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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Kermes. Cochenille.
thierischen Ursprung dieser rothbrannen, etwas weiß beschlagenen Körner, deren etwa 4100 eine
Unze wiegen, nachwies und andere Forscher denselben bestätigten, blieb doch die Ansicht von ihrer
pflanzlichen Natur lange die herrschende, so daß selbst noch im Jahre 1725 der Holländer
Melchior von Ruyscher, welcher letztere vertrat, sich deshalb in eine Wette einließ, welche
ihn um sein ganzes Vermögen gebracht haben würde, wenn nicht sein großmüthiger Gegner ihn
seines Wortes entbunden hätte. Zur Entscheidung dieses Streites wurden die Gerichte heran-
gezogen, Züchter in Meriko von diesen über die Natur der fraglichen Geschöpfe vernommen und
ihnen somit die Ansprüche auf ihre Kerfnatur von Richtern zugesprochen. Mit Ausschluß der
Regenzeit findet sich die Cochenille in ihren verschiedenen Lebensperioden an der Mutterpflanze,
welche sie stellenweise mit ihren weißen Ausschwitzungen voll-
[Abbildung] Die Cochenille (Coccus cacti).
a
Männchen. b Weibchen von der Bauchseite.
ständig überzieht. Das Weibchen bettet seine Eier in die-
selben und läßt sie von ihnen allein beschützen, indem es
selbst den Schnabel aus dem Stengel herauszieht und todt
zur Erde fällt. Nach acht Tagen schlüpfen die Jungen aus,
sehen der Mutter ähnlich, sind aber mit langen Borsten-
haaren bewachsen. Jnnerhalb zweier Wochen haben sie
unter mehrmaligen Häutungen ihre volle Größe erlangt.
Die männlichen Larven spinnen sich von demselben Stoffe
eine hinten offene Hülse und ruhen acht Tage als Puppe darin. Nach der Paarung sterben die
Männchen sofort, während den Weibchen ungefähr noch vierzehn Tage Frist zum Ablegen der
Eier von Mutter Natur vergönnt sind. Da somit die Entwickelung einen Zeitraum von wenigen
Wochen in Anspruch nimmt, so kommen auch mehrere Generationen zu Stande, an deren Ende
man allemal eine Anzahl von Larven und die im Sterben begriffenen Weibchen sammelt. Herr
Bouche erzog in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts in einem Treibhause bei Berlin die
Cochenille und erzielte vier Generationen durch eine fortwährende Temperatur von 16 bis 20° R.
Zur Entwickelung einer Brut waren 6 Wochen erforderlich, von welchen acht Tage auf den Ei-,
vierzehn Tage auf den Larven-, acht Tage auf den Nymphenstand kamen und abermals vierzehn
Tage auf die Lebensdauer des vollkommenen Jnsekts. Jm August entwickelt sich die letzte Gene-
ration, aber während des Winters liegen die Weibchen befruchtet und setzen erst im Februar
ihre Eier ab. Die merikanischen Cochenillenzüchter bringen kurz vor Eintritt der Regenzeit
Alles, was zur Zucht fortleben soll, sammt den sehr lange frisch bleibenden Zweigen der Futter-
pflanze nach Hause in Sicherheit, um es wieder in die Cactusanpflanzung auszusetzen, sobald die
Regen vorüber sind. Mit größeren Beschwerden sammelt man auch von der wildwachsenden Fackel-
distel die sogenannte wilde Cochenille, die Grana silvestra der Merikaner, welche noch viel
häufiger geerntet werden soll und wahrscheinlich einer andern Art, nicht einer blosen Abart
der vorigen angehört.

Als Mexiko noch allein diesen wichtigen Farbstoff erzeugte, wurden jährlich 880,000 Pfund
für nahe an sieben und eine halbe Million holländischer Gulden nach Europa ausgeführt, und
A. von Humboldt gibt aus der Zeit seines Aufenthalts in Südamerika noch eine jährliche
Ausfuhr von 32,000 Arroben im Werthe von einer halben Million Pfund Sterling an. Aus
Südspanien, wo man, wie bereits erwähnt, die Cochenille gleichfalls baut, wie im südlichen
Teneriffa, seitdem dort der Weinban in Folge der häufigen Krankheiten des Stockes nicht mehr
lohnend erschien, wurden 1850 über 800,000 Pfund roher Cocheuille nach England verschifft.
Wenn man weiß, daß auf ein Pfund 70,000 trockne Thierchen gehen, so kann man sich die
ungeheuren Mengen der jährlich getödteten durch ein einfaches Multiplieationsexempel selbst
berechnen. Die spanischen sogenannten Suronen, in welchen der Handelsartikel verschickt wird,
bestehen aus frischen Ochsenhäuten, deren Haare man nach innen kehrt. -- Die käufliche Coche-
nille zeigt die kleinen, eingetrockneten Thierchen von der Größe einer halben Erbse, an deren

Kermes. Cochenille.
thieriſchen Urſprung dieſer rothbrannen, etwas weiß beſchlagenen Körner, deren etwa 4100 eine
Unze wiegen, nachwies und andere Forſcher denſelben beſtätigten, blieb doch die Anſicht von ihrer
pflanzlichen Natur lange die herrſchende, ſo daß ſelbſt noch im Jahre 1725 der Holländer
Melchior von Ruyſcher, welcher letztere vertrat, ſich deshalb in eine Wette einließ, welche
ihn um ſein ganzes Vermögen gebracht haben würde, wenn nicht ſein großmüthiger Gegner ihn
ſeines Wortes entbunden hätte. Zur Entſcheidung dieſes Streites wurden die Gerichte heran-
gezogen, Züchter in Meriko von dieſen über die Natur der fraglichen Geſchöpfe vernommen und
ihnen ſomit die Anſprüche auf ihre Kerfnatur von Richtern zugeſprochen. Mit Ausſchluß der
Regenzeit findet ſich die Cochenille in ihren verſchiedenen Lebensperioden an der Mutterpflanze,
welche ſie ſtellenweiſe mit ihren weißen Ausſchwitzungen voll-
[Abbildung] Die Cochenille (Coccus cacti).
a
Männchen. b Weibchen von der Bauchſeite.
ſtändig überzieht. Das Weibchen bettet ſeine Eier in die-
ſelben und läßt ſie von ihnen allein beſchützen, indem es
ſelbſt den Schnabel aus dem Stengel herauszieht und todt
zur Erde fällt. Nach acht Tagen ſchlüpfen die Jungen aus,
ſehen der Mutter ähnlich, ſind aber mit langen Borſten-
haaren bewachſen. Jnnerhalb zweier Wochen haben ſie
unter mehrmaligen Häutungen ihre volle Größe erlangt.
Die männlichen Larven ſpinnen ſich von demſelben Stoffe
eine hinten offene Hülſe und ruhen acht Tage als Puppe darin. Nach der Paarung ſterben die
Männchen ſofort, während den Weibchen ungefähr noch vierzehn Tage Friſt zum Ablegen der
Eier von Mutter Natur vergönnt ſind. Da ſomit die Entwickelung einen Zeitraum von wenigen
Wochen in Anſpruch nimmt, ſo kommen auch mehrere Generationen zu Stande, an deren Ende
man allemal eine Anzahl von Larven und die im Sterben begriffenen Weibchen ſammelt. Herr
Bouché erzog in den zwanziger Jahren dieſes Jahrhunderts in einem Treibhauſe bei Berlin die
Cochenille und erzielte vier Generationen durch eine fortwährende Temperatur von 16 bis 20° R.
Zur Entwickelung einer Brut waren 6 Wochen erforderlich, von welchen acht Tage auf den Ei-,
vierzehn Tage auf den Larven-, acht Tage auf den Nymphenſtand kamen und abermals vierzehn
Tage auf die Lebensdauer des vollkommenen Jnſekts. Jm Auguſt entwickelt ſich die letzte Gene-
ration, aber während des Winters liegen die Weibchen befruchtet und ſetzen erſt im Februar
ihre Eier ab. Die merikaniſchen Cochenillenzüchter bringen kurz vor Eintritt der Regenzeit
Alles, was zur Zucht fortleben ſoll, ſammt den ſehr lange friſch bleibenden Zweigen der Futter-
pflanze nach Hauſe in Sicherheit, um es wieder in die Cactusanpflanzung auszuſetzen, ſobald die
Regen vorüber ſind. Mit größeren Beſchwerden ſammelt man auch von der wildwachſenden Fackel-
diſtel die ſogenannte wilde Cochenille, die Grana silvestra der Merikaner, welche noch viel
häufiger geerntet werden ſoll und wahrſcheinlich einer andern Art, nicht einer bloſen Abart
der vorigen angehört.

Als Mexiko noch allein dieſen wichtigen Farbſtoff erzeugte, wurden jährlich 880,000 Pfund
für nahe an ſieben und eine halbe Million holländiſcher Gulden nach Europa ausgeführt, und
A. von Humboldt gibt aus der Zeit ſeines Aufenthalts in Südamerika noch eine jährliche
Ausfuhr von 32,000 Arroben im Werthe von einer halben Million Pfund Sterling an. Aus
Südſpanien, wo man, wie bereits erwähnt, die Cochenille gleichfalls baut, wie im ſüdlichen
Teneriffa, ſeitdem dort der Weinban in Folge der häufigen Krankheiten des Stockes nicht mehr
lohnend erſchien, wurden 1850 über 800,000 Pfund roher Cocheuille nach England verſchifft.
Wenn man weiß, daß auf ein Pfund 70,000 trockne Thierchen gehen, ſo kann man ſich die
ungeheuren Mengen der jährlich getödteten durch ein einfaches Multiplieationsexempel ſelbſt
berechnen. Die ſpaniſchen ſogenannten Suronen, in welchen der Handelsartikel verſchickt wird,
beſtehen aus friſchen Ochſenhäuten, deren Haare man nach innen kehrt. — Die käufliche Coche-
nille zeigt die kleinen, eingetrockneten Thierchen von der Größe einer halben Erbſe, an deren

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[507/0539] Kermes. Cochenille. thieriſchen Urſprung dieſer rothbrannen, etwas weiß beſchlagenen Körner, deren etwa 4100 eine Unze wiegen, nachwies und andere Forſcher denſelben beſtätigten, blieb doch die Anſicht von ihrer pflanzlichen Natur lange die herrſchende, ſo daß ſelbſt noch im Jahre 1725 der Holländer Melchior von Ruyſcher, welcher letztere vertrat, ſich deshalb in eine Wette einließ, welche ihn um ſein ganzes Vermögen gebracht haben würde, wenn nicht ſein großmüthiger Gegner ihn ſeines Wortes entbunden hätte. Zur Entſcheidung dieſes Streites wurden die Gerichte heran- gezogen, Züchter in Meriko von dieſen über die Natur der fraglichen Geſchöpfe vernommen und ihnen ſomit die Anſprüche auf ihre Kerfnatur von Richtern zugeſprochen. Mit Ausſchluß der Regenzeit findet ſich die Cochenille in ihren verſchiedenen Lebensperioden an der Mutterpflanze, welche ſie ſtellenweiſe mit ihren weißen Ausſchwitzungen voll- [Abbildung Die Cochenille (Coccus cacti). a Männchen. b Weibchen von der Bauchſeite.] ſtändig überzieht. Das Weibchen bettet ſeine Eier in die- ſelben und läßt ſie von ihnen allein beſchützen, indem es ſelbſt den Schnabel aus dem Stengel herauszieht und todt zur Erde fällt. Nach acht Tagen ſchlüpfen die Jungen aus, ſehen der Mutter ähnlich, ſind aber mit langen Borſten- haaren bewachſen. Jnnerhalb zweier Wochen haben ſie unter mehrmaligen Häutungen ihre volle Größe erlangt. Die männlichen Larven ſpinnen ſich von demſelben Stoffe eine hinten offene Hülſe und ruhen acht Tage als Puppe darin. Nach der Paarung ſterben die Männchen ſofort, während den Weibchen ungefähr noch vierzehn Tage Friſt zum Ablegen der Eier von Mutter Natur vergönnt ſind. Da ſomit die Entwickelung einen Zeitraum von wenigen Wochen in Anſpruch nimmt, ſo kommen auch mehrere Generationen zu Stande, an deren Ende man allemal eine Anzahl von Larven und die im Sterben begriffenen Weibchen ſammelt. Herr Bouché erzog in den zwanziger Jahren dieſes Jahrhunderts in einem Treibhauſe bei Berlin die Cochenille und erzielte vier Generationen durch eine fortwährende Temperatur von 16 bis 20° R. Zur Entwickelung einer Brut waren 6 Wochen erforderlich, von welchen acht Tage auf den Ei-, vierzehn Tage auf den Larven-, acht Tage auf den Nymphenſtand kamen und abermals vierzehn Tage auf die Lebensdauer des vollkommenen Jnſekts. Jm Auguſt entwickelt ſich die letzte Gene- ration, aber während des Winters liegen die Weibchen befruchtet und ſetzen erſt im Februar ihre Eier ab. Die merikaniſchen Cochenillenzüchter bringen kurz vor Eintritt der Regenzeit Alles, was zur Zucht fortleben ſoll, ſammt den ſehr lange friſch bleibenden Zweigen der Futter- pflanze nach Hauſe in Sicherheit, um es wieder in die Cactusanpflanzung auszuſetzen, ſobald die Regen vorüber ſind. Mit größeren Beſchwerden ſammelt man auch von der wildwachſenden Fackel- diſtel die ſogenannte wilde Cochenille, die Grana silvestra der Merikaner, welche noch viel häufiger geerntet werden ſoll und wahrſcheinlich einer andern Art, nicht einer bloſen Abart der vorigen angehört. Als Mexiko noch allein dieſen wichtigen Farbſtoff erzeugte, wurden jährlich 880,000 Pfund für nahe an ſieben und eine halbe Million holländiſcher Gulden nach Europa ausgeführt, und A. von Humboldt gibt aus der Zeit ſeines Aufenthalts in Südamerika noch eine jährliche Ausfuhr von 32,000 Arroben im Werthe von einer halben Million Pfund Sterling an. Aus Südſpanien, wo man, wie bereits erwähnt, die Cochenille gleichfalls baut, wie im ſüdlichen Teneriffa, ſeitdem dort der Weinban in Folge der häufigen Krankheiten des Stockes nicht mehr lohnend erſchien, wurden 1850 über 800,000 Pfund roher Cocheuille nach England verſchifft. Wenn man weiß, daß auf ein Pfund 70,000 trockne Thierchen gehen, ſo kann man ſich die ungeheuren Mengen der jährlich getödteten durch ein einfaches Multiplieationsexempel ſelbſt berechnen. Die ſpaniſchen ſogenannten Suronen, in welchen der Handelsartikel verſchickt wird, beſtehen aus friſchen Ochſenhäuten, deren Haare man nach innen kehrt. — Die käufliche Coche- nille zeigt die kleinen, eingetrockneten Thierchen von der Größe einer halben Erbſe, an deren

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/539>, abgerufen am 24.11.2024.