Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Lucas-Bandassel, klappernde Bandassel, langfühlerige Erdassel.

Während bei den meisten Bandasseln sich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform
öffnen, kommen sie bei einer Anzahl vorherrschend neuholländischer und chinesischer Arten in Sieb-
form vor, welche darum von Gervais unter der besondern Gattung Heterostoma vereinigt
wurden; einige andere, darunter auch europäische

[Abbildung] Lucas-Bandassel (Scolopendra Lucasil).
entsprechen vollkommen den echten Bandasseln, wurden
aber wegen des Mangels der Augen als besondere
Gattung Cryptops ausgeschieden. Auch gibt es
Arten mit 23 Fußpaaren, so die Bandassel von
Bahia
(Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen
jederseits, die rothe Bandassel (Scolopocryptops
rufa
) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia).
Höchst interessant wird endlich die klappernde Bandassel (Eucorybas crotalus) von Port
Natal dadurch, daß sich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen
Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräusch hervor-
bringt. Sein rostfarbener Körper mißt 31/2 Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von
sieben Längskielen durchzogen.

Die Erdasseln (Geophilus) sind lange, sehr schmale, fast linienförmige Hundertfüßler mit
vierzig und mehr Leibesringen, so daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen
(14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe scheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei
ungleichen Stücken zu bestehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar
endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr tasterartigen Charakter an
und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorschein, andere, wie beispiels-
weise der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, sondern
aus punktförmigen Drüsen der Bauchschuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüssigkeit ab.
Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben sich überall Erdasseln gefunden, besonders
zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund-
füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterschiede unter den vielen, oft recht
ähnlichen Arten, von welchen für Deutschland die langfühlerige Erdassel (G. longicornis)
zu den gemeinsten gehört. Sie dürfte dieselbe sein, welche Linne und seine Nachfolger als die
elektrische Erdassel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen
den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entschieden länger als breit,
nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher-
gehenden sind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang.
Es findet sich an den Wurzeln und Knollen verschiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Pastinaken,
Möhren und soll nach Kirby's Beobachtungen das Absterben der letzteren veranlaßt haben, wenn
es in großen Mengen vorhanden ist und in die fleischige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge
arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randassel und allerlei anderes Ungeziefer
unterstützt, welches sämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine schnelle
Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unsere Erdassel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln
hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfrischendem Naß geschmachtet hatte, und dann kann
es geschehen, daß sie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange
unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denselben trotz
allen Sträubens und krampfhaften um sich her Schlagens umwindet, wie die Riesenschlange ihr
unglückliches Schlachtopfer, denselben aber nicht erdrückt, wie diese, sondern ihn zwickend, beißend
und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.

Herr Scontetten erzählt in einer medizinischen Zeitschrift von Metz einen höchst eigen-
thümlichen Fall ungefähr in folgender Weise: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz
eine achtundzwanzigjährige Frau an einem sehr unbehaglichen Kribbeln in der Nase, welches mit

35 *
Lucas-Bandaſſel, klappernde Bandaſſel, langfühlerige Erdaſſel.

Während bei den meiſten Bandaſſeln ſich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform
öffnen, kommen ſie bei einer Anzahl vorherrſchend neuholländiſcher und chineſiſcher Arten in Sieb-
form vor, welche darum von Gervais unter der beſondern Gattung Heterostoma vereinigt
wurden; einige andere, darunter auch europäiſche

[Abbildung] Lucas-Bandaſſel (Scolopendra Lucasil).
entſprechen vollkommen den echten Bandaſſeln, wurden
aber wegen des Mangels der Augen als beſondere
Gattung Cryptops ausgeſchieden. Auch gibt es
Arten mit 23 Fußpaaren, ſo die Bandaſſel von
Bahia
(Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen
jederſeits, die rothe Bandaſſel (Scolopocryptops
rufa
) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia).
Höchſt intereſſant wird endlich die klappernde Bandaſſel (Eucorybas crotalus) von Port
Natal dadurch, daß ſich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen
Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräuſch hervor-
bringt. Sein roſtfarbener Körper mißt 3½ Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von
ſieben Längskielen durchzogen.

Die Erdaſſeln (Geophilus) ſind lange, ſehr ſchmale, faſt linienförmige Hundertfüßler mit
vierzig und mehr Leibesringen, ſo daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen
(14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe ſcheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei
ungleichen Stücken zu beſtehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar
endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr taſterartigen Charakter an
und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorſchein, andere, wie beiſpiels-
weiſe der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, ſondern
aus punktförmigen Drüſen der Bauchſchuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüſſigkeit ab.
Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben ſich überall Erdaſſeln gefunden, beſonders
zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund-
füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterſchiede unter den vielen, oft recht
ähnlichen Arten, von welchen für Deutſchland die langfühlerige Erdaſſel (G. longicornis)
zu den gemeinſten gehört. Sie dürfte dieſelbe ſein, welche Linné und ſeine Nachfolger als die
elektriſche Erdaſſel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen
den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entſchieden länger als breit,
nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher-
gehenden ſind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang.
Es findet ſich an den Wurzeln und Knollen verſchiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Paſtinaken,
Möhren und ſoll nach Kirby’s Beobachtungen das Abſterben der letzteren veranlaßt haben, wenn
es in großen Mengen vorhanden iſt und in die fleiſchige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge
arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randaſſel und allerlei anderes Ungeziefer
unterſtützt, welches ſämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine ſchnelle
Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unſere Erdaſſel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln
hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfriſchendem Naß geſchmachtet hatte, und dann kann
es geſchehen, daß ſie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange
unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denſelben trotz
allen Sträubens und krampfhaften um ſich her Schlagens umwindet, wie die Rieſenſchlange ihr
unglückliches Schlachtopfer, denſelben aber nicht erdrückt, wie dieſe, ſondern ihn zwickend, beißend
und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.

Herr Scontetten erzählt in einer mediziniſchen Zeitſchrift von Metz einen höchſt eigen-
thümlichen Fall ungefähr in folgender Weiſe: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz
eine achtundzwanzigjährige Frau an einem ſehr unbehaglichen Kribbeln in der Naſe, welches mit

35 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <pb facs="#f0583" n="547"/>
                <fw place="top" type="header">Lucas-Banda&#x017F;&#x017F;el, klappernde Banda&#x017F;&#x017F;el, langfühlerige Erda&#x017F;&#x017F;el.</fw><lb/>
                <p>Während bei den mei&#x017F;ten Banda&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;ich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform<lb/>
öffnen, kommen &#x017F;ie bei einer Anzahl vorherr&#x017F;chend neuholländi&#x017F;cher und chine&#x017F;i&#x017F;cher Arten in Sieb-<lb/>
form vor, welche darum von <hi rendition="#g">Gervais</hi> unter der be&#x017F;ondern Gattung <hi rendition="#aq">Heterostoma</hi> vereinigt<lb/>
wurden; einige andere, darunter auch europäi&#x017F;che<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lucas-Banda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Scolopendra Lucasil</hi>).</hi></head></figure><lb/>
ent&#x017F;prechen vollkommen den echten Banda&#x017F;&#x017F;eln, wurden<lb/>
aber wegen des Mangels der Augen als be&#x017F;ondere<lb/>
Gattung <hi rendition="#aq">Cryptops</hi> ausge&#x017F;chieden. Auch gibt es<lb/>
Arten mit 23 Fußpaaren, &#x017F;o die <hi rendition="#g">Banda&#x017F;&#x017F;el von<lb/>
Bahia</hi> (<hi rendition="#aq">Scolopendropsis bahiensis</hi>) mit vier Augen<lb/>
jeder&#x017F;eits, die <hi rendition="#g">rothe Banda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Scolopocryptops<lb/>
rufa</hi>) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (<hi rendition="#aq">Newportia</hi>).<lb/>
Höch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant wird endlich die <hi rendition="#g">klappernde Banda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Eucorybas crotalus</hi>) von Port<lb/>
Natal dadurch, daß &#x017F;ich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen<lb/>
Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräu&#x017F;ch hervor-<lb/>
bringt. Sein ro&#x017F;tfarbener Körper mißt 3½ Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von<lb/>
&#x017F;ieben Längskielen durchzogen.</p><lb/>
                <p>Die <hi rendition="#g">Erda&#x017F;&#x017F;eln</hi> (<hi rendition="#aq">Geophilus</hi>) &#x017F;ind lange, &#x017F;ehr &#x017F;chmale, fa&#x017F;t linienförmige Hundertfüßler mit<lb/>
vierzig und mehr Leibesringen, &#x017F;o daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen<lb/>
(14) Fühlern und <hi rendition="#g">keinen</hi> Augen. Die Körperringe &#x017F;cheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei<lb/>
ungleichen Stücken zu be&#x017F;tehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar<lb/>
endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr ta&#x017F;terartigen Charakter an<lb/>
und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphor&#x017F;chein, andere, wie bei&#x017F;piels-<lb/>
wei&#x017F;e der <hi rendition="#aq">G. Gabrielis,</hi> ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, &#x017F;ondern<lb/>
aus punktförmigen Drü&#x017F;en der Bauch&#x017F;chuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flü&#x017F;&#x017F;igkeit ab.<lb/>
Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben &#x017F;ich überall Erda&#x017F;&#x017F;eln gefunden, be&#x017F;onders<lb/>
zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund-<lb/>
füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unter&#x017F;chiede unter den vielen, oft recht<lb/>
ähnlichen Arten, von welchen für Deut&#x017F;chland die <hi rendition="#g">langfühlerige Erda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">G. longicornis</hi>)<lb/>
zu den gemein&#x017F;ten gehört. Sie dürfte die&#x017F;elbe &#x017F;ein, welche <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> und &#x017F;eine Nachfolger als die<lb/><hi rendition="#g">elektri&#x017F;che Erda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Scolopendra electrica</hi>) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen<lb/>
den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder ent&#x017F;chieden länger als breit,<lb/>
nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher-<lb/>
gehenden &#x017F;ind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang.<lb/>
Es findet &#x017F;ich an den Wurzeln und Knollen ver&#x017F;chiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Pa&#x017F;tinaken,<lb/>
Möhren und &#x017F;oll nach <hi rendition="#g">Kirby</hi>&#x2019;s Beobachtungen das Ab&#x017F;terben der letzteren veranlaßt haben, wenn<lb/>
es in großen Mengen vorhanden i&#x017F;t und in die flei&#x017F;chige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge<lb/>
arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die <hi rendition="#g">platte Randa&#x017F;&#x017F;el</hi> und allerlei anderes Ungeziefer<lb/>
unter&#x017F;tützt, welches &#x017F;ämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine &#x017F;chnelle<lb/>
Fäulniß herbeiführt. Auch kommt un&#x017F;ere Erda&#x017F;&#x017F;el, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln<lb/>
hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfri&#x017F;chendem Naß ge&#x017F;chmachtet hatte, und dann kann<lb/>
es ge&#x017F;chehen, daß &#x017F;ie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange<lb/>
unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, den&#x017F;elben trotz<lb/>
allen Sträubens und krampfhaften um &#x017F;ich her Schlagens umwindet, wie die Rie&#x017F;en&#x017F;chlange ihr<lb/>
unglückliches Schlachtopfer, den&#x017F;elben aber nicht erdrückt, wie die&#x017F;e, &#x017F;ondern ihn zwickend, beißend<lb/>
und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet.</p><lb/>
                <p>Herr <hi rendition="#g">Scontetten</hi> erzählt in einer medizini&#x017F;chen Zeit&#x017F;chrift von Metz einen höch&#x017F;t eigen-<lb/>
thümlichen Fall ungefähr in folgender Wei&#x017F;e: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz<lb/>
eine achtundzwanzigjährige Frau an einem &#x017F;ehr unbehaglichen Kribbeln in der Na&#x017F;e, welches mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">35 *</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[547/0583] Lucas-Bandaſſel, klappernde Bandaſſel, langfühlerige Erdaſſel. Während bei den meiſten Bandaſſeln ſich die Luftlöcher in der gewöhnlichen Knopflochform öffnen, kommen ſie bei einer Anzahl vorherrſchend neuholländiſcher und chineſiſcher Arten in Sieb- form vor, welche darum von Gervais unter der beſondern Gattung Heterostoma vereinigt wurden; einige andere, darunter auch europäiſche [Abbildung Lucas-Bandaſſel (Scolopendra Lucasil).] entſprechen vollkommen den echten Bandaſſeln, wurden aber wegen des Mangels der Augen als beſondere Gattung Cryptops ausgeſchieden. Auch gibt es Arten mit 23 Fußpaaren, ſo die Bandaſſel von Bahia (Scolopendropsis bahiensis) mit vier Augen jederſeits, die rothe Bandaſſel (Scolopocryptops rufa) aus Afrika, ohne Augen; ja es fehlt nicht an Arten mit dreißig Fußpaaren (Newportia). Höchſt intereſſant wird endlich die klappernde Bandaſſel (Eucorybas crotalus) von Port Natal dadurch, daß ſich die drei letzten Glieder der Hinterbeine blattartig erweitern und einen Anhang bilden, mit welchem das Thier durch Aneinanderreiben ein knarrendes Geräuſch hervor- bringt. Sein roſtfarbener Körper mißt 3½ Zoll in der Länge und wird auf dem Rücken von ſieben Längskielen durchzogen. Die Erdaſſeln (Geophilus) ſind lange, ſehr ſchmale, faſt linienförmige Hundertfüßler mit vierzig und mehr Leibesringen, ſo daß bis 150 Beinpaare vorkommen können, mit weniggliedrigen (14) Fühlern und keinen Augen. Die Körperringe ſcheinen auf dem Rücken einzeln aus zwei ungleichen Stücken zu beſtehen, während die Bauchplatten einfach bleiben. Das letzte Fußpaar endet in dem einen Falle in Krallen, in dem andern nimmt es einen mehr taſterartigen Charakter an und die Kralle fehlt. Einige Arten leuchten im Dunkeln mit Phosphorſchein, andere, wie beiſpiels- weiſe der G. Gabrielis, ein Bewohner der Mittelmeerländer mit mehr denn 160 Fußpaaren, ſondern aus punktförmigen Drüſen der Bauchſchuppen eine reichlich fließende, purpurrothe Flüſſigkeit ab. Außer im mittägigen Afrika und auf Madagaskar haben ſich überall Erdaſſeln gefunden, beſonders zahlreich in Europa. Die Länge der Fühler, die Form des Kopfes, die Entwickelung der Mund- füße und die Anzahl der Körperringe bedingen allerlei Unterſchiede unter den vielen, oft recht ähnlichen Arten, von welchen für Deutſchland die langfühlerige Erdaſſel (G. longicornis) zu den gemeinſten gehört. Sie dürfte dieſelbe ſein, welche Linné und ſeine Nachfolger als die elektriſche Erdaſſel (Scolopendra electrica) bezeichneten. Die feinbehaarten Fühler übertreffen den eiförmigen Kopf etwa um das Vierfache, indem ihre Glieder entſchieden länger als breit, nicht wie die Perlen einer Schnur gebildet, und die drei oder vier letzten dünner als die vorher- gehenden ſind. Das gelbe Thierchen hat etwa 55 Paar Gangbeine und wird bis drei Zoll lang. Es findet ſich an den Wurzeln und Knollen verſchiedener Pflauzen, wie Kartoffeln, Paſtinaken, Möhren und ſoll nach Kirby’s Beobachtungen das Abſterben der letzteren veranlaßt haben, wenn es in großen Mengen vorhanden iſt und in die fleiſchige Wurzel nach allen Seiten hin Gänge arbeitet. Dabei wird es wohl auch durch die platte Randaſſel und allerlei anderes Ungeziefer unterſtützt, welches ſämmtlich durch die minengrabende Thätigkeit und durch den Koth eine ſchnelle Fäulniß herbeiführt. Auch kommt unſere Erdaſſel, wie die Regenwürmer aus den Schlupfwinkeln hervor, wenn lauge Zeit alle Creatur nach erfriſchendem Naß geſchmachtet hatte, und dann kann es geſchehen, daß ſie in ihrem Wohlbehagen oder im brennenden Verlangen der vielleicht lange unthätigen Verdaunngswerkzeuge über einen zehnmal größeren Regenwurm herfällt, denſelben trotz allen Sträubens und krampfhaften um ſich her Schlagens umwindet, wie die Rieſenſchlange ihr unglückliches Schlachtopfer, denſelben aber nicht erdrückt, wie dieſe, ſondern ihn zwickend, beißend und begeifernd endlich ermattet und durch ihr Gift tödtet. Herr Scontetten erzählt in einer mediziniſchen Zeitſchrift von Metz einen höchſt eigen- thümlichen Fall ungefähr in folgender Weiſe: Seit mehreren Monaten litt in der Nähe von Metz eine achtundzwanzigjährige Frau an einem ſehr unbehaglichen Kribbeln in der Naſe, welches mit 35 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/583
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/583>, abgerufen am 24.11.2024.