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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Maulwurfsgrille.
die unterirdischen Larven und die unterirdischen Pflanzentheile anheim. Von ihrer wahrhaft
unnatürlichen Gefräßigkeit erzählt Nördlinger ein schlagendes Beispiel. Eine in einem Garten
betroffene Werre sollte mit dem Grabscheite getödtet werden, wobei man sie zufällig so traf, daß
das Thier in eine vordere und hintere Hälfte gespalten wurde. Nach einer Viertelstunde fiel der
Blick des Vertilgers auf das todt vermeinte Thier; wie groß war aber sein Entsetzen, als er die
vordere mit dem Auffressen der weicheren hintern Hälfte beschäftigt fand. Wie alle Grillen ist
auch diese außerordentlich schen und vorsichtig und zieht sich bei dem geringsten Geräusch, der
geringsten Erschütterung des Erdbodens, die herrannahende Fußtritte hervorbringen, schleunigst
zurück, wenn man sie aus der Erde hervorholte, oder bei ihren abendlichen, der Begattung
geltenden Flugversuchen niederschlägt. Versuche lassen sich die Flugübungen unserer Art nur
nennen, eine andere in Japan und im indischen Archipel scheint gewandter hierin zu sein; denn
E. v. Martens erzählt, daß sie dort öfter des Abends in die Wohnungen geflogen kämen. Die
Begattung fällt in die zweite Hälfte des Juni und erste des Juli. Die Paarung erfolgt während
der Nacht und gewiß auch an versteckten Orten, weshalb sie noch nie beobachtet wurde, wie bei
so vielen Kersen, welche in dieser Hinsicht besonders den Hausthieren mit ihrer Verschämtheit ein
nachahmungswürdiges Beispiel geben. Die Männchen lassen, so lange die Sonne nicht über dem
Horizont steht, einen leise zirpenden Ton hören, den man mit dem entfernten Schwirren des
Ziegenmelkers (Caprimulgus europacus) verglichen hat. Gleich nach der Paarung beginnt das
Brutgeschäft des Weibchens. Um seine zahlreichen Eier abzulegen bereitet es ein förmliches Nest,
indem es einige schneckenförmig gewundene Gänge und in der Mitte derselben bis etwa vier Zoll
unter der Erde, eine Höhlung von Gestalt und Größe eines Hühnereies gräbt. Die Wände
werden mit Speichel befeuchtet, gut geglättet und auf solche Weise gewissermaßen ausgemauert,
so daß man bei gehöriger Vorsicht das ganze Nest als eine hohle, gerundete Erdscholle heraus-
heben kann. Von ihm aus führen nach verschiedenen Seiten einige mehr oder weniger gerade,
flache Gänge, die als etwa 3/4 Zoll breite Aufwürfe sich kenntlich machen, außerdem einige senk-
rechte nach unten, die theils dem Weibchen als Zufluchtsort bei nahender Gefahr, theils der
Brutstätte zum Abzug starker Nässe und zum Trockenhalten dienen. Ein solcher Bau wird an
einer offenen, unbeschatteten Stelle angelegt und der Raum über demselben durch Auflockern des
Erdreichs und durch unterirdisches Abfressen des Pflanzenwuchses dem Einflusse der Sonnenwärme
erschlossen. Das platzweise Absterben der Pflanzen, unter denen zolldicke Stauden sein können,
verräth am besten einen Brutplatz. Die Zahl der Eier, welche man in einem Neste findet, bleibt
sich nicht gleich, durchschnittlich kann man 200 annehmen, hat aber auch schon über 300 angetroffen;
eine bedeutend geringere als die erste Zahl weist darauf hin, daß das betreffende Weibchen
mit seinem Geschäft noch nicht zu Ende war, da dasselbe nicht auf einmal abgethan ist. Nach
Beendigung desselben stirbt es nicht, hält sich vielmehr in der Nähe des Nestes in einem senk-
rechten Gange mit dem Kopfe nach oben sitzend, wie Wache haltend, auf. Wenn man deshalb
behauptet hat, es "brüte", so liegt darin mindestens eine zu Jrrungen Anlaß gebende, ungeschickte
Ausdrucksweise. Richtig ist, daß es noch lebt, wenn die Jungen auskriechen, und daß es viele
derselben auffrißt, ob es aber, wie gleichfalls behauptet wird, in fast senkrecht angelegten Röhren
tief unter der Erde mit dem Kopfe nach oben überwintert, bezweifle ich, glaube vielmehr, daß es
vor Anfang des Winters stirbt. Drei Wochen etwa liegen die grünlich gelbbraunen, festschaligen
Eier von länglicher, schwach gedrückter Gestalt, ehe die Larven ausschlüpfen. Von Mitte Juli
an pflegt dies geschehen zu sein, doch beobachtet man auch von jetzt ab noch hie und da frisch
gelegte Eier, ja Ratzeburg fand solche einmal noch am 6. August. Jn den ersten drei bis vier
Wochen bleiben die Jungen beisammen, wühlen nicht und ernähren sich von den Pflanzenresten in
der Gartenerde oder den lebenden Würzelchen in der Umgebung ihrer Geburtsstätte. Jetzt häuten
sie sich zum ersten Male, werden lebhafter und zerstreuen sich. Ende August, also abermals nach
drei bis vier Wochen erfolgt die zweite Häutung und Ende September die dritte, nach welcher sie

Maulwurfsgrille.
die unterirdiſchen Larven und die unterirdiſchen Pflanzentheile anheim. Von ihrer wahrhaft
unnatürlichen Gefräßigkeit erzählt Nördlinger ein ſchlagendes Beiſpiel. Eine in einem Garten
betroffene Werre ſollte mit dem Grabſcheite getödtet werden, wobei man ſie zufällig ſo traf, daß
das Thier in eine vordere und hintere Hälfte geſpalten wurde. Nach einer Viertelſtunde fiel der
Blick des Vertilgers auf das todt vermeinte Thier; wie groß war aber ſein Entſetzen, als er die
vordere mit dem Auffreſſen der weicheren hintern Hälfte beſchäftigt fand. Wie alle Grillen iſt
auch dieſe außerordentlich ſchen und vorſichtig und zieht ſich bei dem geringſten Geräuſch, der
geringſten Erſchütterung des Erdbodens, die herrannahende Fußtritte hervorbringen, ſchleunigſt
zurück, wenn man ſie aus der Erde hervorholte, oder bei ihren abendlichen, der Begattung
geltenden Flugverſuchen niederſchlägt. Verſuche laſſen ſich die Flugübungen unſerer Art nur
nennen, eine andere in Japan und im indiſchen Archipel ſcheint gewandter hierin zu ſein; denn
E. v. Martens erzählt, daß ſie dort öfter des Abends in die Wohnungen geflogen kämen. Die
Begattung fällt in die zweite Hälfte des Juni und erſte des Juli. Die Paarung erfolgt während
der Nacht und gewiß auch an verſteckten Orten, weshalb ſie noch nie beobachtet wurde, wie bei
ſo vielen Kerſen, welche in dieſer Hinſicht beſonders den Hausthieren mit ihrer Verſchämtheit ein
nachahmungswürdiges Beiſpiel geben. Die Männchen laſſen, ſo lange die Sonne nicht über dem
Horizont ſteht, einen leiſe zirpenden Ton hören, den man mit dem entfernten Schwirren des
Ziegenmelkers (Caprimulgus europacus) verglichen hat. Gleich nach der Paarung beginnt das
Brutgeſchäft des Weibchens. Um ſeine zahlreichen Eier abzulegen bereitet es ein förmliches Neſt,
indem es einige ſchneckenförmig gewundene Gänge und in der Mitte derſelben bis etwa vier Zoll
unter der Erde, eine Höhlung von Geſtalt und Größe eines Hühnereies gräbt. Die Wände
werden mit Speichel befeuchtet, gut geglättet und auf ſolche Weiſe gewiſſermaßen ausgemauert,
ſo daß man bei gehöriger Vorſicht das ganze Neſt als eine hohle, gerundete Erdſcholle heraus-
heben kann. Von ihm aus führen nach verſchiedenen Seiten einige mehr oder weniger gerade,
flache Gänge, die als etwa ¾ Zoll breite Aufwürfe ſich kenntlich machen, außerdem einige ſenk-
rechte nach unten, die theils dem Weibchen als Zufluchtsort bei nahender Gefahr, theils der
Brutſtätte zum Abzug ſtarker Näſſe und zum Trockenhalten dienen. Ein ſolcher Bau wird an
einer offenen, unbeſchatteten Stelle angelegt und der Raum über demſelben durch Auflockern des
Erdreichs und durch unterirdiſches Abfreſſen des Pflanzenwuchſes dem Einfluſſe der Sonnenwärme
erſchloſſen. Das platzweiſe Abſterben der Pflanzen, unter denen zolldicke Stauden ſein können,
verräth am beſten einen Brutplatz. Die Zahl der Eier, welche man in einem Neſte findet, bleibt
ſich nicht gleich, durchſchnittlich kann man 200 annehmen, hat aber auch ſchon über 300 angetroffen;
eine bedeutend geringere als die erſte Zahl weist darauf hin, daß das betreffende Weibchen
mit ſeinem Geſchäft noch nicht zu Ende war, da daſſelbe nicht auf einmal abgethan iſt. Nach
Beendigung deſſelben ſtirbt es nicht, hält ſich vielmehr in der Nähe des Neſtes in einem ſenk-
rechten Gange mit dem Kopfe nach oben ſitzend, wie Wache haltend, auf. Wenn man deshalb
behauptet hat, es „brüte“, ſo liegt darin mindeſtens eine zu Jrrungen Anlaß gebende, ungeſchickte
Ausdrucksweiſe. Richtig iſt, daß es noch lebt, wenn die Jungen auskriechen, und daß es viele
derſelben auffrißt, ob es aber, wie gleichfalls behauptet wird, in faſt ſenkrecht angelegten Röhren
tief unter der Erde mit dem Kopfe nach oben überwintert, bezweifle ich, glaube vielmehr, daß es
vor Anfang des Winters ſtirbt. Drei Wochen etwa liegen die grünlich gelbbraunen, feſtſchaligen
Eier von länglicher, ſchwach gedrückter Geſtalt, ehe die Larven ausſchlüpfen. Von Mitte Juli
an pflegt dies geſchehen zu ſein, doch beobachtet man auch von jetzt ab noch hie und da friſch
gelegte Eier, ja Ratzeburg fand ſolche einmal noch am 6. Auguſt. Jn den erſten drei bis vier
Wochen bleiben die Jungen beiſammen, wühlen nicht und ernähren ſich von den Pflanzenreſten in
der Gartenerde oder den lebenden Würzelchen in der Umgebung ihrer Geburtsſtätte. Jetzt häuten
ſie ſich zum erſten Male, werden lebhafter und zerſtreuen ſich. Ende Auguſt, alſo abermals nach
drei bis vier Wochen erfolgt die zweite Häutung und Ende September die dritte, nach welcher ſie

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[495/0527] Maulwurfsgrille. die unterirdiſchen Larven und die unterirdiſchen Pflanzentheile anheim. Von ihrer wahrhaft unnatürlichen Gefräßigkeit erzählt Nördlinger ein ſchlagendes Beiſpiel. Eine in einem Garten betroffene Werre ſollte mit dem Grabſcheite getödtet werden, wobei man ſie zufällig ſo traf, daß das Thier in eine vordere und hintere Hälfte geſpalten wurde. Nach einer Viertelſtunde fiel der Blick des Vertilgers auf das todt vermeinte Thier; wie groß war aber ſein Entſetzen, als er die vordere mit dem Auffreſſen der weicheren hintern Hälfte beſchäftigt fand. Wie alle Grillen iſt auch dieſe außerordentlich ſchen und vorſichtig und zieht ſich bei dem geringſten Geräuſch, der geringſten Erſchütterung des Erdbodens, die herrannahende Fußtritte hervorbringen, ſchleunigſt zurück, wenn man ſie aus der Erde hervorholte, oder bei ihren abendlichen, der Begattung geltenden Flugverſuchen niederſchlägt. Verſuche laſſen ſich die Flugübungen unſerer Art nur nennen, eine andere in Japan und im indiſchen Archipel ſcheint gewandter hierin zu ſein; denn E. v. Martens erzählt, daß ſie dort öfter des Abends in die Wohnungen geflogen kämen. Die Begattung fällt in die zweite Hälfte des Juni und erſte des Juli. Die Paarung erfolgt während der Nacht und gewiß auch an verſteckten Orten, weshalb ſie noch nie beobachtet wurde, wie bei ſo vielen Kerſen, welche in dieſer Hinſicht beſonders den Hausthieren mit ihrer Verſchämtheit ein nachahmungswürdiges Beiſpiel geben. Die Männchen laſſen, ſo lange die Sonne nicht über dem Horizont ſteht, einen leiſe zirpenden Ton hören, den man mit dem entfernten Schwirren des Ziegenmelkers (Caprimulgus europacus) verglichen hat. Gleich nach der Paarung beginnt das Brutgeſchäft des Weibchens. Um ſeine zahlreichen Eier abzulegen bereitet es ein förmliches Neſt, indem es einige ſchneckenförmig gewundene Gänge und in der Mitte derſelben bis etwa vier Zoll unter der Erde, eine Höhlung von Geſtalt und Größe eines Hühnereies gräbt. Die Wände werden mit Speichel befeuchtet, gut geglättet und auf ſolche Weiſe gewiſſermaßen ausgemauert, ſo daß man bei gehöriger Vorſicht das ganze Neſt als eine hohle, gerundete Erdſcholle heraus- heben kann. Von ihm aus führen nach verſchiedenen Seiten einige mehr oder weniger gerade, flache Gänge, die als etwa ¾ Zoll breite Aufwürfe ſich kenntlich machen, außerdem einige ſenk- rechte nach unten, die theils dem Weibchen als Zufluchtsort bei nahender Gefahr, theils der Brutſtätte zum Abzug ſtarker Näſſe und zum Trockenhalten dienen. Ein ſolcher Bau wird an einer offenen, unbeſchatteten Stelle angelegt und der Raum über demſelben durch Auflockern des Erdreichs und durch unterirdiſches Abfreſſen des Pflanzenwuchſes dem Einfluſſe der Sonnenwärme erſchloſſen. Das platzweiſe Abſterben der Pflanzen, unter denen zolldicke Stauden ſein können, verräth am beſten einen Brutplatz. Die Zahl der Eier, welche man in einem Neſte findet, bleibt ſich nicht gleich, durchſchnittlich kann man 200 annehmen, hat aber auch ſchon über 300 angetroffen; eine bedeutend geringere als die erſte Zahl weist darauf hin, daß das betreffende Weibchen mit ſeinem Geſchäft noch nicht zu Ende war, da daſſelbe nicht auf einmal abgethan iſt. Nach Beendigung deſſelben ſtirbt es nicht, hält ſich vielmehr in der Nähe des Neſtes in einem ſenk- rechten Gange mit dem Kopfe nach oben ſitzend, wie Wache haltend, auf. Wenn man deshalb behauptet hat, es „brüte“, ſo liegt darin mindeſtens eine zu Jrrungen Anlaß gebende, ungeſchickte Ausdrucksweiſe. Richtig iſt, daß es noch lebt, wenn die Jungen auskriechen, und daß es viele derſelben auffrißt, ob es aber, wie gleichfalls behauptet wird, in faſt ſenkrecht angelegten Röhren tief unter der Erde mit dem Kopfe nach oben überwintert, bezweifle ich, glaube vielmehr, daß es vor Anfang des Winters ſtirbt. Drei Wochen etwa liegen die grünlich gelbbraunen, feſtſchaligen Eier von länglicher, ſchwach gedrückter Geſtalt, ehe die Larven ausſchlüpfen. Von Mitte Juli an pflegt dies geſchehen zu ſein, doch beobachtet man auch von jetzt ab noch hie und da friſch gelegte Eier, ja Ratzeburg fand ſolche einmal noch am 6. Auguſt. Jn den erſten drei bis vier Wochen bleiben die Jungen beiſammen, wühlen nicht und ernähren ſich von den Pflanzenreſten in der Gartenerde oder den lebenden Würzelchen in der Umgebung ihrer Geburtsſtätte. Jetzt häuten ſie ſich zum erſten Male, werden lebhafter und zerſtreuen ſich. Ende Auguſt, alſo abermals nach drei bis vier Wochen erfolgt die zweite Häutung und Ende September die dritte, nach welcher ſie

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/527>, abgerufen am 24.11.2024.