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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Geradflügler. Eintagsfliegen.
getrennt werden. Diese ist im Hintergrunde durchbrochen, so daß das vorkriechende Thier sich
nicht umzuwenden braucht, sondern um die Scheidewand herum in der Nachbarröhre wieder nach
vorn gelangt. Daß diese Wände häufig vom Wasser oder durch das viele Vorbeikriechen zerstört
werden, läßt sich leicht denken. Die Larven der Gattung Palingenia graben auch, unterscheiden
sich aber äußerlich von der vorigen durch zwei gewimperte Kiemenblättchen an den Seiten der
meisten Hinterleibsringe. Andere Larven, die einen von mehr platter, die andern von rundlicher
Form, leben frei im Wasser und gehen oder schwimmen darin umher. Uebrigens müssen die
mühsamen Forschungen über diese Thiere und ihre Lebensverhältnisse noch lauge fortgesetzt werden,
ehe sich die vielen Lücken in unseren Kenntnissen von ihnen ausfüllen lassen.

Das gemeine Uferaas (Palingenia horaria) hat bei milchweißer Grundfarbe, einen schwärz-
lichen Außenrand der Vorderflügel und schwarze Schenkel und Schienen der Vorderbeine, überdies
an allen Beinen die beiden ersten der fünf Fußglieder einander gleich. Die Gattung charakterisirt

[Abbildung] Weibchen des gemeinen Uferaases
(Palingenia horaria).
sich durch licht geaderte, ungefleckte, aber nicht durchsichtige Flügel,
eine kürzere mittlere Schwanzborste, welche beim Männchen
mehr in die Augen fällt, als beim Weibchen; dieses soll sich,
wenigstens bei der langgeschwänzten Art (P. longicauda)
nicht zum zweiten Male häuten, außerdem bei der Paarung, welche
in der Luft oder auf dem Wasser erfolgt, auf dem Männchen
sitzen.

Die Ephemeren und unter ihnen vorzugsweise das Uferaas
(Palingenia) gehören zu denjenigen Arten, welche durch ihr massen-
haftes Auftreten ein allgemeineres Jnteresse in Anspruch nehmen,
welches sich bei ihnen wegen der kurzen Lebensdauer der Jndivi-
duen und dadurch noch erhöht, daß das ganze Geschlecht nur für
einige Tage oder vielmehr Abende im Jahre sichtbar wird, dann
wieder spurlos verschwindet, bis für jede Art im nächsten ihre Zeit wieder herbeigekommen ist.
Dieselbe halten sie so gut ein, daß dem Landwirthe die seinige für die verschiedenen Ernten nicht
geläufiger sein kann, wie sie den Fischern auf einem bestimmten Flusse für die ihrige ist, mögen
auch ein größerer Grad von Wärme oder Kälte, das Steigen oder Fallen des Wassers und andere
noch unbekannte Umstände ihr Erscheinen um etwas beschleunigen oder verzögern. Zwischen dem
10. und 15. August werden von den Fischern der Seine und Marne diejenigen erwartet, welche
Reanmur beschreibt (Palingenia virgo). Sie nennen sie "Manna" und wenn ihre Zeit gekommen
ist, so pflegen sie zu sagen: "das Manna fängt an sich zu zeigen; das Manna ist diese Nacht
hänfig, im Ueberfluß gefallen", wodurch sie entweder auf die erstaunliche Menge von Nahrung,
welche die Eintagsfliegen den Fischen bieten, oder auf die reiche Fülle ihrer Netze beim Fischfange
anspielen wollen. -- Reaumur bemerkte diese Kerfe zuerst im Jahre 1738, in welchem sie sich
nicht eher als den 18. Angust in Menge zeigten. Als er am folgenden Tage von seinem Fischer
erfahren, daß die Fliegen erschienen wären, stieg er drei Stunden vor Sonnenuntergang in einen
Kahn, löste vom Ufer des Flusses mehrere Erdmassen, welche mit Larven angefüllt waren und
setzte sie in einen großen Kübel mit Wasser. Als dieser bis gegen acht Uhr in dem Kahne
gestanden, ohne daß er eine beträchtliche Menge von Hasten geboren hatte, und ein Gewitter im
Anzuge war, ließ der berühmte Forscher denselben in seinen Garten bringen, an welchem die
Marne vorbeifloß. Noch ehe die Leute ihn an das Land brachten, kroch eine große Menge von
Ephemeren aus demselben hervor. Jedes Stück Erde, welches über das Wasser hervorragte,
ward von denselben bedeckt, indem einige ihren Schlammsitz zu verlassen begannen, einige zum
Fliegen bereit, und andere bereits im Fluge begrissen waren; überall unter dem Wasser konnte
man sie in einem höheren oder niederen Grade der Entwickelung sehen. Als das Gewitter sich
näherte, war er gezwungen, das interessante Schauspiel zu verlassen, kehrte aber sogleich wieder

Die Geradflügler. Eintagsfliegen.
getrennt werden. Dieſe iſt im Hintergrunde durchbrochen, ſo daß das vorkriechende Thier ſich
nicht umzuwenden braucht, ſondern um die Scheidewand herum in der Nachbarröhre wieder nach
vorn gelangt. Daß dieſe Wände häufig vom Waſſer oder durch das viele Vorbeikriechen zerſtört
werden, läßt ſich leicht denken. Die Larven der Gattung Palingenia graben auch, unterſcheiden
ſich aber äußerlich von der vorigen durch zwei gewimperte Kiemenblättchen an den Seiten der
meiſten Hinterleibsringe. Andere Larven, die einen von mehr platter, die andern von rundlicher
Form, leben frei im Waſſer und gehen oder ſchwimmen darin umher. Uebrigens müſſen die
mühſamen Forſchungen über dieſe Thiere und ihre Lebensverhältniſſe noch lauge fortgeſetzt werden,
ehe ſich die vielen Lücken in unſeren Kenntniſſen von ihnen ausfüllen laſſen.

Das gemeine Uferaas (Palingenia horaria) hat bei milchweißer Grundfarbe, einen ſchwärz-
lichen Außenrand der Vorderflügel und ſchwarze Schenkel und Schienen der Vorderbeine, überdies
an allen Beinen die beiden erſten der fünf Fußglieder einander gleich. Die Gattung charakteriſirt

[Abbildung] Weibchen des gemeinen Uferaaſes
(Palingenia horaria).
ſich durch licht geaderte, ungefleckte, aber nicht durchſichtige Flügel,
eine kürzere mittlere Schwanzborſte, welche beim Männchen
mehr in die Augen fällt, als beim Weibchen; dieſes ſoll ſich,
wenigſtens bei der langgeſchwänzten Art (P. longicauda)
nicht zum zweiten Male häuten, außerdem bei der Paarung, welche
in der Luft oder auf dem Waſſer erfolgt, auf dem Männchen
ſitzen.

Die Ephemeren und unter ihnen vorzugsweiſe das Uferaas
(Palingenia) gehören zu denjenigen Arten, welche durch ihr maſſen-
haftes Auftreten ein allgemeineres Jntereſſe in Anſpruch nehmen,
welches ſich bei ihnen wegen der kurzen Lebensdauer der Jndivi-
duen und dadurch noch erhöht, daß das ganze Geſchlecht nur für
einige Tage oder vielmehr Abende im Jahre ſichtbar wird, dann
wieder ſpurlos verſchwindet, bis für jede Art im nächſten ihre Zeit wieder herbeigekommen iſt.
Dieſelbe halten ſie ſo gut ein, daß dem Landwirthe die ſeinige für die verſchiedenen Ernten nicht
geläufiger ſein kann, wie ſie den Fiſchern auf einem beſtimmten Fluſſe für die ihrige iſt, mögen
auch ein größerer Grad von Wärme oder Kälte, das Steigen oder Fallen des Waſſers und andere
noch unbekannte Umſtände ihr Erſcheinen um etwas beſchleunigen oder verzögern. Zwiſchen dem
10. und 15. Auguſt werden von den Fiſchern der Seine und Marne diejenigen erwartet, welche
Réanmur beſchreibt (Palingenia virgo). Sie nennen ſie „Manna“ und wenn ihre Zeit gekommen
iſt, ſo pflegen ſie zu ſagen: „das Manna fängt an ſich zu zeigen; das Manna iſt dieſe Nacht
hänfig, im Ueberfluß gefallen“, wodurch ſie entweder auf die erſtaunliche Menge von Nahrung,
welche die Eintagsfliegen den Fiſchen bieten, oder auf die reiche Fülle ihrer Netze beim Fiſchfange
anſpielen wollen. — Réaumur bemerkte dieſe Kerfe zuerſt im Jahre 1738, in welchem ſie ſich
nicht eher als den 18. Anguſt in Menge zeigten. Als er am folgenden Tage von ſeinem Fiſcher
erfahren, daß die Fliegen erſchienen wären, ſtieg er drei Stunden vor Sonnenuntergang in einen
Kahn, löſte vom Ufer des Fluſſes mehrere Erdmaſſen, welche mit Larven angefüllt waren und
ſetzte ſie in einen großen Kübel mit Waſſer. Als dieſer bis gegen acht Uhr in dem Kahne
geſtanden, ohne daß er eine beträchtliche Menge von Haſten geboren hatte, und ein Gewitter im
Anzuge war, ließ der berühmte Forſcher denſelben in ſeinen Garten bringen, an welchem die
Marne vorbeifloß. Noch ehe die Leute ihn an das Land brachten, kroch eine große Menge von
Ephemeren aus demſelben hervor. Jedes Stück Erde, welches über das Waſſer hervorragte,
ward von denſelben bedeckt, indem einige ihren Schlammſitz zu verlaſſen begannen, einige zum
Fliegen bereit, und andere bereits im Fluge begriſſen waren; überall unter dem Waſſer konnte
man ſie in einem höheren oder niederen Grade der Entwickelung ſehen. Als das Gewitter ſich
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[442/0470] Die Geradflügler. Eintagsfliegen. getrennt werden. Dieſe iſt im Hintergrunde durchbrochen, ſo daß das vorkriechende Thier ſich nicht umzuwenden braucht, ſondern um die Scheidewand herum in der Nachbarröhre wieder nach vorn gelangt. Daß dieſe Wände häufig vom Waſſer oder durch das viele Vorbeikriechen zerſtört werden, läßt ſich leicht denken. Die Larven der Gattung Palingenia graben auch, unterſcheiden ſich aber äußerlich von der vorigen durch zwei gewimperte Kiemenblättchen an den Seiten der meiſten Hinterleibsringe. Andere Larven, die einen von mehr platter, die andern von rundlicher Form, leben frei im Waſſer und gehen oder ſchwimmen darin umher. Uebrigens müſſen die mühſamen Forſchungen über dieſe Thiere und ihre Lebensverhältniſſe noch lauge fortgeſetzt werden, ehe ſich die vielen Lücken in unſeren Kenntniſſen von ihnen ausfüllen laſſen. Das gemeine Uferaas (Palingenia horaria) hat bei milchweißer Grundfarbe, einen ſchwärz- lichen Außenrand der Vorderflügel und ſchwarze Schenkel und Schienen der Vorderbeine, überdies an allen Beinen die beiden erſten der fünf Fußglieder einander gleich. Die Gattung charakteriſirt [Abbildung Weibchen des gemeinen Uferaaſes (Palingenia horaria).] ſich durch licht geaderte, ungefleckte, aber nicht durchſichtige Flügel, eine kürzere mittlere Schwanzborſte, welche beim Männchen mehr in die Augen fällt, als beim Weibchen; dieſes ſoll ſich, wenigſtens bei der langgeſchwänzten Art (P. longicauda) nicht zum zweiten Male häuten, außerdem bei der Paarung, welche in der Luft oder auf dem Waſſer erfolgt, auf dem Männchen ſitzen. Die Ephemeren und unter ihnen vorzugsweiſe das Uferaas (Palingenia) gehören zu denjenigen Arten, welche durch ihr maſſen- haftes Auftreten ein allgemeineres Jntereſſe in Anſpruch nehmen, welches ſich bei ihnen wegen der kurzen Lebensdauer der Jndivi- duen und dadurch noch erhöht, daß das ganze Geſchlecht nur für einige Tage oder vielmehr Abende im Jahre ſichtbar wird, dann wieder ſpurlos verſchwindet, bis für jede Art im nächſten ihre Zeit wieder herbeigekommen iſt. Dieſelbe halten ſie ſo gut ein, daß dem Landwirthe die ſeinige für die verſchiedenen Ernten nicht geläufiger ſein kann, wie ſie den Fiſchern auf einem beſtimmten Fluſſe für die ihrige iſt, mögen auch ein größerer Grad von Wärme oder Kälte, das Steigen oder Fallen des Waſſers und andere noch unbekannte Umſtände ihr Erſcheinen um etwas beſchleunigen oder verzögern. Zwiſchen dem 10. und 15. Auguſt werden von den Fiſchern der Seine und Marne diejenigen erwartet, welche Réanmur beſchreibt (Palingenia virgo). Sie nennen ſie „Manna“ und wenn ihre Zeit gekommen iſt, ſo pflegen ſie zu ſagen: „das Manna fängt an ſich zu zeigen; das Manna iſt dieſe Nacht hänfig, im Ueberfluß gefallen“, wodurch ſie entweder auf die erſtaunliche Menge von Nahrung, welche die Eintagsfliegen den Fiſchen bieten, oder auf die reiche Fülle ihrer Netze beim Fiſchfange anſpielen wollen. — Réaumur bemerkte dieſe Kerfe zuerſt im Jahre 1738, in welchem ſie ſich nicht eher als den 18. Anguſt in Menge zeigten. Als er am folgenden Tage von ſeinem Fiſcher erfahren, daß die Fliegen erſchienen wären, ſtieg er drei Stunden vor Sonnenuntergang in einen Kahn, löſte vom Ufer des Fluſſes mehrere Erdmaſſen, welche mit Larven angefüllt waren und ſetzte ſie in einen großen Kübel mit Waſſer. Als dieſer bis gegen acht Uhr in dem Kahne geſtanden, ohne daß er eine beträchtliche Menge von Haſten geboren hatte, und ein Gewitter im Anzuge war, ließ der berühmte Forſcher denſelben in ſeinen Garten bringen, an welchem die Marne vorbeifloß. Noch ehe die Leute ihn an das Land brachten, kroch eine große Menge von Ephemeren aus demſelben hervor. Jedes Stück Erde, welches über das Waſſer hervorragte, ward von denſelben bedeckt, indem einige ihren Schlammſitz zu verlaſſen begannen, einige zum Fliegen bereit, und andere bereits im Fluge begriſſen waren; überall unter dem Waſſer konnte man ſie in einem höheren oder niederen Grade der Entwickelung ſehen. Als das Gewitter ſich näherte, war er gezwungen, das intereſſante Schauſpiel zu verlaſſen, kehrte aber ſogleich wieder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/470>, abgerufen am 24.11.2024.