Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schnabelkerfe. Schildläuse.
wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt sich darin zu einer ruhenden Puppe,
welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Wesen entläßt, aus-
gezeichnet durch drei Hauptabschnitte des Körpers, borstige oder schnurförmige Fühler, einfache
Augen, öfter in größerer Anzahl jederseits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel,
deutliche Füße, nicht selten durch zwei lange Schwanzborsten und ein lang hervorragendes Geschlechts-
werkzeug dazwischen. Das Männchen kommt bedeutend seltener vor, lebt nur sehr kurze Zeit und
blieb darum von den meisten Arten bisher noch unbekannt.

Von den eben erzählten Lebensverhältnissen weichen einige Gattungen wesentlich ab. So
gleichen sich beispielsweise bei Aleurodes beide Geschlechter fast vollkommen, bei Dorthesia behalten
die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Gesagten geht aber hervor, daß auch
hier späteren Forschungen noch vieles übrig gelassen ist. Die meisten Schildläuse gehören wärmeren
Erdstrichen an, da diese aber reich an anderen besser zu beobachtenden und zu sammelnden Kerbthieren
sind, so hat man in diesem Umstande einen weiteren Grund unserer lückenhaften Kenntnisse von
diesen unscheinbaren, aber höchst interessanten Wesen zu suchen.

Wer hätte nicht schon die braunen, fast kugeligen Ueberreste der Eichen-Schildlaus (Leca-
nium quercus)
gesehen, welche manchmal reihenweise zwischen den Rindenschuppen alter Eichstämme
jahrelang sitzen? So lange die flachschildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige
Fühler haben, fallen sie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborsten aus.
Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben,
dann besonders, wenn die weiblichen Ueberreste eine schneeweißes Polster decken, das sich in feine,
den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt.

Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmosinbeere, Grana Chermes,
Kermes tinctorum
u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechischen Archipel, besonders
aus Candia etc. ein Farbstoff in den Handel, welcher schon den Griechen und Römern bekannt
war. Die muschelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Essig erst eine rothe
Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt sind, gehören
der Kermesschildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger strauchartig als baum-
artig wachsenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteste, entkräftete Exemplare am meisten
mit dieser kugeligen, der Eichenschildlaus unserer heimischen Eichen sehr ähnlichen Schildlaus
besetzt sind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild ist, fällt auch die Ernte des Kermes
mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne
Fröste und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur
in besonders günstigen Fällen wachsen die Schildläuse zum zweiten Male in demselben brauchbar
heran. Anfangs März sind die Thierchen kleiner als ein Hirsekorn, im April erreichen sie ihre
bedeutendste Größe, gleich der einer Erbse; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der
todten Hülle, den Ueberresten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieser
Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern gesammelt, die sich zu dieser Arbeit
die Nägel wachsen lassen und es zu solcher Fertigkeit bringen, daß sie unter Umständen in einem
Tage zwei Pfund zusammenbringen.

Die berühmteste aller Schildläuse ist die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin-
rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborsten, das
ebenso gefärbte Weibchen überzieht sich mit weißem Reise. Diese Art lebt ursprünglich in Mexiko
auf der breiten Fackeldistel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte
man sie auf einige der westindischen Jnseln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt
nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieses auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Wasser
aufweichbare, in seinen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb-
stoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl schon Acosta (um 1530) den

Die Schnabelkerfe. Schildläuſe.
wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt ſich darin zu einer ruhenden Puppe,
welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Weſen entläßt, aus-
gezeichnet durch drei Hauptabſchnitte des Körpers, borſtige oder ſchnurförmige Fühler, einfache
Augen, öfter in größerer Anzahl jederſeits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel,
deutliche Füße, nicht ſelten durch zwei lange Schwanzborſten und ein lang hervorragendes Geſchlechts-
werkzeug dazwiſchen. Das Männchen kommt bedeutend ſeltener vor, lebt nur ſehr kurze Zeit und
blieb darum von den meiſten Arten bisher noch unbekannt.

Von den eben erzählten Lebensverhältniſſen weichen einige Gattungen weſentlich ab. So
gleichen ſich beiſpielsweiſe bei Aleurodes beide Geſchlechter faſt vollkommen, bei Dorthesia behalten
die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Geſagten geht aber hervor, daß auch
hier ſpäteren Forſchungen noch vieles übrig gelaſſen iſt. Die meiſten Schildläuſe gehören wärmeren
Erdſtrichen an, da dieſe aber reich an anderen beſſer zu beobachtenden und zu ſammelnden Kerbthieren
ſind, ſo hat man in dieſem Umſtande einen weiteren Grund unſerer lückenhaften Kenntniſſe von
dieſen unſcheinbaren, aber höchſt intereſſanten Weſen zu ſuchen.

Wer hätte nicht ſchon die braunen, faſt kugeligen Ueberreſte der Eichen-Schildlaus (Leca-
nium quercus)
geſehen, welche manchmal reihenweiſe zwiſchen den Rindenſchuppen alter Eichſtämme
jahrelang ſitzen? So lange die flachſchildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige
Fühler haben, fallen ſie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborſten aus.
Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben,
dann beſonders, wenn die weiblichen Ueberreſte eine ſchneeweißes Polſter decken, das ſich in feine,
den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt.

Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmoſinbeere, Grana Chermes,
Kermes tinctorum
u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechiſchen Archipel, beſonders
aus Candia ꝛc. ein Farbſtoff in den Handel, welcher ſchon den Griechen und Römern bekannt
war. Die muſchelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Eſſig erſt eine rothe
Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt ſind, gehören
der Kermesſchildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger ſtrauchartig als baum-
artig wachſenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteſte, entkräftete Exemplare am meiſten
mit dieſer kugeligen, der Eichenſchildlaus unſerer heimiſchen Eichen ſehr ähnlichen Schildlaus
beſetzt ſind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild iſt, fällt auch die Ernte des Kermes
mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne
Fröſte und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur
in beſonders günſtigen Fällen wachſen die Schildläuſe zum zweiten Male in demſelben brauchbar
heran. Anfangs März ſind die Thierchen kleiner als ein Hirſekorn, im April erreichen ſie ihre
bedeutendſte Größe, gleich der einer Erbſe; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der
todten Hülle, den Ueberreſten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieſer
Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern geſammelt, die ſich zu dieſer Arbeit
die Nägel wachſen laſſen und es zu ſolcher Fertigkeit bringen, daß ſie unter Umſtänden in einem
Tage zwei Pfund zuſammenbringen.

Die berühmteſte aller Schildläuſe iſt die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin-
rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborſten, das
ebenſo gefärbte Weibchen überzieht ſich mit weißem Reiſe. Dieſe Art lebt urſprünglich in Mexiko
auf der breiten Fackeldiſtel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte
man ſie auf einige der weſtindiſchen Jnſeln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt
nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieſes auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Waſſer
aufweichbare, in ſeinen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb-
ſtoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl ſchon Acoſta (um 1530) den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0538" n="506"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Schnabelkerfe. Schildläu&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt &#x017F;ich darin zu einer ruhenden Puppe,<lb/>
welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, <hi rendition="#g">zweiflügeliges</hi> We&#x017F;en entläßt, aus-<lb/>
gezeichnet durch drei Hauptab&#x017F;chnitte des Körpers, bor&#x017F;tige oder &#x017F;chnurförmige Fühler, einfache<lb/>
Augen, öfter in größerer Anzahl jeder&#x017F;eits angebracht, durch einen <hi rendition="#g">verkümmerten</hi> Schnabel,<lb/>
deutliche Füße, nicht &#x017F;elten durch zwei lange Schwanzbor&#x017F;ten und ein lang hervorragendes Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
werkzeug dazwi&#x017F;chen. Das Männchen kommt bedeutend &#x017F;eltener vor, lebt nur &#x017F;ehr kurze Zeit und<lb/>
blieb darum von den mei&#x017F;ten Arten bisher noch unbekannt.</p><lb/>
              <p>Von den eben erzählten Lebensverhältni&#x017F;&#x017F;en weichen einige Gattungen we&#x017F;entlich ab. So<lb/>
gleichen &#x017F;ich bei&#x017F;pielswei&#x017F;e bei <hi rendition="#aq">Aleurodes</hi> beide Ge&#x017F;chlechter fa&#x017F;t vollkommen, bei <hi rendition="#aq">Dorthesia</hi> behalten<lb/>
die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Ge&#x017F;agten geht aber hervor, daß auch<lb/>
hier &#x017F;päteren For&#x017F;chungen noch vieles übrig gela&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Die mei&#x017F;ten Schildläu&#x017F;e gehören wärmeren<lb/>
Erd&#x017F;trichen an, da die&#x017F;e aber reich an anderen be&#x017F;&#x017F;er zu beobachtenden und zu &#x017F;ammelnden Kerbthieren<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;o hat man in die&#x017F;em Um&#x017F;tande einen weiteren Grund un&#x017F;erer lückenhaften Kenntni&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
die&#x017F;en un&#x017F;cheinbaren, aber höch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;anten We&#x017F;en zu &#x017F;uchen.</p><lb/>
              <p>Wer hätte nicht &#x017F;chon die braunen, fa&#x017F;t kugeligen Ueberre&#x017F;te der <hi rendition="#g">Eichen-Schildlaus</hi> <hi rendition="#aq">(Leca-<lb/>
nium quercus)</hi> ge&#x017F;ehen, welche manchmal reihenwei&#x017F;e zwi&#x017F;chen den Rinden&#x017F;chuppen alter Eich&#x017F;tämme<lb/>
jahrelang &#x017F;itzen? So lange die flach&#x017F;childförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige<lb/>
Fühler haben, fallen &#x017F;ie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzbor&#x017F;ten aus.<lb/>
Ein ganz ähnliches Thier, die <hi rendition="#g">Wein-Schildlaus</hi> <hi rendition="#aq">(L. vitis),</hi> bemerkt man auf alten Weinreben,<lb/>
dann be&#x017F;onders, wenn die weiblichen Ueberre&#x017F;te eine &#x017F;chneeweißes Pol&#x017F;ter decken, das &#x017F;ich in feine,<lb/>
den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt.</p><lb/>
              <p>Unter den Namen <hi rendition="#g">Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmo&#x017F;inbeere,</hi> <hi rendition="#aq">Grana Chermes,<lb/>
Kermes tinctorum</hi> u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechi&#x017F;chen Archipel, be&#x017F;onders<lb/>
aus Candia &#xA75B;c. ein Farb&#x017F;toff in den Handel, welcher &#x017F;chon den Griechen und Römern bekannt<lb/>
war. Die mu&#x017F;chelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit E&#x017F;&#x017F;ig er&#x017F;t eine rothe<lb/>
Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt &#x017F;ind, gehören<lb/>
der <hi rendition="#g">Kermes&#x017F;childlaus</hi> <hi rendition="#aq">(L. ilicis)</hi> an. Das Thier lebt an der häufiger &#x017F;trauchartig als baum-<lb/>
artig wach&#x017F;enden Kermeseiche <hi rendition="#aq">(Quercus coccifera),</hi> deren älte&#x017F;te, entkräftete Exemplare am mei&#x017F;ten<lb/>
mit die&#x017F;er kugeligen, der Eichen&#x017F;childlaus un&#x017F;erer heimi&#x017F;chen Eichen &#x017F;ehr ähnlichen Schildlaus<lb/>
be&#x017F;etzt &#x017F;ind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild i&#x017F;t, fällt auch die Ernte des Kermes<lb/>
mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne<lb/>
Frö&#x017F;te und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur <hi rendition="#g">eine</hi> Generation im Jahre vor und nur<lb/>
in be&#x017F;onders gün&#x017F;tigen Fällen wach&#x017F;en die Schildläu&#x017F;e zum zweiten Male in dem&#x017F;elben brauchbar<lb/>
heran. Anfangs März &#x017F;ind die Thierchen kleiner als ein Hir&#x017F;ekorn, im April erreichen &#x017F;ie ihre<lb/>
bedeutend&#x017F;te Größe, gleich der einer Erb&#x017F;e; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der<lb/>
todten Hülle, den Ueberre&#x017F;ten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu die&#x017F;er<lb/>
Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern ge&#x017F;ammelt, die &#x017F;ich zu die&#x017F;er Arbeit<lb/>
die Nägel wach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en und es zu &#x017F;olcher Fertigkeit bringen, daß &#x017F;ie unter Um&#x017F;tänden in einem<lb/>
Tage zwei Pfund zu&#x017F;ammenbringen.</p><lb/>
              <p>Die berühmte&#x017F;te aller Schildläu&#x017F;e i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Cochenille</hi> <hi rendition="#aq">(Coccus cacti)</hi>. Das durchaus carmin-<lb/>
rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzbor&#x017F;ten, das<lb/>
eben&#x017F;o gefärbte Weibchen überzieht &#x017F;ich mit weißem Rei&#x017F;e. Die&#x017F;e Art lebt ur&#x017F;prünglich in Mexiko<lb/>
auf der breiten Fackeldi&#x017F;tel <hi rendition="#aq">(Opuntia coccinellifera),</hi> dort <hi rendition="#g">Nopal</hi> genannt. Von da verpflanzte<lb/>
man &#x017F;ie auf einige der we&#x017F;tindi&#x017F;chen Jn&#x017F;eln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt<lb/>
nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet die&#x017F;es auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
aufweichbare, in &#x017F;einen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb-<lb/>
&#x017F;toff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl &#x017F;chon <hi rendition="#g">Aco&#x017F;ta</hi> (um 1530) den<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[506/0538] Die Schnabelkerfe. Schildläuſe. wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt ſich darin zu einer ruhenden Puppe, welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Weſen entläßt, aus- gezeichnet durch drei Hauptabſchnitte des Körpers, borſtige oder ſchnurförmige Fühler, einfache Augen, öfter in größerer Anzahl jederſeits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel, deutliche Füße, nicht ſelten durch zwei lange Schwanzborſten und ein lang hervorragendes Geſchlechts- werkzeug dazwiſchen. Das Männchen kommt bedeutend ſeltener vor, lebt nur ſehr kurze Zeit und blieb darum von den meiſten Arten bisher noch unbekannt. Von den eben erzählten Lebensverhältniſſen weichen einige Gattungen weſentlich ab. So gleichen ſich beiſpielsweiſe bei Aleurodes beide Geſchlechter faſt vollkommen, bei Dorthesia behalten die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Geſagten geht aber hervor, daß auch hier ſpäteren Forſchungen noch vieles übrig gelaſſen iſt. Die meiſten Schildläuſe gehören wärmeren Erdſtrichen an, da dieſe aber reich an anderen beſſer zu beobachtenden und zu ſammelnden Kerbthieren ſind, ſo hat man in dieſem Umſtande einen weiteren Grund unſerer lückenhaften Kenntniſſe von dieſen unſcheinbaren, aber höchſt intereſſanten Weſen zu ſuchen. Wer hätte nicht ſchon die braunen, faſt kugeligen Ueberreſte der Eichen-Schildlaus (Leca- nium quercus) geſehen, welche manchmal reihenweiſe zwiſchen den Rindenſchuppen alter Eichſtämme jahrelang ſitzen? So lange die flachſchildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige Fühler haben, fallen ſie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborſten aus. Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben, dann beſonders, wenn die weiblichen Ueberreſte eine ſchneeweißes Polſter decken, das ſich in feine, den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt. Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmoſinbeere, Grana Chermes, Kermes tinctorum u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechiſchen Archipel, beſonders aus Candia ꝛc. ein Farbſtoff in den Handel, welcher ſchon den Griechen und Römern bekannt war. Die muſchelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Eſſig erſt eine rothe Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt ſind, gehören der Kermesſchildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger ſtrauchartig als baum- artig wachſenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteſte, entkräftete Exemplare am meiſten mit dieſer kugeligen, der Eichenſchildlaus unſerer heimiſchen Eichen ſehr ähnlichen Schildlaus beſetzt ſind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild iſt, fällt auch die Ernte des Kermes mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne Fröſte und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur in beſonders günſtigen Fällen wachſen die Schildläuſe zum zweiten Male in demſelben brauchbar heran. Anfangs März ſind die Thierchen kleiner als ein Hirſekorn, im April erreichen ſie ihre bedeutendſte Größe, gleich der einer Erbſe; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der todten Hülle, den Ueberreſten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieſer Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern geſammelt, die ſich zu dieſer Arbeit die Nägel wachſen laſſen und es zu ſolcher Fertigkeit bringen, daß ſie unter Umſtänden in einem Tage zwei Pfund zuſammenbringen. Die berühmteſte aller Schildläuſe iſt die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin- rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborſten, das ebenſo gefärbte Weibchen überzieht ſich mit weißem Reiſe. Dieſe Art lebt urſprünglich in Mexiko auf der breiten Fackeldiſtel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte man ſie auf einige der weſtindiſchen Jnſeln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieſes auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Waſſer aufweichbare, in ſeinen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb- ſtoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl ſchon Acoſta (um 1530) den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/538
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/538>, abgerufen am 14.06.2024.