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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeine Skorpionfliege. Mückenartige Schnabeljungfer. Grillenartige Schnabeljungfer.
theils Puppen der letzten dieser überwintern. Westwood führt in einer Monographie dieser Gattung
19 Arten auf, von welchen 3 in Europa, 7 in Amerika, 2 auf Java, eine auf Madras und
die übrigen in Afrika leben.

Noch zweier interessanter Erscheinungen sei gedacht, welche wegen der schnabelartigen Ver-
längerung der Mundtheile und der übrigen Merkmale in nächster Verwandtschaft zu der vorigen
stehen. Die mückenartige Schnabeljungfer (Bittacus tipularius) des südlichen Europas,
besonders Frankreichs, ein zwölf Linien langes Jnsekt, vom Kopf bis zur Flügelspitze in der Ruhe-
lage gemessen, scheint in Folge der langen dünnen Beine, des linienförmigen, an der Spitze etwas
geschwollenen und aufgebogenen Hinterleibes und der schmalen, gelblichen Flügel, auf den ersten
flüchtigen Blick eine Mücke zu sein. Fadenförmige Kiefertaster, Fühler wie Nebenaugen kenn-
zeichnen neben der schnabelartigen Verlängerung nach vorn den Kopf, lange Schienendornen und
nur eine Kralle die Beine, eine rostgelbe Farbe, welche auf dem mittleren und hinteren Brust-
ringe, so wie an den Spitzen der Schienen und Fußglieder ins Braune übergeht, den Körper.
Zitternd und unstät fliegen die Schnabeljungfern während der Dämmerung umher, hängen sich
mit den langen Vorderbeinen an ein Aestchen und fangen mit den Hinterbeinen die ihnen zu nahe
kommenden Jnsekten. Bei dieser Gelegenheit finden sich die Geschlechter zusammen, paaren sich,
Bauch gegen Bauch gewandt, und verzehren dabei die erhaschte Beute. Außer der eben besprochenen
kennt man noch einige andere Arten von Australien.

Die grillenartige Schnabeljungfer (der Gletschergast, Boreus hiemalis), ein nur
11/2 bis 2 Linien messendes Jnsekt, liebt die Kälte, denn es kommt vom Oktober bis zum März
vor und sogar bisweilen auf dem Eise der Gletscher. Zu dieser Sonderbarkeit in der Erschei-
nungszeit gesellen sich noch andere in Ansehung des Körperbaues. Zunächst werden die Flügel
beim Weibchen durch zwei Schuppen, beim Männchen durch zwei klauenartige, aufwärts gebogene
Anhänge vertreten, sodann verlängern sich die Hinterbeine bedeutend und befähigen zum Springen,
weshalb Panzer das Thierchen auch Schnabelgrille (Gryllus proboscideus) nannte, und es läßt
sich eine gewisse Aehnlichkeit mit einer ganz jungen Grashüpferlarve gar nicht leugnen. Das
Weibchen endlich hat eine lange Legröhre; Nebenaugen fehlen. Die metallisch dunkelgrüne Grund-
farbe wird an den Beinen, den Flügelstumpfen und an der Legröhre des Weibchens durch ein
bräunliches Gelb verdrängt. Vor mehreren Jahren erbeutete ich bei Halle einige Exemplare in
einer sandigen Einsenkung des Theiles unserer Kiefernhaide, welcher durch den Kohlenbau voll-
ständig unterminirt ist. Die zwischen Moos lebenden, zur Verpuppung trockene Erde aussuchenden
Lärvchen sollen denen der Skorpionfliege sehr ähnlich sein. Eine zweite Art hat man neuerdings
im Süden von New-York auf Schnee entdeckt und mit dem Namen B. nivoriundus belegt.



Während bei allen bisher betrachteten Gitterflüglern Gleichartigkeit der vier Flugwerkzeuge,
vor Allem keine Faltung der hinteren und hornige Kinnbacken zum Charakter gehören, treten bei
der nun zu erwähnenden Familie der Frühlingsfliegen, Wassermotten, Köcherfliegen,
Pelzflügler, Faltflügler
etc. (Phryganeodea), wesentliche Aenderungen gerade in diesen
Beziehungen ein. Von den behaarten oder beschuppten, nichts weniger als gegitterten Flügeln
falten sich die bedeutend breiteren Hinterflügel fächerartig, um von den meist bunt gefärbten vor-
deren bedeckt werden zu können, welche in der Ruhe wie ein Dach dem Leibe aufliegen und
denselben hinten überragen. Die Mundtheile verkümmern, besonders bleiben die Kinnbacken häutig,
Unterkiefer und Unterlippe verwachsen und an jenem lassen sich keine Laden unterscheiden, die Taster
an ihnen sind zwei- bis fünfgliederig, an den Lippen beständig dreigliederig. Je nach der Anzahl
der Schienensporen an allen Beinen, welche in verschiedener Zahl und Vertheilung an den ver-

Gemeine Skorpionfliege. Mückenartige Schnabeljungfer. Grillenartige Schnabeljungfer.
theils Puppen der letzten dieſer überwintern. Weſtwood führt in einer Monographie dieſer Gattung
19 Arten auf, von welchen 3 in Europa, 7 in Amerika, 2 auf Java, eine auf Madras und
die übrigen in Afrika leben.

Noch zweier intereſſanter Erſcheinungen ſei gedacht, welche wegen der ſchnabelartigen Ver-
längerung der Mundtheile und der übrigen Merkmale in nächſter Verwandtſchaft zu der vorigen
ſtehen. Die mückenartige Schnabeljungfer (Bittacus tipularius) des ſüdlichen Europas,
beſonders Frankreichs, ein zwölf Linien langes Jnſekt, vom Kopf bis zur Flügelſpitze in der Ruhe-
lage gemeſſen, ſcheint in Folge der langen dünnen Beine, des linienförmigen, an der Spitze etwas
geſchwollenen und aufgebogenen Hinterleibes und der ſchmalen, gelblichen Flügel, auf den erſten
flüchtigen Blick eine Mücke zu ſein. Fadenförmige Kiefertaſter, Fühler wie Nebenaugen kenn-
zeichnen neben der ſchnabelartigen Verlängerung nach vorn den Kopf, lange Schienendornen und
nur eine Kralle die Beine, eine roſtgelbe Farbe, welche auf dem mittleren und hinteren Bruſt-
ringe, ſo wie an den Spitzen der Schienen und Fußglieder ins Braune übergeht, den Körper.
Zitternd und unſtät fliegen die Schnabeljungfern während der Dämmerung umher, hängen ſich
mit den langen Vorderbeinen an ein Aeſtchen und fangen mit den Hinterbeinen die ihnen zu nahe
kommenden Jnſekten. Bei dieſer Gelegenheit finden ſich die Geſchlechter zuſammen, paaren ſich,
Bauch gegen Bauch gewandt, und verzehren dabei die erhaſchte Beute. Außer der eben beſprochenen
kennt man noch einige andere Arten von Auſtralien.

Die grillenartige Schnabeljungfer (der Gletſchergaſt, Boreus hiemalis), ein nur
1½ bis 2 Linien meſſendes Jnſekt, liebt die Kälte, denn es kommt vom Oktober bis zum März
vor und ſogar bisweilen auf dem Eiſe der Gletſcher. Zu dieſer Sonderbarkeit in der Erſchei-
nungszeit geſellen ſich noch andere in Anſehung des Körperbaues. Zunächſt werden die Flügel
beim Weibchen durch zwei Schuppen, beim Männchen durch zwei klauenartige, aufwärts gebogene
Anhänge vertreten, ſodann verlängern ſich die Hinterbeine bedeutend und befähigen zum Springen,
weshalb Panzer das Thierchen auch Schnabelgrille (Gryllus proboscideus) nannte, und es läßt
ſich eine gewiſſe Aehnlichkeit mit einer ganz jungen Grashüpferlarve gar nicht leugnen. Das
Weibchen endlich hat eine lange Legröhre; Nebenaugen fehlen. Die metalliſch dunkelgrüne Grund-
farbe wird an den Beinen, den Flügelſtumpfen und an der Legröhre des Weibchens durch ein
bräunliches Gelb verdrängt. Vor mehreren Jahren erbeutete ich bei Halle einige Exemplare in
einer ſandigen Einſenkung des Theiles unſerer Kiefernhaide, welcher durch den Kohlenbau voll-
ſtändig unterminirt iſt. Die zwiſchen Moos lebenden, zur Verpuppung trockene Erde auſſuchenden
Lärvchen ſollen denen der Skorpionfliege ſehr ähnlich ſein. Eine zweite Art hat man neuerdings
im Süden von New-York auf Schnee entdeckt und mit dem Namen B. nivoriundus belegt.



Während bei allen bisher betrachteten Gitterflüglern Gleichartigkeit der vier Flugwerkzeuge,
vor Allem keine Faltung der hinteren und hornige Kinnbacken zum Charakter gehören, treten bei
der nun zu erwähnenden Familie der Frühlingsfliegen, Waſſermotten, Köcherfliegen,
Pelzflügler, Faltflügler
ꝛc. (Phryganeodea), weſentliche Aenderungen gerade in dieſen
Beziehungen ein. Von den behaarten oder beſchuppten, nichts weniger als gegitterten Flügeln
falten ſich die bedeutend breiteren Hinterflügel fächerartig, um von den meiſt bunt gefärbten vor-
deren bedeckt werden zu können, welche in der Ruhe wie ein Dach dem Leibe aufliegen und
denſelben hinten überragen. Die Mundtheile verkümmern, beſonders bleiben die Kinnbacken häutig,
Unterkiefer und Unterlippe verwachſen und an jenem laſſen ſich keine Laden unterſcheiden, die Taſter
an ihnen ſind zwei- bis fünfgliederig, an den Lippen beſtändig dreigliederig. Je nach der Anzahl
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[431/0459] Gemeine Skorpionfliege. Mückenartige Schnabeljungfer. Grillenartige Schnabeljungfer. theils Puppen der letzten dieſer überwintern. Weſtwood führt in einer Monographie dieſer Gattung 19 Arten auf, von welchen 3 in Europa, 7 in Amerika, 2 auf Java, eine auf Madras und die übrigen in Afrika leben. Noch zweier intereſſanter Erſcheinungen ſei gedacht, welche wegen der ſchnabelartigen Ver- längerung der Mundtheile und der übrigen Merkmale in nächſter Verwandtſchaft zu der vorigen ſtehen. Die mückenartige Schnabeljungfer (Bittacus tipularius) des ſüdlichen Europas, beſonders Frankreichs, ein zwölf Linien langes Jnſekt, vom Kopf bis zur Flügelſpitze in der Ruhe- lage gemeſſen, ſcheint in Folge der langen dünnen Beine, des linienförmigen, an der Spitze etwas geſchwollenen und aufgebogenen Hinterleibes und der ſchmalen, gelblichen Flügel, auf den erſten flüchtigen Blick eine Mücke zu ſein. Fadenförmige Kiefertaſter, Fühler wie Nebenaugen kenn- zeichnen neben der ſchnabelartigen Verlängerung nach vorn den Kopf, lange Schienendornen und nur eine Kralle die Beine, eine roſtgelbe Farbe, welche auf dem mittleren und hinteren Bruſt- ringe, ſo wie an den Spitzen der Schienen und Fußglieder ins Braune übergeht, den Körper. Zitternd und unſtät fliegen die Schnabeljungfern während der Dämmerung umher, hängen ſich mit den langen Vorderbeinen an ein Aeſtchen und fangen mit den Hinterbeinen die ihnen zu nahe kommenden Jnſekten. Bei dieſer Gelegenheit finden ſich die Geſchlechter zuſammen, paaren ſich, Bauch gegen Bauch gewandt, und verzehren dabei die erhaſchte Beute. Außer der eben beſprochenen kennt man noch einige andere Arten von Auſtralien. Die grillenartige Schnabeljungfer (der Gletſchergaſt, Boreus hiemalis), ein nur 1½ bis 2 Linien meſſendes Jnſekt, liebt die Kälte, denn es kommt vom Oktober bis zum März vor und ſogar bisweilen auf dem Eiſe der Gletſcher. Zu dieſer Sonderbarkeit in der Erſchei- nungszeit geſellen ſich noch andere in Anſehung des Körperbaues. Zunächſt werden die Flügel beim Weibchen durch zwei Schuppen, beim Männchen durch zwei klauenartige, aufwärts gebogene Anhänge vertreten, ſodann verlängern ſich die Hinterbeine bedeutend und befähigen zum Springen, weshalb Panzer das Thierchen auch Schnabelgrille (Gryllus proboscideus) nannte, und es läßt ſich eine gewiſſe Aehnlichkeit mit einer ganz jungen Grashüpferlarve gar nicht leugnen. Das Weibchen endlich hat eine lange Legröhre; Nebenaugen fehlen. Die metalliſch dunkelgrüne Grund- farbe wird an den Beinen, den Flügelſtumpfen und an der Legröhre des Weibchens durch ein bräunliches Gelb verdrängt. Vor mehreren Jahren erbeutete ich bei Halle einige Exemplare in einer ſandigen Einſenkung des Theiles unſerer Kiefernhaide, welcher durch den Kohlenbau voll- ſtändig unterminirt iſt. Die zwiſchen Moos lebenden, zur Verpuppung trockene Erde auſſuchenden Lärvchen ſollen denen der Skorpionfliege ſehr ähnlich ſein. Eine zweite Art hat man neuerdings im Süden von New-York auf Schnee entdeckt und mit dem Namen B. nivoriundus belegt. Während bei allen bisher betrachteten Gitterflüglern Gleichartigkeit der vier Flugwerkzeuge, vor Allem keine Faltung der hinteren und hornige Kinnbacken zum Charakter gehören, treten bei der nun zu erwähnenden Familie der Frühlingsfliegen, Waſſermotten, Köcherfliegen, Pelzflügler, Faltflügler ꝛc. (Phryganeodea), weſentliche Aenderungen gerade in dieſen Beziehungen ein. Von den behaarten oder beſchuppten, nichts weniger als gegitterten Flügeln falten ſich die bedeutend breiteren Hinterflügel fächerartig, um von den meiſt bunt gefärbten vor- deren bedeckt werden zu können, welche in der Ruhe wie ein Dach dem Leibe aufliegen und denſelben hinten überragen. Die Mundtheile verkümmern, beſonders bleiben die Kinnbacken häutig, Unterkiefer und Unterlippe verwachſen und an jenem laſſen ſich keine Laden unterſcheiden, die Taſter an ihnen ſind zwei- bis fünfgliederig, an den Lippen beſtändig dreigliederig. Je nach der Anzahl der Schienenſporen an allen Beinen, welche in verſchiedener Zahl und Vertheilung an den ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/459>, abgerufen am 24.11.2024.