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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Entwickelung der Blattläuse. Honig- und Mehlthau.
und gebiert, wenn erwachsen, lebendige Junge. Man nimmt an, daß jede "Amme", wie
man diese lebendig gebärenden Blattläuse nicht unpassend genannt hat, durchschnittlich dreißig bis
vierzig Junge zur Welt bringt, ehe sie stirbt. Fehlen zeitweilig die oben näher bezeichneten
Lebensbedingungen, so verzögern sich natürlich auch die Geburten und jene Zahlen werden nicht
erreicht. Bald müßte die Wohnstätte von ihnen überfüllt werden und könnte nicht mehr alle
durstenden Sauger ernähren; denn als träge und zarte Thiere unternehmen sie keine Wanderungen,
um sich weiter auszubreiten, auch könnte durch einen Unglücksfall die ganze Gesellschaft auf ein-
mal verloren gehen. Um dem Jndividuum seine eigene Erhaltung und der ganzen Art das Fort-
bestehen zu sichern, hat die Natur das Jhrige gethan. Wenn die Blattlauskolonie erst zahlreicher
geworden ist, bekommt sie ein verändertes Anseben und zwischen den Ammen krabbeln auch ver-
einzelte geflügelte Jndividuen umher. Sie wurden als flügellose Larven geboren, bekamen mit
der Zeit die Flugwerkzeuge, damit sie von der Heimat entfernt andere Kolonien gründen können
und gebären gleichfalls wieder lebendige Junge, solche, welche nie fliegen lernen und auch andere,
denen die Flügel allmälig wachsen, und die wie sie selbst in der Jugend anders aussehen, als die
ungeflügelten Ammen; man merkt gleich nach der zweiten Häutung dem Mittelleibe durch
Abschnürung des ersten und Erweiterung der beiden folgenden Ringe an, daß er zum Tragen
von Flügeln bestimmt ist, welche auch sehr bald als den Seiten dicht anliegende, meist auch anders
gefärbte Stümpfchen auftreten. Diese Einrichtung in der Lebensökonomie der Blattläuse erinnert
an das Schwärmen der Bienen und Ameisen, welches zwar anders zu Stande kommt, aber
denselben Endzweck hat: örtliche Verbreitung der Art. Auf diese wunderbare Weise leben die
Blattläuse der Gattung Aphis den ganzen Sommer und Herbst hindurch, so lange dieser ihnen
Nahrung bietet, nur bei der letzten Generation tritt eine wesentliche Veränderung ein. Neben
Weibchen werden nun auch Männchen geboren. Jene sind keine Ammen mehr; denn sie gebären
nicht lebendig, sondern legen nach der Paarung Eier, haben aber niemals Flügel. Diese, kleiner,
seltener und oft anders gefärbt in Vergleich zu ihren Weibchen, sind je nach der Art geflügelt
oder flügellos und sterben gleich nach der Paarung.

Die meisten Blattläuse schwitzen aus ihrer Haut einen von ihr verschieden gefärbten Staub
aus, mit welchem sie stärker oder schwächer wie bereift sind; bei einigen steigern sich diese Aus-
scheidungen zu einem förmlichen Wollpelze, unter welchem ein lebendes Wesen kaum noch ver-
muthet wird. Sodann sondern sie alle, die an Bäumen lebenden mehr, als die der kraut-
artigen Gewächse, aus dem After Honigtröpfchen aus, wohl nur ihre Excremente, welche eine
Menge anderer Jnsekten, wie schon früher bemerkt wurde, anlocken; ihrer Eigenschaft als "Milch-
kühe" für gewisse Ameisenarten ward ebenfalls gedacht. Jene klebrigen Flüssigkeiten, vielleicht
noch vermehrt durch andere aus den Stichwunden hervorquellende, überfirnissen nicht selten die
ganzen Pflanzen und lähmen durch Verstopfung der Spaltöffnungen in deren Haut die Lebens-
thätigkeit derselben wesentlich. Diese Erscheinung, zu welcher bisweilen auch Schildläuse ihr
Theil beitragen, ist als Honigthan hinreichend bekannt, wenn man ihr auch vielfach eine andere
Entstehungsweise zuschreibt. Auch der Mehlthan rührt von Blattläusen her, besonders den
stark bestäubten und deren Bälgen, welche nach den Häutungen durch die vorhandene Klebrigkeit
festgehalten werden. Jn den eben angeführten Wirkungen und den fortwährenden Saftentziehungen
behufs ihrer Ernährung sind die Gründe zu suchen, aus denen die Blattläuse bei ihrer über-
starken Vermehrung der Pflanzenwelt unmittelbar so nachtheilig werden, was sie mittelbar
außerdem noch dadurch werden, daß die Sporen parasitischer Pilze, welche Ursache von einer
Menge von Pflanzenkrankheiten sind, an den klebrigen Blättern leicht hängen bleiben und für
ihre Keimung und weitere Entwickelung wesentliche Anhaltepunkte finden. -- Unter den Kerfen, welche
sich ausschließlich, wenigstens im Larvenstande, von den Blattläusen ernähren, lernten wir früher
die Marienkäferchen, Schwebfliegen und Goldaugen kennen, dazu kommen eine Reihe der win-
zigsten Schlupfwespchen und unter den Vögeln die zahlreichen Jnsektenfresser.

Entwickelung der Blattläuſe. Honig- und Mehlthau.
und gebiert, wenn erwachſen, lebendige Junge. Man nimmt an, daß jede „Amme“, wie
man dieſe lebendig gebärenden Blattläuſe nicht unpaſſend genannt hat, durchſchnittlich dreißig bis
vierzig Junge zur Welt bringt, ehe ſie ſtirbt. Fehlen zeitweilig die oben näher bezeichneten
Lebensbedingungen, ſo verzögern ſich natürlich auch die Geburten und jene Zahlen werden nicht
erreicht. Bald müßte die Wohnſtätte von ihnen überfüllt werden und könnte nicht mehr alle
durſtenden Sauger ernähren; denn als träge und zarte Thiere unternehmen ſie keine Wanderungen,
um ſich weiter auszubreiten, auch könnte durch einen Unglücksfall die ganze Geſellſchaft auf ein-
mal verloren gehen. Um dem Jndividuum ſeine eigene Erhaltung und der ganzen Art das Fort-
beſtehen zu ſichern, hat die Natur das Jhrige gethan. Wenn die Blattlauskolonie erſt zahlreicher
geworden iſt, bekommt ſie ein verändertes Anſeben und zwiſchen den Ammen krabbeln auch ver-
einzelte geflügelte Jndividuen umher. Sie wurden als flügelloſe Larven geboren, bekamen mit
der Zeit die Flugwerkzeuge, damit ſie von der Heimat entfernt andere Kolonien gründen können
und gebären gleichfalls wieder lebendige Junge, ſolche, welche nie fliegen lernen und auch andere,
denen die Flügel allmälig wachſen, und die wie ſie ſelbſt in der Jugend anders ausſehen, als die
ungeflügelten Ammen; man merkt gleich nach der zweiten Häutung dem Mittelleibe durch
Abſchnürung des erſten und Erweiterung der beiden folgenden Ringe an, daß er zum Tragen
von Flügeln beſtimmt iſt, welche auch ſehr bald als den Seiten dicht anliegende, meiſt auch anders
gefärbte Stümpfchen auftreten. Dieſe Einrichtung in der Lebensökonomie der Blattläuſe erinnert
an das Schwärmen der Bienen und Ameiſen, welches zwar anders zu Stande kommt, aber
denſelben Endzweck hat: örtliche Verbreitung der Art. Auf dieſe wunderbare Weiſe leben die
Blattläuſe der Gattung Aphis den ganzen Sommer und Herbſt hindurch, ſo lange dieſer ihnen
Nahrung bietet, nur bei der letzten Generation tritt eine weſentliche Veränderung ein. Neben
Weibchen werden nun auch Männchen geboren. Jene ſind keine Ammen mehr; denn ſie gebären
nicht lebendig, ſondern legen nach der Paarung Eier, haben aber niemals Flügel. Dieſe, kleiner,
ſeltener und oft anders gefärbt in Vergleich zu ihren Weibchen, ſind je nach der Art geflügelt
oder flügellos und ſterben gleich nach der Paarung.

Die meiſten Blattläuſe ſchwitzen aus ihrer Haut einen von ihr verſchieden gefärbten Staub
aus, mit welchem ſie ſtärker oder ſchwächer wie bereift ſind; bei einigen ſteigern ſich dieſe Aus-
ſcheidungen zu einem förmlichen Wollpelze, unter welchem ein lebendes Weſen kaum noch ver-
muthet wird. Sodann ſondern ſie alle, die an Bäumen lebenden mehr, als die der kraut-
artigen Gewächſe, aus dem After Honigtröpfchen aus, wohl nur ihre Excremente, welche eine
Menge anderer Jnſekten, wie ſchon früher bemerkt wurde, anlocken; ihrer Eigenſchaft als „Milch-
kühe“ für gewiſſe Ameiſenarten ward ebenfalls gedacht. Jene klebrigen Flüſſigkeiten, vielleicht
noch vermehrt durch andere aus den Stichwunden hervorquellende, überfirniſſen nicht ſelten die
ganzen Pflanzen und lähmen durch Verſtopfung der Spaltöffnungen in deren Haut die Lebens-
thätigkeit derſelben weſentlich. Dieſe Erſcheinung, zu welcher bisweilen auch Schildläuſe ihr
Theil beitragen, iſt als Honigthan hinreichend bekannt, wenn man ihr auch vielfach eine andere
Entſtehungsweiſe zuſchreibt. Auch der Mehlthan rührt von Blattläuſen her, beſonders den
ſtark beſtäubten und deren Bälgen, welche nach den Häutungen durch die vorhandene Klebrigkeit
feſtgehalten werden. Jn den eben angeführten Wirkungen und den fortwährenden Saftentziehungen
behufs ihrer Ernährung ſind die Gründe zu ſuchen, aus denen die Blattläuſe bei ihrer über-
ſtarken Vermehrung der Pflanzenwelt unmittelbar ſo nachtheilig werden, was ſie mittelbar
außerdem noch dadurch werden, daß die Sporen paraſitiſcher Pilze, welche Urſache von einer
Menge von Pflanzenkrankheiten ſind, an den klebrigen Blättern leicht hängen bleiben und für
ihre Keimung und weitere Entwickelung weſentliche Anhaltepunkte finden. — Unter den Kerfen, welche
ſich ausſchließlich, wenigſtens im Larvenſtande, von den Blattläuſen ernähren, lernten wir früher
die Marienkäferchen, Schwebfliegen und Goldaugen kennen, dazu kommen eine Reihe der win-
zigſten Schlupfwespchen und unter den Vögeln die zahlreichen Jnſektenfreſſer.

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[511/0543] Entwickelung der Blattläuſe. Honig- und Mehlthau. und gebiert, wenn erwachſen, lebendige Junge. Man nimmt an, daß jede „Amme“, wie man dieſe lebendig gebärenden Blattläuſe nicht unpaſſend genannt hat, durchſchnittlich dreißig bis vierzig Junge zur Welt bringt, ehe ſie ſtirbt. Fehlen zeitweilig die oben näher bezeichneten Lebensbedingungen, ſo verzögern ſich natürlich auch die Geburten und jene Zahlen werden nicht erreicht. Bald müßte die Wohnſtätte von ihnen überfüllt werden und könnte nicht mehr alle durſtenden Sauger ernähren; denn als träge und zarte Thiere unternehmen ſie keine Wanderungen, um ſich weiter auszubreiten, auch könnte durch einen Unglücksfall die ganze Geſellſchaft auf ein- mal verloren gehen. Um dem Jndividuum ſeine eigene Erhaltung und der ganzen Art das Fort- beſtehen zu ſichern, hat die Natur das Jhrige gethan. Wenn die Blattlauskolonie erſt zahlreicher geworden iſt, bekommt ſie ein verändertes Anſeben und zwiſchen den Ammen krabbeln auch ver- einzelte geflügelte Jndividuen umher. Sie wurden als flügelloſe Larven geboren, bekamen mit der Zeit die Flugwerkzeuge, damit ſie von der Heimat entfernt andere Kolonien gründen können und gebären gleichfalls wieder lebendige Junge, ſolche, welche nie fliegen lernen und auch andere, denen die Flügel allmälig wachſen, und die wie ſie ſelbſt in der Jugend anders ausſehen, als die ungeflügelten Ammen; man merkt gleich nach der zweiten Häutung dem Mittelleibe durch Abſchnürung des erſten und Erweiterung der beiden folgenden Ringe an, daß er zum Tragen von Flügeln beſtimmt iſt, welche auch ſehr bald als den Seiten dicht anliegende, meiſt auch anders gefärbte Stümpfchen auftreten. Dieſe Einrichtung in der Lebensökonomie der Blattläuſe erinnert an das Schwärmen der Bienen und Ameiſen, welches zwar anders zu Stande kommt, aber denſelben Endzweck hat: örtliche Verbreitung der Art. Auf dieſe wunderbare Weiſe leben die Blattläuſe der Gattung Aphis den ganzen Sommer und Herbſt hindurch, ſo lange dieſer ihnen Nahrung bietet, nur bei der letzten Generation tritt eine weſentliche Veränderung ein. Neben Weibchen werden nun auch Männchen geboren. Jene ſind keine Ammen mehr; denn ſie gebären nicht lebendig, ſondern legen nach der Paarung Eier, haben aber niemals Flügel. Dieſe, kleiner, ſeltener und oft anders gefärbt in Vergleich zu ihren Weibchen, ſind je nach der Art geflügelt oder flügellos und ſterben gleich nach der Paarung. Die meiſten Blattläuſe ſchwitzen aus ihrer Haut einen von ihr verſchieden gefärbten Staub aus, mit welchem ſie ſtärker oder ſchwächer wie bereift ſind; bei einigen ſteigern ſich dieſe Aus- ſcheidungen zu einem förmlichen Wollpelze, unter welchem ein lebendes Weſen kaum noch ver- muthet wird. Sodann ſondern ſie alle, die an Bäumen lebenden mehr, als die der kraut- artigen Gewächſe, aus dem After Honigtröpfchen aus, wohl nur ihre Excremente, welche eine Menge anderer Jnſekten, wie ſchon früher bemerkt wurde, anlocken; ihrer Eigenſchaft als „Milch- kühe“ für gewiſſe Ameiſenarten ward ebenfalls gedacht. Jene klebrigen Flüſſigkeiten, vielleicht noch vermehrt durch andere aus den Stichwunden hervorquellende, überfirniſſen nicht ſelten die ganzen Pflanzen und lähmen durch Verſtopfung der Spaltöffnungen in deren Haut die Lebens- thätigkeit derſelben weſentlich. Dieſe Erſcheinung, zu welcher bisweilen auch Schildläuſe ihr Theil beitragen, iſt als Honigthan hinreichend bekannt, wenn man ihr auch vielfach eine andere Entſtehungsweiſe zuſchreibt. Auch der Mehlthan rührt von Blattläuſen her, beſonders den ſtark beſtäubten und deren Bälgen, welche nach den Häutungen durch die vorhandene Klebrigkeit feſtgehalten werden. Jn den eben angeführten Wirkungen und den fortwährenden Saftentziehungen behufs ihrer Ernährung ſind die Gründe zu ſuchen, aus denen die Blattläuſe bei ihrer über- ſtarken Vermehrung der Pflanzenwelt unmittelbar ſo nachtheilig werden, was ſie mittelbar außerdem noch dadurch werden, daß die Sporen paraſitiſcher Pilze, welche Urſache von einer Menge von Pflanzenkrankheiten ſind, an den klebrigen Blättern leicht hängen bleiben und für ihre Keimung und weitere Entwickelung weſentliche Anhaltepunkte finden. — Unter den Kerfen, welche ſich ausſchließlich, wenigſtens im Larvenſtande, von den Blattläuſen ernähren, lernten wir früher die Marienkäferchen, Schwebfliegen und Goldaugen kennen, dazu kommen eine Reihe der win- zigſten Schlupfwespchen und unter den Vögeln die zahlreichen Jnſektenfreſſer.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/543>, abgerufen am 24.11.2024.