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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Geradflügler. Termiten.
von männlichen Geschlechtstheilen bei den einen, von weiblichen bei den andern. Vor der ersten
Häutung lassen sich die arbeitenden und zur geschlechtlichen Reise gelangenden Termiten nicht
unterscheiden, allmälig jedoch prägen sich durch die Häutungen die Unterschiede der ersteren in der
Lage des Kopfes und Bildung des Thorax aus. -- Die Soldaten stimmen bis auf die beträchtlichere
Körpergröße und die überwiegende Ausdehnung des Kopfes mit den Arbeitern überein. Letzterer
nimmt nicht selten die Hälfte des ganzen Körpers ein und wechselt in Umrissen und Oberfläche je
nach der Art. Bei allen aber treten die Kinnbacken drohend aus ihm heraus, indem sie den dritten
Theil seiner Länge erreichen, mitunter sogar die ganze noch übertreffen, wogegen Kinnlade und
Unterlippe fast verkümmern. Auch bei den Soldaten fand Lespes zwei Geschlechter in der Anlage.
Diese Larven der Arbeiter und Soldaten fangen erst nach der zweiten Häutung an, sich zu unter-
scheiden. -- Hagen gedenkt noch einer weitern Form fabelhafter Geschöpfe, nämlich solcher, deren
Kopf sich vorn nasenartig in die Länge zieht und die der übrigen Bildung nach als einem der
beiden obengenannten Stände zugehörig betrachtet werden müssen. Er bemerkt dazu, der Annahme,
daß es möglicherweise Arbeiter und Soldaten einer besonderen Art sein könnten, stände das Vor-
kommen derselben Form ohne Nase entgegen, und nennt sie Nasuti (Nasenträger).

Bei nochmaliger Zusammenstellung der verschiedenen Zustände, welche in einem Termitenstaate
angetrossen werden können, gelangt man zu folgendem, höchst überraschenden Ergebnisse: 1) König
und von Eiern angeschwollene Königin, beide allein fruchtbar, 2) geflügelte Jmagos, Männchen
und Weibchen, 3) Nymphen derselben, 4) Nymphen derselben mit kurzen Flügelscheiden, 5) Larven
derselben, 6) Arbeiter beiderlei Geschlechts der Anlage nach, 7) Larven derselben, 8) Arbeiter
mit Nasen, 9) Soldaten beiderlei Geschlechts, welches ebenfalls nicht entwickelt ist, 10) Larven
derselben, 11) Soldaten mit Nasen, 12) Soldatennymphen mit kurzen Flügelscheiden. Die Formen
8 und 11 wurden bisher nur bei Eutermes beobachtet. Welche Schwierigkeiten diese so zusammen-
gesetzten Verhältnisse der richtigen Deutung der einzelnen Formen bei einer und derselben Art
und wiederum der Unterscheidung verschiedener Arten, welche im getrockneten Zustande oft ganz
anders als im lebenden aussehen, entgegen stellen, daran braucht wohl kaum erinnert zu werden.

Die Eier haben eine walzige, bisweilen gekrümmte Gestalt, runden sich an den Enden ab
und sind bei einer und derselben Art nicht alle von gleicher Größe.

Was nun das Leben und Treiben der Termiten im Allgemeinen anlangt, so steht fest, daß
männliche und weibliche, fortpflanzungsfähige Jndividuen, Arbeiter und Soldaten zu einem Staate
gehören, dessen Aufenthaltsort zunächst abgesehen von seiner Form und Einrichtung, das Nest
genannt sein mag. Die beiden letzten Kasten auf verschiedenen Altersstufen und eine Königin kommen
stets im Neste vor, geflügelte Männchen und Weibchen nur zeitweilig, in den Tropenländern wie
es scheint, bei Beginn der Regenzeit. Sobald diese vollkommen entwickelt sind und Ueberfüllung
im Neste eintritt, erfolgt, wie bei den Ameisen, das Schwärmen und die Paarung, sei es in der
Luft oder nachdem die Thiere wieder festen Boden unter sich gewonnen und die Flügel an der
Quernaht abgebrochen haben. Bates, welcher das Schwärmen in Amazonien beobachtete, erzählt,
daß es am Morgen geschehe, bei bedecktem Himmel, oder an trüben, feuchten Abenden. Jm
letzteren Falle haben die Lichter der menschlichen Wohnungen, wie für alle des Abends fliegenden
Kerfe, auch für die Termiten eine besondere Anziehungskraft. Myriadenweise dringen sie zu Thür
und Fenster ein, erfüllen die Luft mit einem laut rasselnden Geräusch und verlöschen die Lampen.
Rengger spricht in seiner "Reise nach Paragnay" von dem wunderbaren Eindruck, den der Anblick
einer "Säule" dieser Thiere hervorbringt, die aus der Erde aufsteige und im Sonnenlichte aus
Silberblättchen zu bestehen scheine. Mann fing auf einem entomologischen Ausfluge, welchen
er am 29. April (1846) von Livorno in die Sümpfe gegen Pisa unternahm, auf einem freien,
sonnigen Platze, früh zwischen 10 und 11 Uhr den zahlreich schwärmenden Termes lucifugus.
Dr.
Fritsch, welcher sich drei Jahre in Südafrika aufgehalten hat, gedenkt nur des von ihm
beobachteten "Schwärmens der Männchen." "Sie erheben sich gegen Abend in dichter Masse über

Die Geradflügler. Termiten.
von männlichen Geſchlechtstheilen bei den einen, von weiblichen bei den andern. Vor der erſten
Häutung laſſen ſich die arbeitenden und zur geſchlechtlichen Reiſe gelangenden Termiten nicht
unterſcheiden, allmälig jedoch prägen ſich durch die Häutungen die Unterſchiede der erſteren in der
Lage des Kopfes und Bildung des Thorax aus. — Die Soldaten ſtimmen bis auf die beträchtlichere
Körpergröße und die überwiegende Ausdehnung des Kopfes mit den Arbeitern überein. Letzterer
nimmt nicht ſelten die Hälfte des ganzen Körpers ein und wechſelt in Umriſſen und Oberfläche je
nach der Art. Bei allen aber treten die Kinnbacken drohend aus ihm heraus, indem ſie den dritten
Theil ſeiner Länge erreichen, mitunter ſogar die ganze noch übertreffen, wogegen Kinnlade und
Unterlippe faſt verkümmern. Auch bei den Soldaten fand Lespès zwei Geſchlechter in der Anlage.
Dieſe Larven der Arbeiter und Soldaten fangen erſt nach der zweiten Häutung an, ſich zu unter-
ſcheiden. — Hagen gedenkt noch einer weitern Form fabelhafter Geſchöpfe, nämlich ſolcher, deren
Kopf ſich vorn naſenartig in die Länge zieht und die der übrigen Bildung nach als einem der
beiden obengenannten Stände zugehörig betrachtet werden müſſen. Er bemerkt dazu, der Annahme,
daß es möglicherweiſe Arbeiter und Soldaten einer beſonderen Art ſein könnten, ſtände das Vor-
kommen derſelben Form ohne Naſe entgegen, und nennt ſie Nasuti (Naſenträger).

Bei nochmaliger Zuſammenſtellung der verſchiedenen Zuſtände, welche in einem Termitenſtaate
angetroſſen werden können, gelangt man zu folgendem, höchſt überraſchenden Ergebniſſe: 1) König
und von Eiern angeſchwollene Königin, beide allein fruchtbar, 2) geflügelte Jmagos, Männchen
und Weibchen, 3) Nymphen derſelben, 4) Nymphen derſelben mit kurzen Flügelſcheiden, 5) Larven
derſelben, 6) Arbeiter beiderlei Geſchlechts der Anlage nach, 7) Larven derſelben, 8) Arbeiter
mit Naſen, 9) Soldaten beiderlei Geſchlechts, welches ebenfalls nicht entwickelt iſt, 10) Larven
derſelben, 11) Soldaten mit Naſen, 12) Soldatennymphen mit kurzen Flügelſcheiden. Die Formen
8 und 11 wurden bisher nur bei Eutermes beobachtet. Welche Schwierigkeiten dieſe ſo zuſammen-
geſetzten Verhältniſſe der richtigen Deutung der einzelnen Formen bei einer und derſelben Art
und wiederum der Unterſcheidung verſchiedener Arten, welche im getrockneten Zuſtande oft ganz
anders als im lebenden ausſehen, entgegen ſtellen, daran braucht wohl kaum erinnert zu werden.

Die Eier haben eine walzige, bisweilen gekrümmte Geſtalt, runden ſich an den Enden ab
und ſind bei einer und derſelben Art nicht alle von gleicher Größe.

Was nun das Leben und Treiben der Termiten im Allgemeinen anlangt, ſo ſteht feſt, daß
männliche und weibliche, fortpflanzungsfähige Jndividuen, Arbeiter und Soldaten zu einem Staate
gehören, deſſen Aufenthaltsort zunächſt abgeſehen von ſeiner Form und Einrichtung, das Neſt
genannt ſein mag. Die beiden letzten Kaſten auf verſchiedenen Altersſtufen und eine Königin kommen
ſtets im Neſte vor, geflügelte Männchen und Weibchen nur zeitweilig, in den Tropenländern wie
es ſcheint, bei Beginn der Regenzeit. Sobald dieſe vollkommen entwickelt ſind und Ueberfüllung
im Neſte eintritt, erfolgt, wie bei den Ameiſen, das Schwärmen und die Paarung, ſei es in der
Luft oder nachdem die Thiere wieder feſten Boden unter ſich gewonnen und die Flügel an der
Quernaht abgebrochen haben. Bates, welcher das Schwärmen in Amazonien beobachtete, erzählt,
daß es am Morgen geſchehe, bei bedecktem Himmel, oder an trüben, feuchten Abenden. Jm
letzteren Falle haben die Lichter der menſchlichen Wohnungen, wie für alle des Abends fliegenden
Kerfe, auch für die Termiten eine beſondere Anziehungskraft. Myriadenweiſe dringen ſie zu Thür
und Fenſter ein, erfüllen die Luft mit einem laut raſſelnden Geräuſch und verlöſchen die Lampen.
Rengger ſpricht in ſeiner „Reiſe nach Paragnay“ von dem wunderbaren Eindruck, den der Anblick
einer „Säule“ dieſer Thiere hervorbringt, die aus der Erde aufſteige und im Sonnenlichte aus
Silberblättchen zu beſtehen ſcheine. Mann fing auf einem entomologiſchen Ausfluge, welchen
er am 29. April (1846) von Livorno in die Sümpfe gegen Piſa unternahm, auf einem freien,
ſonnigen Platze, früh zwiſchen 10 und 11 Uhr den zahlreich ſchwärmenden Termes lucifugus.
Dr.
Fritſch, welcher ſich drei Jahre in Südafrika aufgehalten hat, gedenkt nur des von ihm
beobachteten „Schwärmens der Männchen.“ „Sie erheben ſich gegen Abend in dichter Maſſe über

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[456/0486] Die Geradflügler. Termiten. von männlichen Geſchlechtstheilen bei den einen, von weiblichen bei den andern. Vor der erſten Häutung laſſen ſich die arbeitenden und zur geſchlechtlichen Reiſe gelangenden Termiten nicht unterſcheiden, allmälig jedoch prägen ſich durch die Häutungen die Unterſchiede der erſteren in der Lage des Kopfes und Bildung des Thorax aus. — Die Soldaten ſtimmen bis auf die beträchtlichere Körpergröße und die überwiegende Ausdehnung des Kopfes mit den Arbeitern überein. Letzterer nimmt nicht ſelten die Hälfte des ganzen Körpers ein und wechſelt in Umriſſen und Oberfläche je nach der Art. Bei allen aber treten die Kinnbacken drohend aus ihm heraus, indem ſie den dritten Theil ſeiner Länge erreichen, mitunter ſogar die ganze noch übertreffen, wogegen Kinnlade und Unterlippe faſt verkümmern. Auch bei den Soldaten fand Lespès zwei Geſchlechter in der Anlage. Dieſe Larven der Arbeiter und Soldaten fangen erſt nach der zweiten Häutung an, ſich zu unter- ſcheiden. — Hagen gedenkt noch einer weitern Form fabelhafter Geſchöpfe, nämlich ſolcher, deren Kopf ſich vorn naſenartig in die Länge zieht und die der übrigen Bildung nach als einem der beiden obengenannten Stände zugehörig betrachtet werden müſſen. Er bemerkt dazu, der Annahme, daß es möglicherweiſe Arbeiter und Soldaten einer beſonderen Art ſein könnten, ſtände das Vor- kommen derſelben Form ohne Naſe entgegen, und nennt ſie Nasuti (Naſenträger). Bei nochmaliger Zuſammenſtellung der verſchiedenen Zuſtände, welche in einem Termitenſtaate angetroſſen werden können, gelangt man zu folgendem, höchſt überraſchenden Ergebniſſe: 1) König und von Eiern angeſchwollene Königin, beide allein fruchtbar, 2) geflügelte Jmagos, Männchen und Weibchen, 3) Nymphen derſelben, 4) Nymphen derſelben mit kurzen Flügelſcheiden, 5) Larven derſelben, 6) Arbeiter beiderlei Geſchlechts der Anlage nach, 7) Larven derſelben, 8) Arbeiter mit Naſen, 9) Soldaten beiderlei Geſchlechts, welches ebenfalls nicht entwickelt iſt, 10) Larven derſelben, 11) Soldaten mit Naſen, 12) Soldatennymphen mit kurzen Flügelſcheiden. Die Formen 8 und 11 wurden bisher nur bei Eutermes beobachtet. Welche Schwierigkeiten dieſe ſo zuſammen- geſetzten Verhältniſſe der richtigen Deutung der einzelnen Formen bei einer und derſelben Art und wiederum der Unterſcheidung verſchiedener Arten, welche im getrockneten Zuſtande oft ganz anders als im lebenden ausſehen, entgegen ſtellen, daran braucht wohl kaum erinnert zu werden. Die Eier haben eine walzige, bisweilen gekrümmte Geſtalt, runden ſich an den Enden ab und ſind bei einer und derſelben Art nicht alle von gleicher Größe. Was nun das Leben und Treiben der Termiten im Allgemeinen anlangt, ſo ſteht feſt, daß männliche und weibliche, fortpflanzungsfähige Jndividuen, Arbeiter und Soldaten zu einem Staate gehören, deſſen Aufenthaltsort zunächſt abgeſehen von ſeiner Form und Einrichtung, das Neſt genannt ſein mag. Die beiden letzten Kaſten auf verſchiedenen Altersſtufen und eine Königin kommen ſtets im Neſte vor, geflügelte Männchen und Weibchen nur zeitweilig, in den Tropenländern wie es ſcheint, bei Beginn der Regenzeit. Sobald dieſe vollkommen entwickelt ſind und Ueberfüllung im Neſte eintritt, erfolgt, wie bei den Ameiſen, das Schwärmen und die Paarung, ſei es in der Luft oder nachdem die Thiere wieder feſten Boden unter ſich gewonnen und die Flügel an der Quernaht abgebrochen haben. Bates, welcher das Schwärmen in Amazonien beobachtete, erzählt, daß es am Morgen geſchehe, bei bedecktem Himmel, oder an trüben, feuchten Abenden. Jm letzteren Falle haben die Lichter der menſchlichen Wohnungen, wie für alle des Abends fliegenden Kerfe, auch für die Termiten eine beſondere Anziehungskraft. Myriadenweiſe dringen ſie zu Thür und Fenſter ein, erfüllen die Luft mit einem laut raſſelnden Geräuſch und verlöſchen die Lampen. Rengger ſpricht in ſeiner „Reiſe nach Paragnay“ von dem wunderbaren Eindruck, den der Anblick einer „Säule“ dieſer Thiere hervorbringt, die aus der Erde aufſteige und im Sonnenlichte aus Silberblättchen zu beſtehen ſcheine. Mann fing auf einem entomologiſchen Ausfluge, welchen er am 29. April (1846) von Livorno in die Sümpfe gegen Piſa unternahm, auf einem freien, ſonnigen Platze, früh zwiſchen 10 und 11 Uhr den zahlreich ſchwärmenden Termes lucifugus. Dr. Fritſch, welcher ſich drei Jahre in Südafrika aufgehalten hat, gedenkt nur des von ihm beobachteten „Schwärmens der Männchen.“ „Sie erheben ſich gegen Abend in dichter Maſſe über

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/486>, abgerufen am 24.11.2024.