Mögen auch die Ansichten der verschiedenen Schriftsteller in einzelnen Punkten hinsichtlich der Lebensweise der Termiten weit auseinandergehen, in dem einen stimmen sie alle überein, daß viele Arten von ihnen, vielleicht am wenigsten die Hügelbauer, zu den Schrecknissen der üppigen Tropengegenden gehören, welche jeden Reisenden in Erstaunen setzen. Zwar greifen sie die Person desselben nicht an, wie so vieles andere unnütze oder giftige Geziefer, aber in ungeheuren Schaaren kommen sie angezogen, um in kürzester Frist sein Eigenthum, Kleider, Bücher, Haus- geräthe, selbst das Gebälk seiner Wohnung zu zerstören, und so im Geheimen, so hinterlistig, daß er den Schaden erst merkt, wenn er nicht mehr abzuwenden ist, daß ihm das Dach über dem Kopfe zusammenbricht, ehe er es sich versieht. D'Escayrac de Lauture verbreitet sich in seiner Reise durch Sudan ausführlicher über die weißen Ameisen, dort "Arda" genannt. Sie haben die Größe einer gemeinen Ameise und nähren sich vorzugsweise von Holz, zerfressen übrigens Alles: Leder, Fleisch, Papier etc. Bücher und Fußbekleidungen lassen sich sehr schwer vor ihnen schützen. Jn einer Nacht zerstörten sie einen kartonirten Atlas und das Futteral eines Fernrohres zur Hälfte. Die Zerstörung des ersteren wurde erst bemerkt, als man ihn zum Nachschlagen aufnahm. Die Ardas hatten, um zu ihm zu gelangen, den Boden des Gemachs und eine Erd- bank durchbohren müssen. Aeußerlich ließ sich keine Verletzung wahrnehmen, sie waren von unten in den Atlas gedrungen und hatten fast den ganzen Deckel und die nächsten Blätter zerstört. Die Nubier schützen ihre Effecten dadurch, daß sie dieselben auf Bretter legen, welche an Stricken vom Dache des Hauses herabhängen. Jn andern Gegenden verwahrt man die Hausgeräthe vor den scharfen Zähnen dieser gefräßigen Bestien dadurch, daß man sie mit den Füßen in Gefäße voll Wasser stellt. Ein Araber schlief bei Burnn auf einem Termitenneste, ohne es zu ahnen, ein und wachte des Morgens -- -- nackt auf; denn alle seine Kleider waren zerstört. Nach Brehm's Miltheilung hatte am 15. August (1850) zu Chartum im Divan des Latief-Pascha das Grundwasser des hoch gestiegenen blauen Nils Tags vorher eine Termitenkolonie in die Höhe getrieben, welche sich jetzt durch den Estrichboden des Saals einen Weg gebahnt und ihre Mit- glieder in solcher Zahl heraus gesendet hatte, daß alle Anwesenden flüchten mußten. Am folgenden Morgen ließ der Pascha ein tiefes Loch in das Erdreich graben, um das ganze Nest vertilgen zu können. Jm Nivean des Stromes fand man einen mächtigen, lebendigen Klumpen, der nur aus Termiten bestand. Er schien der Mittelpunkt der Kolonie zu sein, und von ihm liesen nach allen Seiten höhlenartige Kanäle aus, durch welche fortwährend neue Haufen zu- und abzogen. Der Klumpen wurde ersäuft und die Grube mit Kalk gefüllt. Abends kamen sie aber aus drei Löchern in noch weit größerer Anzahl hervor. Mehrere Diener arbeiteten beständig, sie zusammenzufegen und in Gefäße zu schaufeln.
Forbes fand bei der Besichtigung seines Zimmers, das während einer Abwesenheit von wenigen Wochen verschlossen geblieben war, einige Möbels zerstört. Er entdeckte eine Menge von Gängen, die nach gewissen Bildern an der Wand hinführten; die Gläser erschienen sehr dunkel und die Rahmen mit Staub bedeckt. Als er versuchte, ihn abzuwischen, war er erstaunt, die Gläser an die Mauer angeklebt zu finden und nicht mehr eingerahmt, sondern völlig umgeben mit einem von den weißen Ameisen herrührenden Kleister. Die hölzernen Rahmen, Hinterbretter und der größte Theil des Kupferstichs war aufgezehrt und das Glas durch den Kleister oder die bedeckten Gänge festgehalten. Nach dem Morning-Herald (Dezember 1814) sollte sogar die stolze Residenz des General-Gouverueurs in Calcutta, welche der ostindischen Gesellschaft ungeheure Summen gekostet hat, durch Zerstörung von Termiten ihrem Einsturze nahe gewesen sein. Auch in einem britischen Linienschiff, dem Albion, hatten sie sich so eingebürgert, daß es auseinander geschlagen werden mußte. -- Daß selbst Metall vor den Angriffen der scharfen Termitensäure nicht sicher ist, beweist eine strenge Untersuchung, welche die holländischen Behörden in Ternate anstellen ließen, weil man die angeblichen Zerstörungen gewisser eherner Gegenstände für Beamten- veruntreuungen hielt. Die auf den Wällen liegenden eisernen Kanonenläufe zeigten sich in der That
Die Geradflügler. Termiten.
Mögen auch die Anſichten der verſchiedenen Schriftſteller in einzelnen Punkten hinſichtlich der Lebensweiſe der Termiten weit auseinandergehen, in dem einen ſtimmen ſie alle überein, daß viele Arten von ihnen, vielleicht am wenigſten die Hügelbauer, zu den Schreckniſſen der üppigen Tropengegenden gehören, welche jeden Reiſenden in Erſtaunen ſetzen. Zwar greifen ſie die Perſon deſſelben nicht an, wie ſo vieles andere unnütze oder giftige Geziefer, aber in ungeheuren Schaaren kommen ſie angezogen, um in kürzeſter Friſt ſein Eigenthum, Kleider, Bücher, Haus- geräthe, ſelbſt das Gebälk ſeiner Wohnung zu zerſtören, und ſo im Geheimen, ſo hinterliſtig, daß er den Schaden erſt merkt, wenn er nicht mehr abzuwenden iſt, daß ihm das Dach über dem Kopfe zuſammenbricht, ehe er es ſich verſieht. D’Escayrac de Lauture verbreitet ſich in ſeiner Reiſe durch Sudan ausführlicher über die weißen Ameiſen, dort „Arda“ genannt. Sie haben die Größe einer gemeinen Ameiſe und nähren ſich vorzugsweiſe von Holz, zerfreſſen übrigens Alles: Leder, Fleiſch, Papier ꝛc. Bücher und Fußbekleidungen laſſen ſich ſehr ſchwer vor ihnen ſchützen. Jn einer Nacht zerſtörten ſie einen kartonirten Atlas und das Futteral eines Fernrohres zur Hälfte. Die Zerſtörung des erſteren wurde erſt bemerkt, als man ihn zum Nachſchlagen aufnahm. Die Ardas hatten, um zu ihm zu gelangen, den Boden des Gemachs und eine Erd- bank durchbohren müſſen. Aeußerlich ließ ſich keine Verletzung wahrnehmen, ſie waren von unten in den Atlas gedrungen und hatten faſt den ganzen Deckel und die nächſten Blätter zerſtört. Die Nubier ſchützen ihre Effecten dadurch, daß ſie dieſelben auf Bretter legen, welche an Stricken vom Dache des Hauſes herabhängen. Jn andern Gegenden verwahrt man die Hausgeräthe vor den ſcharfen Zähnen dieſer gefräßigen Beſtien dadurch, daß man ſie mit den Füßen in Gefäße voll Waſſer ſtellt. Ein Araber ſchlief bei Burnn auf einem Termitenneſte, ohne es zu ahnen, ein und wachte des Morgens — — nackt auf; denn alle ſeine Kleider waren zerſtört. Nach Brehm’s Miltheilung hatte am 15. Auguſt (1850) zu Chartum im Divan des Latief-Paſcha das Grundwaſſer des hoch geſtiegenen blauen Nils Tags vorher eine Termitenkolonie in die Höhe getrieben, welche ſich jetzt durch den Eſtrichboden des Saals einen Weg gebahnt und ihre Mit- glieder in ſolcher Zahl heraus geſendet hatte, daß alle Anweſenden flüchten mußten. Am folgenden Morgen ließ der Paſcha ein tiefes Loch in das Erdreich graben, um das ganze Neſt vertilgen zu können. Jm Nivean des Stromes fand man einen mächtigen, lebendigen Klumpen, der nur aus Termiten beſtand. Er ſchien der Mittelpunkt der Kolonie zu ſein, und von ihm lieſen nach allen Seiten höhlenartige Kanäle aus, durch welche fortwährend neue Haufen zu- und abzogen. Der Klumpen wurde erſäuft und die Grube mit Kalk gefüllt. Abends kamen ſie aber aus drei Löchern in noch weit größerer Anzahl hervor. Mehrere Diener arbeiteten beſtändig, ſie zuſammenzufegen und in Gefäße zu ſchaufeln.
Forbes fand bei der Beſichtigung ſeines Zimmers, das während einer Abweſenheit von wenigen Wochen verſchloſſen geblieben war, einige Möbels zerſtört. Er entdeckte eine Menge von Gängen, die nach gewiſſen Bildern an der Wand hinführten; die Gläſer erſchienen ſehr dunkel und die Rahmen mit Staub bedeckt. Als er verſuchte, ihn abzuwiſchen, war er erſtaunt, die Gläſer an die Mauer angeklebt zu finden und nicht mehr eingerahmt, ſondern völlig umgeben mit einem von den weißen Ameiſen herrührenden Kleiſter. Die hölzernen Rahmen, Hinterbretter und der größte Theil des Kupferſtichs war aufgezehrt und das Glas durch den Kleiſter oder die bedeckten Gänge feſtgehalten. Nach dem Morning-Herald (Dezember 1814) ſollte ſogar die ſtolze Reſidenz des General-Gouverueurs in Calcutta, welche der oſtindiſchen Geſellſchaft ungeheure Summen gekoſtet hat, durch Zerſtörung von Termiten ihrem Einſturze nahe geweſen ſein. Auch in einem britiſchen Linienſchiff, dem Albion, hatten ſie ſich ſo eingebürgert, daß es auseinander geſchlagen werden mußte. — Daß ſelbſt Metall vor den Angriffen der ſcharfen Termitenſäure nicht ſicher iſt, beweiſt eine ſtrenge Unterſuchung, welche die holländiſchen Behörden in Ternate anſtellen ließen, weil man die angeblichen Zerſtörungen gewiſſer eherner Gegenſtände für Beamten- veruntreuungen hielt. Die auf den Wällen liegenden eiſernen Kanonenläufe zeigten ſich in der That
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Die Geradflügler. Termiten.
Mögen auch die Anſichten der verſchiedenen Schriftſteller in einzelnen Punkten hinſichtlich der
Lebensweiſe der Termiten weit auseinandergehen, in dem einen ſtimmen ſie alle überein, daß
viele Arten von ihnen, vielleicht am wenigſten die Hügelbauer, zu den Schreckniſſen der üppigen
Tropengegenden gehören, welche jeden Reiſenden in Erſtaunen ſetzen. Zwar greifen ſie die Perſon
deſſelben nicht an, wie ſo vieles andere unnütze oder giftige Geziefer, aber in ungeheuren
Schaaren kommen ſie angezogen, um in kürzeſter Friſt ſein Eigenthum, Kleider, Bücher, Haus-
geräthe, ſelbſt das Gebälk ſeiner Wohnung zu zerſtören, und ſo im Geheimen, ſo hinterliſtig,
daß er den Schaden erſt merkt, wenn er nicht mehr abzuwenden iſt, daß ihm das Dach über dem
Kopfe zuſammenbricht, ehe er es ſich verſieht. D’Escayrac de Lauture verbreitet ſich in ſeiner
Reiſe durch Sudan ausführlicher über die weißen Ameiſen, dort „Arda“ genannt. Sie haben
die Größe einer gemeinen Ameiſe und nähren ſich vorzugsweiſe von Holz, zerfreſſen übrigens
Alles: Leder, Fleiſch, Papier ꝛc. Bücher und Fußbekleidungen laſſen ſich ſehr ſchwer vor ihnen
ſchützen. Jn einer Nacht zerſtörten ſie einen kartonirten Atlas und das Futteral eines Fernrohres
zur Hälfte. Die Zerſtörung des erſteren wurde erſt bemerkt, als man ihn zum Nachſchlagen
aufnahm. Die Ardas hatten, um zu ihm zu gelangen, den Boden des Gemachs und eine Erd-
bank durchbohren müſſen. Aeußerlich ließ ſich keine Verletzung wahrnehmen, ſie waren von unten
in den Atlas gedrungen und hatten faſt den ganzen Deckel und die nächſten Blätter zerſtört. Die
Nubier ſchützen ihre Effecten dadurch, daß ſie dieſelben auf Bretter legen, welche an Stricken
vom Dache des Hauſes herabhängen. Jn andern Gegenden verwahrt man die Hausgeräthe vor
den ſcharfen Zähnen dieſer gefräßigen Beſtien dadurch, daß man ſie mit den Füßen in Gefäße
voll Waſſer ſtellt. Ein Araber ſchlief bei Burnn auf einem Termitenneſte, ohne es zu ahnen,
ein und wachte des Morgens — — nackt auf; denn alle ſeine Kleider waren zerſtört. Nach
Brehm’s Miltheilung hatte am 15. Auguſt (1850) zu Chartum im Divan des Latief-Paſcha
das Grundwaſſer des hoch geſtiegenen blauen Nils Tags vorher eine Termitenkolonie in die Höhe
getrieben, welche ſich jetzt durch den Eſtrichboden des Saals einen Weg gebahnt und ihre Mit-
glieder in ſolcher Zahl heraus geſendet hatte, daß alle Anweſenden flüchten mußten. Am folgenden
Morgen ließ der Paſcha ein tiefes Loch in das Erdreich graben, um das ganze Neſt vertilgen zu
können. Jm Nivean des Stromes fand man einen mächtigen, lebendigen Klumpen, der nur aus
Termiten beſtand. Er ſchien der Mittelpunkt der Kolonie zu ſein, und von ihm lieſen nach allen
Seiten höhlenartige Kanäle aus, durch welche fortwährend neue Haufen zu- und abzogen. Der
Klumpen wurde erſäuft und die Grube mit Kalk gefüllt. Abends kamen ſie aber aus drei Löchern
in noch weit größerer Anzahl hervor. Mehrere Diener arbeiteten beſtändig, ſie zuſammenzufegen
und in Gefäße zu ſchaufeln.
Forbes fand bei der Beſichtigung ſeines Zimmers, das während einer Abweſenheit von
wenigen Wochen verſchloſſen geblieben war, einige Möbels zerſtört. Er entdeckte eine Menge von
Gängen, die nach gewiſſen Bildern an der Wand hinführten; die Gläſer erſchienen ſehr dunkel
und die Rahmen mit Staub bedeckt. Als er verſuchte, ihn abzuwiſchen, war er erſtaunt, die
Gläſer an die Mauer angeklebt zu finden und nicht mehr eingerahmt, ſondern völlig umgeben
mit einem von den weißen Ameiſen herrührenden Kleiſter. Die hölzernen Rahmen, Hinterbretter
und der größte Theil des Kupferſtichs war aufgezehrt und das Glas durch den Kleiſter oder die
bedeckten Gänge feſtgehalten. Nach dem Morning-Herald (Dezember 1814) ſollte ſogar die ſtolze
Reſidenz des General-Gouverueurs in Calcutta, welche der oſtindiſchen Geſellſchaft ungeheure
Summen gekoſtet hat, durch Zerſtörung von Termiten ihrem Einſturze nahe geweſen ſein. Auch
in einem britiſchen Linienſchiff, dem Albion, hatten ſie ſich ſo eingebürgert, daß es auseinander
geſchlagen werden mußte. — Daß ſelbſt Metall vor den Angriffen der ſcharfen Termitenſäure nicht
ſicher iſt, beweiſt eine ſtrenge Unterſuchung, welche die holländiſchen Behörden in Ternate anſtellen
ließen, weil man die angeblichen Zerſtörungen gewiſſer eherner Gegenſtände für Beamten-
veruntreuungen hielt. Die auf den Wällen liegenden eiſernen Kanonenläufe zeigten ſich in der That
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/492>, abgerufen am 24.11.2024.
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