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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Mücken.
den jetzt schwärmenden Mückchen ihren Ursprung verdanken, gehen fast alle zu Grunde, und hierin
besonders liegt der große Nachtheil, welchen diese Fliege bringen kann, und nicht nur in Nordamerika,
sondern neuerdings besonders im Posen'schen, in Schlesien und anderwärts in Deutschland den
genannten Saaten zugefügt hat. Glücklicherweise hat diese Gallmücke nur zwei Generationen, es
gibt andere mit dreien und vieren; selten sind die, welche nur eine im Jahre zu Stande bringen.

Die Weizen-Gallmücke, der rothe Wibel (C. tritici), gehört gleichfalls zu den der
Landwirthschaft nachtheiligen Arten und fliegt in Nordamerika wie in den meisten Theilen Europa's.

[Abbildung] 1. Weizenmücke (Cecidomyla tritica),
daneben ein Stück Fühler. -- 2. Larve
in einer geplatzten Puppenhülse. -- 3. Eine
Weizenblüthe mit den Larven.
Sie ist bleich ockergelb bis orangegelb und kleidet sich in dichtes
Flaumhaar. Beim Weibchen (1) steht die Legröhre lang heraus.
Das Männchen unterscheidet sich hier wie dort in der Körper-
tracht, ist an Brust und Hinterleib gelbbraun, an den Flügeln
leicht angeräuchert, so daß es einen düsterern Eindruck macht,
als das Weibchen. Sobald der Weizen seine Aehren entwickelt
hat, bis zur Blüthezeit, schwärmen die Mücken des Abends über
den Feldern, bei Tage halten sie sich versteckt und ruhig an den
Halmen auf und fallen bei der leisesten Erschütterung herab.
Während dieser nächtlichen Orgien, welche natürlich von ein und
demselben Jndividuum nicht oft wiederholt werden, legen die
Weibchen bis zehn Eier an eine Blüthe. Nach etwa zehn Tagen
schlüpfen die Larven aus, färben sich allmälig lebhaft gelb und
verzehren den Blüthenstaub, wenn solcher noch vorhanden, oder
sangen am weichen Korne, welches ein krüppelhaftes An-
sehen, wie die ganze von ihnen bewohnte Aehre schwarze Fleckchen
und Frühreife erlangt. Die erwachsene Larve verläßt die Aehre,
und zwar meist zur Erntezeit, geht in die Erde, verpuppt sich
daselbst aber erst im Frühjahre, und zu der bereits angegebenen
Zeit geht die Mücke hervor. Daß unter Umständen zahlreiche
Larven mit in die Scheuern gerathen können, läßt sich wohl denken. Da es übrigens noch
verschiedene andere Larven gibt, welche Fliegen angehören und gleichfalls am Getreide leben, so
kommen bei unseren mangelhaften Kenntnissen von ihnen allerlei Verwechselungen vor, und forg-
fältige Beobachtungen sind noch nöthig, um völlige Klarheit in alle diese Verhältnisse zu bringen.

Die Kriebelmücken, Gnitzen (Simulia) gehören zu den kleinsten Mücken und nähern sich
durch ihre buckelige Körpertracht schon mehr den Fliegen. Die breiten, milchig getrübten Flügel
haben eine fast geeckte Spitze, sehr blasse, nur nach dem Saume zu deutlichere Adern, nebenbei
gegabelte und ungegabelte Falten; an den meist gescheckten Beinen machen sich dicke Schenkel und
ein langes, erstes Fußglied bemerklich. Kurze elfgliedrige Fühler, dünn auslaufende, viergliedrige
Taster, eine freie, dolchartig zugespitzte Oberlippe, ein zum Stechen eingerichteter Rüssel und der
Mangel der Nebenaugen sind als Eigenthümlichkeiten des Kopfes zu erwähnen. Die beiden
Geschlechter ein und derselben Art unterscheiden sich oft wesentlich in der Färbung und ander-
weitig. Die Gnitzen treten in ungeheuren Mengen auf und würden ihrer Kleinheit wegen über-
sehen, wenn nicht die empfindlichen Stiche ihrer blutdürstigen Weibchen die Aufmerksamkeit auf sie
lenkten. Viele der Mosquitos von Südamerika (z. B. S. pertinax) gehören zu dieser Gattung.
Die Larven und Puppen leben im Wasser, wo sie an Steinen, Grashalmen und anderen Wasser-
pflanzen unter tütenartigen Gehäusen sich aufhalten. Die berüchtigtste europäische Art ist die
Columbatscher Mücke (S. Columbaczensis Schönbauer's), von einem Dorfe im serbischen Distrikt
Passarowitz so genannt, wo sie der Aberglaube der Bevölkerung aus einer Felshöhle entstammen
läßt, in welcher Ritter St. Georg den Lindwurm erlegte. Jn dergleichen Felshöhlen flüchten sich

Die Zweiflügler. Mücken.
den jetzt ſchwärmenden Mückchen ihren Urſprung verdanken, gehen faſt alle zu Grunde, und hierin
beſonders liegt der große Nachtheil, welchen dieſe Fliege bringen kann, und nicht nur in Nordamerika,
ſondern neuerdings beſonders im Poſen’ſchen, in Schleſien und anderwärts in Deutſchland den
genannten Saaten zugefügt hat. Glücklicherweiſe hat dieſe Gallmücke nur zwei Generationen, es
gibt andere mit dreien und vieren; ſelten ſind die, welche nur eine im Jahre zu Stande bringen.

Die Weizen-Gallmücke, der rothe Wibel (C. tritici), gehört gleichfalls zu den der
Landwirthſchaft nachtheiligen Arten und fliegt in Nordamerika wie in den meiſten Theilen Europa’s.

[Abbildung] 1. Weizenmücke (Cecidomyla tritica),
daneben ein Stück Fühler. — 2. Larve
in einer geplatzten Puppenhülſe. — 3. Eine
Weizenblüthe mit den Larven.
Sie iſt bleich ockergelb bis orangegelb und kleidet ſich in dichtes
Flaumhaar. Beim Weibchen (1) ſteht die Legröhre lang heraus.
Das Männchen unterſcheidet ſich hier wie dort in der Körper-
tracht, iſt an Bruſt und Hinterleib gelbbraun, an den Flügeln
leicht angeräuchert, ſo daß es einen düſterern Eindruck macht,
als das Weibchen. Sobald der Weizen ſeine Aehren entwickelt
hat, bis zur Blüthezeit, ſchwärmen die Mücken des Abends über
den Feldern, bei Tage halten ſie ſich verſteckt und ruhig an den
Halmen auf und fallen bei der leiſeſten Erſchütterung herab.
Während dieſer nächtlichen Orgien, welche natürlich von ein und
demſelben Jndividuum nicht oft wiederholt werden, legen die
Weibchen bis zehn Eier an eine Blüthe. Nach etwa zehn Tagen
ſchlüpfen die Larven aus, färben ſich allmälig lebhaft gelb und
verzehren den Blüthenſtaub, wenn ſolcher noch vorhanden, oder
ſangen am weichen Korne, welches ein krüppelhaftes An-
ſehen, wie die ganze von ihnen bewohnte Aehre ſchwarze Fleckchen
und Frühreife erlangt. Die erwachſene Larve verläßt die Aehre,
und zwar meiſt zur Erntezeit, geht in die Erde, verpuppt ſich
daſelbſt aber erſt im Frühjahre, und zu der bereits angegebenen
Zeit geht die Mücke hervor. Daß unter Umſtänden zahlreiche
Larven mit in die Scheuern gerathen können, läßt ſich wohl denken. Da es übrigens noch
verſchiedene andere Larven gibt, welche Fliegen angehören und gleichfalls am Getreide leben, ſo
kommen bei unſeren mangelhaften Kenntniſſen von ihnen allerlei Verwechſelungen vor, und forg-
fältige Beobachtungen ſind noch nöthig, um völlige Klarheit in alle dieſe Verhältniſſe zu bringen.

Die Kriebelmücken, Gnitzen (Simulia) gehören zu den kleinſten Mücken und nähern ſich
durch ihre buckelige Körpertracht ſchon mehr den Fliegen. Die breiten, milchig getrübten Flügel
haben eine faſt geeckte Spitze, ſehr blaſſe, nur nach dem Saume zu deutlichere Adern, nebenbei
gegabelte und ungegabelte Falten; an den meiſt geſcheckten Beinen machen ſich dicke Schenkel und
ein langes, erſtes Fußglied bemerklich. Kurze elfgliedrige Fühler, dünn auslaufende, viergliedrige
Taſter, eine freie, dolchartig zugeſpitzte Oberlippe, ein zum Stechen eingerichteter Rüſſel und der
Mangel der Nebenaugen ſind als Eigenthümlichkeiten des Kopfes zu erwähnen. Die beiden
Geſchlechter ein und derſelben Art unterſcheiden ſich oft weſentlich in der Färbung und ander-
weitig. Die Gnitzen treten in ungeheuren Mengen auf und würden ihrer Kleinheit wegen über-
ſehen, wenn nicht die empfindlichen Stiche ihrer blutdürſtigen Weibchen die Aufmerkſamkeit auf ſie
lenkten. Viele der Mosquitos von Südamerika (z. B. S. pertinax) gehören zu dieſer Gattung.
Die Larven und Puppen leben im Waſſer, wo ſie an Steinen, Grashalmen und anderen Waſſer-
pflanzen unter tütenartigen Gehäuſen ſich aufhalten. Die berüchtigtſte europäiſche Art iſt die
Columbatſcher Mücke (S. Columbaczensis Schönbauer’s), von einem Dorfe im ſerbiſchen Diſtrikt
Paſſarowitz ſo genannt, wo ſie der Aberglaube der Bevölkerung aus einer Felshöhle entſtammen
läßt, in welcher Ritter St. Georg den Lindwurm erlegte. Jn dergleichen Felshöhlen flüchten ſich

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[388/0412] Die Zweiflügler. Mücken. den jetzt ſchwärmenden Mückchen ihren Urſprung verdanken, gehen faſt alle zu Grunde, und hierin beſonders liegt der große Nachtheil, welchen dieſe Fliege bringen kann, und nicht nur in Nordamerika, ſondern neuerdings beſonders im Poſen’ſchen, in Schleſien und anderwärts in Deutſchland den genannten Saaten zugefügt hat. Glücklicherweiſe hat dieſe Gallmücke nur zwei Generationen, es gibt andere mit dreien und vieren; ſelten ſind die, welche nur eine im Jahre zu Stande bringen. Die Weizen-Gallmücke, der rothe Wibel (C. tritici), gehört gleichfalls zu den der Landwirthſchaft nachtheiligen Arten und fliegt in Nordamerika wie in den meiſten Theilen Europa’s. [Abbildung 1. Weizenmücke (Cecidomyla tritica), daneben ein Stück Fühler. — 2. Larve in einer geplatzten Puppenhülſe. — 3. Eine Weizenblüthe mit den Larven.] Sie iſt bleich ockergelb bis orangegelb und kleidet ſich in dichtes Flaumhaar. Beim Weibchen (1) ſteht die Legröhre lang heraus. Das Männchen unterſcheidet ſich hier wie dort in der Körper- tracht, iſt an Bruſt und Hinterleib gelbbraun, an den Flügeln leicht angeräuchert, ſo daß es einen düſterern Eindruck macht, als das Weibchen. Sobald der Weizen ſeine Aehren entwickelt hat, bis zur Blüthezeit, ſchwärmen die Mücken des Abends über den Feldern, bei Tage halten ſie ſich verſteckt und ruhig an den Halmen auf und fallen bei der leiſeſten Erſchütterung herab. Während dieſer nächtlichen Orgien, welche natürlich von ein und demſelben Jndividuum nicht oft wiederholt werden, legen die Weibchen bis zehn Eier an eine Blüthe. Nach etwa zehn Tagen ſchlüpfen die Larven aus, färben ſich allmälig lebhaft gelb und verzehren den Blüthenſtaub, wenn ſolcher noch vorhanden, oder ſangen am weichen Korne, welches ein krüppelhaftes An- ſehen, wie die ganze von ihnen bewohnte Aehre ſchwarze Fleckchen und Frühreife erlangt. Die erwachſene Larve verläßt die Aehre, und zwar meiſt zur Erntezeit, geht in die Erde, verpuppt ſich daſelbſt aber erſt im Frühjahre, und zu der bereits angegebenen Zeit geht die Mücke hervor. Daß unter Umſtänden zahlreiche Larven mit in die Scheuern gerathen können, läßt ſich wohl denken. Da es übrigens noch verſchiedene andere Larven gibt, welche Fliegen angehören und gleichfalls am Getreide leben, ſo kommen bei unſeren mangelhaften Kenntniſſen von ihnen allerlei Verwechſelungen vor, und forg- fältige Beobachtungen ſind noch nöthig, um völlige Klarheit in alle dieſe Verhältniſſe zu bringen. Die Kriebelmücken, Gnitzen (Simulia) gehören zu den kleinſten Mücken und nähern ſich durch ihre buckelige Körpertracht ſchon mehr den Fliegen. Die breiten, milchig getrübten Flügel haben eine faſt geeckte Spitze, ſehr blaſſe, nur nach dem Saume zu deutlichere Adern, nebenbei gegabelte und ungegabelte Falten; an den meiſt geſcheckten Beinen machen ſich dicke Schenkel und ein langes, erſtes Fußglied bemerklich. Kurze elfgliedrige Fühler, dünn auslaufende, viergliedrige Taſter, eine freie, dolchartig zugeſpitzte Oberlippe, ein zum Stechen eingerichteter Rüſſel und der Mangel der Nebenaugen ſind als Eigenthümlichkeiten des Kopfes zu erwähnen. Die beiden Geſchlechter ein und derſelben Art unterſcheiden ſich oft weſentlich in der Färbung und ander- weitig. Die Gnitzen treten in ungeheuren Mengen auf und würden ihrer Kleinheit wegen über- ſehen, wenn nicht die empfindlichen Stiche ihrer blutdürſtigen Weibchen die Aufmerkſamkeit auf ſie lenkten. Viele der Mosquitos von Südamerika (z. B. S. pertinax) gehören zu dieſer Gattung. Die Larven und Puppen leben im Waſſer, wo ſie an Steinen, Grashalmen und anderen Waſſer- pflanzen unter tütenartigen Gehäuſen ſich aufhalten. Die berüchtigtſte europäiſche Art iſt die Columbatſcher Mücke (S. Columbaczensis Schönbauer’s), von einem Dorfe im ſerbiſchen Diſtrikt Paſſarowitz ſo genannt, wo ſie der Aberglaube der Bevölkerung aus einer Felshöhle entſtammen läßt, in welcher Ritter St. Georg den Lindwurm erlegte. Jn dergleichen Felshöhlen flüchten ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/412>, abgerufen am 24.11.2024.