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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Hautbreme des Rindes. Schnellfliegen.

Es ist schwierig, bei dem beschränkten Raume eine Auswahl aus dem größten Heere der
Fliegen zu treffen, welche die Systematiker zu der Familie der Musciden (Muscidae) vereinigt
haben, jener Tausende von Dipteren, welche nicht minder reich an Formen, wie an Arten sind
und dabei doch in gewissen Beziehungen so viel Uebereinstimmung zeigen, daß jede Art scharf und
umständlich charakterisirt sein will, um sich aus der Beschreibung auch mit Sicherheit erkennen zu
lassen. Die allbekannte, überall hin auf der Erde dem Menschen folgende Stubenfliege, der blaue
Brummer, vor welchem wir unsere Fleischwaaren im Sommer nicht genug verwahren können, die
goldgrünen Fliegen, welche zu Schaaren im Freien eine ihnen dargebotene Gabe im Nu bedecken,
alle jene Hunderte von Arten, welche für das ungeübte Auge Stubenfliegen zu sein scheinen,
gehören hierher und führen uns den Familiencharakter vor. So weit derselbe das Flügelgeäder
betrifft, verweisen wir auf unsere rechte Abbildung S. 376, wonach sehr vieler, wenn auch nicht
aller Musciden Flügel gebildet sind. Weiter stimmen sie in folgenden Punkten überein: die mehr
oder weniger gesenkten oder niederliegenden Fühler sind immer dreigliederig, das letzte verschieden
geformte, aber stets breitgedrückte Glied hat eine gegliederte oder ungegliederte, nackte oder behaarte
Rückenborste. Der gekniete Rüssel, in seltenen Fällen hornig und stechend, trägt vorherrschend
breite Saugflächen, ungegliederte Taster und zwei Borsten. Auf dem Rückenschilde gehört eine
Quernaht zu den Erkennungszeichen und an den Füßen außer den einfachen Klauen zwei Hast-
läppchen, welche beim Männchen öfter stärker zur Entwickelung kommen als beim fast immer
größeren Weibchen. Wenn man in Rücksicht der sehr entwickelten, die Schwinger versteckenden
Flügelschüppchen bei den einen und deren Mangel oder Verkümmerung bei den anderen die Musciden
in zwei große Gruppen (M. calypterae und acalypterae) und jede wieder in zahlreiche Sippen
gliederte, so geschah dies weniger, um dadurch eine natürliche Eintheilung zu erzielen, als einen
Anhalt zu gewinnen für die so vielen, sonst eben wenig ausgezeichneten, besonders in der Färbung
überaus eintönigen Gattungen und Arten.

Die Schnell-, Mord-, Raupenfliegen von der Gattung Tachina, um welche sich eine
Anzahl anderer schaart, auch Tachinen genannt, gehören entschieden zu den wichtigsten aller
Fliegen, zu jenen kleinen und sicheren Wächtern, welche die Natur schuf, um der Störung des
Gleichgewichts in ihrem unendlich gegliederten Haushalte entgegen zu treten, indem ihre Larven
als Schmarotzer, meist mehrere auf einmal in anderen Jnsektenlarven, in denen von Blattwespen,
Ohrwürmern, Käfern, vorherrschend jedoch in Schmetterlingsraupen leben und deren allzugroßer
Vermehrung vorbeugen. Darum fallen uns die kleineren von ihnen wenig in die Augen, denn
sie schlüpfen, unverdrossen suchend, im Grase und zwischen Gebüsch umher, wo die Weibchen ihre
Schlachtopfer zu finden wissen. Die robusteren Arten wird man eher gewahr und erkennt sie am
hastigen, scheuen Fluge, an ihrer Wildheit, worauf der erste jener deutschen Namen und die wissen-
schaftlichen Benennungen wie Echinomyia ferox, fera u. a. hinweisen. Das Verhalten der Larven
zum Wohnthiere ist bei den verschiedenen Arten ein verschiedenes. Die einen bohren sich aus dem
Raupenkörper und gehen zur Verpuppung in die Erde, die anderen thun
dasselbe, nachdem sich die Raupe verpuppt hat, noch andere verwandeln
sich in der Schmetterlingspuppe oder im Cocon der Blattwespenlarven
zu Tönnchen; manche endlich werden als Larven vom Weibchen geboren
und nicht in Eiform dem Wirthe übergeben. Alle Tachinen stimmen
überein in der deutlichen Spitzenauerader d. h. einer Verbindung zwischen
der zweiten und dritten Längsader an ihren Enden, durch einen Ader-
anhang der ersteren in der Nähe der Flügelspitze, in der nackten, oder
mindestens scheinbar nackten, gegliederten Fühlerborste und in dem

[Abbildung] Tachina fera
nebst Puppe und Larve.
vierringeligen, kurzeiförmigen, kegeligen, selten walzenförmigen Hinterleibe, der im letzten Falle
dann wie hinten eingebogen erscheint. Nur wenigen Arten fehlen die starken Borsten (Macrocheten)
am Körper. Die Augen stoßen auf dem Scheitel nicht zusammen, wenn sie sich auch beim

Hautbreme des Rindes. Schnellfliegen.

Es iſt ſchwierig, bei dem beſchränkten Raume eine Auswahl aus dem größten Heere der
Fliegen zu treffen, welche die Syſtematiker zu der Familie der Musciden (Muscidae) vereinigt
haben, jener Tauſende von Dipteren, welche nicht minder reich an Formen, wie an Arten ſind
und dabei doch in gewiſſen Beziehungen ſo viel Uebereinſtimmung zeigen, daß jede Art ſcharf und
umſtändlich charakteriſirt ſein will, um ſich aus der Beſchreibung auch mit Sicherheit erkennen zu
laſſen. Die allbekannte, überall hin auf der Erde dem Menſchen folgende Stubenfliege, der blaue
Brummer, vor welchem wir unſere Fleiſchwaaren im Sommer nicht genug verwahren können, die
goldgrünen Fliegen, welche zu Schaaren im Freien eine ihnen dargebotene Gabe im Nu bedecken,
alle jene Hunderte von Arten, welche für das ungeübte Auge Stubenfliegen zu ſein ſcheinen,
gehören hierher und führen uns den Familiencharakter vor. So weit derſelbe das Flügelgeäder
betrifft, verweiſen wir auf unſere rechte Abbildung S. 376, wonach ſehr vieler, wenn auch nicht
aller Musciden Flügel gebildet ſind. Weiter ſtimmen ſie in folgenden Punkten überein: die mehr
oder weniger geſenkten oder niederliegenden Fühler ſind immer dreigliederig, das letzte verſchieden
geformte, aber ſtets breitgedrückte Glied hat eine gegliederte oder ungegliederte, nackte oder behaarte
Rückenborſte. Der gekniete Rüſſel, in ſeltenen Fällen hornig und ſtechend, trägt vorherrſchend
breite Saugflächen, ungegliederte Taſter und zwei Borſten. Auf dem Rückenſchilde gehört eine
Quernaht zu den Erkennungszeichen und an den Füßen außer den einfachen Klauen zwei Haſt-
läppchen, welche beim Männchen öfter ſtärker zur Entwickelung kommen als beim faſt immer
größeren Weibchen. Wenn man in Rückſicht der ſehr entwickelten, die Schwinger verſteckenden
Flügelſchüppchen bei den einen und deren Mangel oder Verkümmerung bei den anderen die Musciden
in zwei große Gruppen (M. calypterae und acalypterae) und jede wieder in zahlreiche Sippen
gliederte, ſo geſchah dies weniger, um dadurch eine natürliche Eintheilung zu erzielen, als einen
Anhalt zu gewinnen für die ſo vielen, ſonſt eben wenig ausgezeichneten, beſonders in der Färbung
überaus eintönigen Gattungen und Arten.

Die Schnell-, Mord-, Raupenfliegen von der Gattung Tachina, um welche ſich eine
Anzahl anderer ſchaart, auch Tachinen genannt, gehören entſchieden zu den wichtigſten aller
Fliegen, zu jenen kleinen und ſicheren Wächtern, welche die Natur ſchuf, um der Störung des
Gleichgewichts in ihrem unendlich gegliederten Haushalte entgegen zu treten, indem ihre Larven
als Schmarotzer, meiſt mehrere auf einmal in anderen Jnſektenlarven, in denen von Blattwespen,
Ohrwürmern, Käfern, vorherrſchend jedoch in Schmetterlingsraupen leben und deren allzugroßer
Vermehrung vorbeugen. Darum fallen uns die kleineren von ihnen wenig in die Augen, denn
ſie ſchlüpfen, unverdroſſen ſuchend, im Graſe und zwiſchen Gebüſch umher, wo die Weibchen ihre
Schlachtopfer zu finden wiſſen. Die robuſteren Arten wird man eher gewahr und erkennt ſie am
haſtigen, ſcheuen Fluge, an ihrer Wildheit, worauf der erſte jener deutſchen Namen und die wiſſen-
ſchaftlichen Benennungen wie Echinomyia ferox, fera u. a. hinweiſen. Das Verhalten der Larven
zum Wohnthiere iſt bei den verſchiedenen Arten ein verſchiedenes. Die einen bohren ſich aus dem
Raupenkörper und gehen zur Verpuppung in die Erde, die anderen thun
daſſelbe, nachdem ſich die Raupe verpuppt hat, noch andere verwandeln
ſich in der Schmetterlingspuppe oder im Cocon der Blattwespenlarven
zu Tönnchen; manche endlich werden als Larven vom Weibchen geboren
und nicht in Eiform dem Wirthe übergeben. Alle Tachinen ſtimmen
überein in der deutlichen Spitzenauerader d. h. einer Verbindung zwiſchen
der zweiten und dritten Längsader an ihren Enden, durch einen Ader-
anhang der erſteren in der Nähe der Flügelſpitze, in der nackten, oder
mindeſtens ſcheinbar nackten, gegliederten Fühlerborſte und in dem

[Abbildung] Tachina fera
nebſt Puppe und Larve.
vierringeligen, kurzeiförmigen, kegeligen, ſelten walzenförmigen Hinterleibe, der im letzten Falle
dann wie hinten eingebogen erſcheint. Nur wenigen Arten fehlen die ſtarken Borſten (Macrocheten)
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[407/0433] Hautbreme des Rindes. Schnellfliegen. Es iſt ſchwierig, bei dem beſchränkten Raume eine Auswahl aus dem größten Heere der Fliegen zu treffen, welche die Syſtematiker zu der Familie der Musciden (Muscidae) vereinigt haben, jener Tauſende von Dipteren, welche nicht minder reich an Formen, wie an Arten ſind und dabei doch in gewiſſen Beziehungen ſo viel Uebereinſtimmung zeigen, daß jede Art ſcharf und umſtändlich charakteriſirt ſein will, um ſich aus der Beſchreibung auch mit Sicherheit erkennen zu laſſen. Die allbekannte, überall hin auf der Erde dem Menſchen folgende Stubenfliege, der blaue Brummer, vor welchem wir unſere Fleiſchwaaren im Sommer nicht genug verwahren können, die goldgrünen Fliegen, welche zu Schaaren im Freien eine ihnen dargebotene Gabe im Nu bedecken, alle jene Hunderte von Arten, welche für das ungeübte Auge Stubenfliegen zu ſein ſcheinen, gehören hierher und führen uns den Familiencharakter vor. So weit derſelbe das Flügelgeäder betrifft, verweiſen wir auf unſere rechte Abbildung S. 376, wonach ſehr vieler, wenn auch nicht aller Musciden Flügel gebildet ſind. Weiter ſtimmen ſie in folgenden Punkten überein: die mehr oder weniger geſenkten oder niederliegenden Fühler ſind immer dreigliederig, das letzte verſchieden geformte, aber ſtets breitgedrückte Glied hat eine gegliederte oder ungegliederte, nackte oder behaarte Rückenborſte. Der gekniete Rüſſel, in ſeltenen Fällen hornig und ſtechend, trägt vorherrſchend breite Saugflächen, ungegliederte Taſter und zwei Borſten. Auf dem Rückenſchilde gehört eine Quernaht zu den Erkennungszeichen und an den Füßen außer den einfachen Klauen zwei Haſt- läppchen, welche beim Männchen öfter ſtärker zur Entwickelung kommen als beim faſt immer größeren Weibchen. Wenn man in Rückſicht der ſehr entwickelten, die Schwinger verſteckenden Flügelſchüppchen bei den einen und deren Mangel oder Verkümmerung bei den anderen die Musciden in zwei große Gruppen (M. calypterae und acalypterae) und jede wieder in zahlreiche Sippen gliederte, ſo geſchah dies weniger, um dadurch eine natürliche Eintheilung zu erzielen, als einen Anhalt zu gewinnen für die ſo vielen, ſonſt eben wenig ausgezeichneten, beſonders in der Färbung überaus eintönigen Gattungen und Arten. Die Schnell-, Mord-, Raupenfliegen von der Gattung Tachina, um welche ſich eine Anzahl anderer ſchaart, auch Tachinen genannt, gehören entſchieden zu den wichtigſten aller Fliegen, zu jenen kleinen und ſicheren Wächtern, welche die Natur ſchuf, um der Störung des Gleichgewichts in ihrem unendlich gegliederten Haushalte entgegen zu treten, indem ihre Larven als Schmarotzer, meiſt mehrere auf einmal in anderen Jnſektenlarven, in denen von Blattwespen, Ohrwürmern, Käfern, vorherrſchend jedoch in Schmetterlingsraupen leben und deren allzugroßer Vermehrung vorbeugen. Darum fallen uns die kleineren von ihnen wenig in die Augen, denn ſie ſchlüpfen, unverdroſſen ſuchend, im Graſe und zwiſchen Gebüſch umher, wo die Weibchen ihre Schlachtopfer zu finden wiſſen. Die robuſteren Arten wird man eher gewahr und erkennt ſie am haſtigen, ſcheuen Fluge, an ihrer Wildheit, worauf der erſte jener deutſchen Namen und die wiſſen- ſchaftlichen Benennungen wie Echinomyia ferox, fera u. a. hinweiſen. Das Verhalten der Larven zum Wohnthiere iſt bei den verſchiedenen Arten ein verſchiedenes. Die einen bohren ſich aus dem Raupenkörper und gehen zur Verpuppung in die Erde, die anderen thun daſſelbe, nachdem ſich die Raupe verpuppt hat, noch andere verwandeln ſich in der Schmetterlingspuppe oder im Cocon der Blattwespenlarven zu Tönnchen; manche endlich werden als Larven vom Weibchen geboren und nicht in Eiform dem Wirthe übergeben. Alle Tachinen ſtimmen überein in der deutlichen Spitzenauerader d. h. einer Verbindung zwiſchen der zweiten und dritten Längsader an ihren Enden, durch einen Ader- anhang der erſteren in der Nähe der Flügelſpitze, in der nackten, oder mindeſtens ſcheinbar nackten, gegliederten Fühlerborſte und in dem [Abbildung Tachina fera nebſt Puppe und Larve.] vierringeligen, kurzeiförmigen, kegeligen, ſelten walzenförmigen Hinterleibe, der im letzten Falle dann wie hinten eingebogen erſcheint. Nur wenigen Arten fehlen die ſtarken Borſten (Macrocheten) am Körper. Die Augen ſtoßen auf dem Scheitel nicht zuſammen, wenn ſie ſich auch beim

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/433>, abgerufen am 24.11.2024.