichen Arten, von welchen für Deutschland die langfühlerige Erdassel (G. longicornis) zu den gemeinsten gehört. Sie dürfte dieselbe sein, welche Linne und seine Nachfolger als die elektrische Erdassel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entschieden länger als breit, nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher- gehenden sind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang. Es findet sich an den Wurzeln und Knollen verschiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Pastinaken, Möhren und soll nach Kirby's Beobachtungen das Absterben der letzteren veranlaßt haben, wenn es in großen Mengen vorhanden ist und in die fleischige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randassel und allerlei anderes Ungeziefer unterstützt, welches sämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine schnelle Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unsere Erdassel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfrischendem Naß geschmachtet hatte, und dann kann es geschehen, daß sie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denselben trotz allen Sträubens und krampfhaften um sich her Schlagens umwindet, wie die Riesenschlange ihr unglückliches Schlachtopfer, denselben aber nicht erdrückt, wie diese, sondern ihn zwickend, beißend und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.
Herr Scontetten erzählt in einer medizinischen Zeitschrift von Metz einen höchst eigen- thümlichen Fall ungefähr in folgender Weise: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz eine achtundzwanzigjährige Frau an einem sehr unbehaglichen Kribbeln in der Nase, welches mit
Während bei den meiſten Bandaſſeln ſich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform öffnen, kommen ſie bei einer Anzahl vorherrſchend neuholländiſcher und chineſiſcher Arten in Sieb- form vor, welche darum von Gervais unter der beſondern Gattung Heterostoma vereinigt wurden; einige andere, darunter auch europäiſche
entſprechen vollkommen den echten Bandaſſeln, wurden aber wegen des Mangels der Augen als beſondere Gattung Cryptops ausgeſchieden. Auch gibt es Arten mit 23 Fußpaaren, ſo die Bandaſſel von Bahia (Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen jederſeits, die rothe Bandaſſel (Scolopocryptops rufa) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia). Höchſt intereſſant wird endlich die klappernde Bandaſſel (Eucorybas crotalus) von Port Natal dadurch, daß ſich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräuſch hervor- bringt. Sein roſtfarbener Körper mißt 3½ Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von ſieben Längskielen durchzogen.
Die Erdaſſeln (Geophilus) ſind lange, ſehr ſchmale, faſt linienförmige Hundertfüßler mit vierzig und mehr Leibesringen, ſo daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen (14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe ſcheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei ungleichen Stücken zu beſtehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr taſterartigen Charakter an und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorſchein, andere, wie beiſpiels- weiſe der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, ſondern aus punktförmigen Drüſen der Bauchſchuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüſſigkeit ab. Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben ſich überall Erdaſſeln gefunden, beſonders zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund- füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterſchiede unter den vielen, oft recht ähnlichen Arten, von welchen für Deutſchland die langfühlerige Erdaſſel (G. longicornis) zu den gemeinſten gehört. Sie dürfte dieſelbe ſein, welche Linné und ſeine Nachfolger als die elektriſche Erdaſſel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entſchieden länger als breit, nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher- gehenden ſind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang. Es findet ſich an den Wurzeln und Knollen verſchiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Paſtinaken, Möhren und ſoll nach Kirby’s Beobachtungen das Abſterben der letzteren veranlaßt haben, wenn es in großen Mengen vorhanden iſt und in die fleiſchige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randaſſel und allerlei anderes Ungeziefer unterſtützt, welches ſämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine ſchnelle Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unſere Erdaſſel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfriſchendem Naß geſchmachtet hatte, und dann kann es geſchehen, daß ſie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denſelben trotz allen Sträubens und krampfhaften um ſich her Schlagens umwindet, wie die Rieſenſchlange ihr unglückliches Schlachtopfer, denſelben aber nicht erdrückt, wie dieſe, ſondern ihn zwickend, beißend und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.
Herr Scontetten erzählt in einer mediziniſchen Zeitſchrift von Metz einen höchſt eigen- thümlichen Fall ungefähr in folgender Weiſe: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz eine achtundzwanzigjährige Frau an einem ſehr unbehaglichen Kribbeln in der Naſe, welches mit
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[547/0583]
Lucas-Bandaſſel, klappernde Bandaſſel, langfühlerige Erdaſſel.
Während bei den meiſten Bandaſſeln ſich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform
öffnen, kommen ſie bei einer Anzahl vorherrſchend neuholländiſcher und chineſiſcher Arten in Sieb-
form vor, welche darum von Gervais unter der beſondern Gattung Heterostoma vereinigt
wurden; einige andere, darunter auch europäiſche
[Abbildung Lucas-Bandaſſel (Scolopendra Lucasil).]
entſprechen vollkommen den echten Bandaſſeln, wurden
aber wegen des Mangels der Augen als beſondere
Gattung Cryptops ausgeſchieden. Auch gibt es
Arten mit 23 Fußpaaren, ſo die Bandaſſel von
Bahia (Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen
jederſeits, die rothe Bandaſſel (Scolopocryptops
rufa) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia).
Höchſt intereſſant wird endlich die klappernde Bandaſſel (Eucorybas crotalus) von Port
Natal dadurch, daß ſich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen
Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräuſch hervor-
bringt. Sein roſtfarbener Körper mißt 3½ Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von
ſieben Längskielen durchzogen.
Die Erdaſſeln (Geophilus) ſind lange, ſehr ſchmale, faſt linienförmige Hundertfüßler mit
vierzig und mehr Leibesringen, ſo daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen
(14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe ſcheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei
ungleichen Stücken zu beſtehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar
endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr taſterartigen Charakter an
und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorſchein, andere, wie beiſpiels-
weiſe der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, ſondern
aus punktförmigen Drüſen der Bauchſchuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüſſigkeit ab.
Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben ſich überall Erdaſſeln gefunden, beſonders
zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund-
füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterſchiede unter den vielen, oft recht
ähnlichen Arten, von welchen für Deutſchland die langfühlerige Erdaſſel (G. longicornis)
zu den gemeinſten gehört. Sie dürfte dieſelbe ſein, welche Linné und ſeine Nachfolger als die
elektriſche Erdaſſel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen
den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entſchieden länger als breit,
nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher-
gehenden ſind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang.
Es findet ſich an den Wurzeln und Knollen verſchiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Paſtinaken,
Möhren und ſoll nach Kirby’s Beobachtungen das Abſterben der letzteren veranlaßt haben, wenn
es in großen Mengen vorhanden iſt und in die fleiſchige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge
arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randaſſel und allerlei anderes Ungeziefer
unterſtützt, welches ſämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine ſchnelle
Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unſere Erdaſſel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln
hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfriſchendem Naß geſchmachtet hatte, und dann kann
es geſchehen, daß ſie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange
unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denſelben trotz
allen Sträubens und krampfhaften um ſich her Schlagens umwindet, wie die Rieſenſchlange ihr
unglückliches Schlachtopfer, denſelben aber nicht erdrückt, wie dieſe, ſondern ihn zwickend, beißend
und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.
Herr Scontetten erzählt in einer mediziniſchen Zeitſchrift von Metz einen höchſt eigen-
thümlichen Fall ungefähr in folgender Weiſe: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz
eine achtundzwanzigjährige Frau an einem ſehr unbehaglichen Kribbeln in der Naſe, welches mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/583>, abgerufen am 24.11.2024.
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