allen Ordnungen der Kerfe Partien, welche der Sammler und Liebhaber gern bei Seite schiebt, weil er deren schwierige Untersuchung scheut und daher gern diesem oder jenem, immer vereinzelten Forscher überläßt, welcher im Jnteresse der Wissenschaft Zeit, Mühe, Augen zu opfern bereit ist, und welchem das Bewußtsein, ihr genützt zu haben, als einziger Lohn für seinen ausdauernden Fleiß bleibt, der sich zum großen Theil auf Dinge ohne praktische Verwerthung erstreckte. Neben jenem Bewußtsein erwirbt er sich womöglich noch ein -- -- mitleidiges Lächeln seiner dem Zeitgeiste dienenden, dem reellen Nutzen huldigenden Nebenmenschen, deren Grundsatz "Zeit ist Geld" er bei seinen Beschäftigungen wenigstens nicht anerkennt.
Die Zünsler gehören noch nicht zu den kleiusten der Kleinen und erinnern auf den ersten Blick mehrfach an die Spanner, mit welchen sie jedoch weder hinsichtlich der Zeichnungen, noch der Larven, aus denen sie hervorgehen, zusammengestellt werden können. Jhre Flügel sind zart und gestreckt, die vorderen dreieckig, die hinteren verhältnißmäßig breit, fast immer mit drei Jnnenrands- rippen und mit einem Hafthaken ausgerüstet. Dieselben bedecken während der Ruhelage häufig den schlauken Hinterleib nicht vollkommen. Die Fühler sind borstig, nie gekämmt, die Nebenaugen oft deutlich, die Taster meist groß, wie ein Rüssel den Kopf überragend, die Beine sehr lang und dünn, an den Hinterschienen mit zwei Dornenpaaren bewehrt. Wenn die Raupen der Spanner mehr Trägheit als Beweglichkeit an den Tag legen, so zeichnen sich die Zünslerraupen, welche der Regel nach sechzehn Beine und einen nackten, nach den Enden verjüngten Leib haben, durch große Beweglichkeit und eine ungemeine Fertigkeit im Rückwärtskriechen aus. Abgesehen von einigen wenigen bohrenden leben sie frei auf den Pflanzen.
Wir beginnen mit einem der größten und doch einem der unansehnlichsten Zünsler, welcher zu unseren Hausgenossen gezählt werden muß; denn er sitzt in den Winkeln der Wohnungen und fliegt des Abends um das Licht, wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird. Dieser, die Fettschabe oder der Schmalzzünsler (Aglossa pinguinalis), hat rothgraue, seidenglänzende Flügel, deren vordere mit querbindenartigen schwarzen Flecken besetzt und hie und da weißlich gewürfelt sind, und deren einfarbige hintere sehr lange Fransen auszeichnen. Nebenaugen fehlen, eigentlich auch die Rollzunge. Die borstigen Fühler des Männchens unterscheiden sich von denen des Weibchens leicht durch feine Haarpinsel, die Hinterleibsspitze des ersteren durch einen Haarbüschel gegen die lang vorstreckbare Legröhre. Die Flugbreite beträgt zehn bis vierzehn Linien. Jm März und April, ungefähr vier Wochen vor der Geburt des Schmetterlings, zeigt sich mitunter die sechzehn- füßige, glänzend braune Raupe an den Wänden der Speisekammern oder in einem staubigen Winkel, in Begriff, sich einen passenden Platz zur Verpuppung aufzusuchen. Vis dahin lebte sie im Verborgenen von Schmalz, Butter, Speck und hält sich daher vorzugsweise in den Vorraths- und Speisekammern auf. Seit Linne's Zeiten, welcher diesen Gegenstand schon erwähnt, wurden mehrere Fälle beobachtet, in denen diese Raupe bis zu sieben Stück und erwachsen von Menschen ausgebrochen wurde. Die Erscheinung ist wunderbar genug, um sie bei dargebotenen Gelegenheiten weiter zu verfolgen; denn eine annehmbare Erklärung derselben konnte noch niemand geben. --
Der Mehlzünsler (Asopia farinalis) lebt in Gesellschaft des vorigen und gesellt sich dem Ungeziefer zu; denn seine Raupe lebt im Mehle. Der Zünsler hat die Eigenheit, den Hinterleib beim Ruhen im Bogen nach vorn aufzubiegen, wie der Hund seinen Schwanz, überdies trägt er sich sehr hübsch bunt: zwei zart weiße, unregelmäßig verlaufende Querlinien grenzen auf den olivenbraunen Vorderflügeln ein breites, mehr gelbes Mittelfeld ab, auf den grauen Hinterflügeln wiederholt sich dieselbe Zeichnung. Die Flügelspannung beträgt 10 Linien.
Die zahlreichen Botys-Arten (allein über hundert Europäer), welche sich durch wagrecht vorstehende Lippentaster, deutliche Kiesertaster, welche pinselartig aufsteigen, eine starke Rollzunge, Nebenaugen auf dem Scheitel und große, runde Hinterflügel auszeichnen, in denen die achte Rippe
Die Schmetterlinge. Zünsler.
allen Ordnungen der Kerfe Partien, welche der Sammler und Liebhaber gern bei Seite ſchiebt, weil er deren ſchwierige Unterſuchung ſcheut und daher gern dieſem oder jenem, immer vereinzelten Forſcher überläßt, welcher im Jntereſſe der Wiſſenſchaft Zeit, Mühe, Augen zu opfern bereit iſt, und welchem das Bewußtſein, ihr genützt zu haben, als einziger Lohn für ſeinen ausdauernden Fleiß bleibt, der ſich zum großen Theil auf Dinge ohne praktiſche Verwerthung erſtreckte. Neben jenem Bewußtſein erwirbt er ſich womöglich noch ein — — mitleidiges Lächeln ſeiner dem Zeitgeiſte dienenden, dem reellen Nutzen huldigenden Nebenmenſchen, deren Grundſatz „Zeit iſt Geld“ er bei ſeinen Beſchäftigungen wenigſtens nicht anerkennt.
Die Zünsler gehören noch nicht zu den kleiuſten der Kleinen und erinnern auf den erſten Blick mehrfach an die Spanner, mit welchen ſie jedoch weder hinſichtlich der Zeichnungen, noch der Larven, aus denen ſie hervorgehen, zuſammengeſtellt werden können. Jhre Flügel ſind zart und geſtreckt, die vorderen dreieckig, die hinteren verhältnißmäßig breit, faſt immer mit drei Jnnenrands- rippen und mit einem Hafthaken ausgerüſtet. Dieſelben bedecken während der Ruhelage häufig den ſchlauken Hinterleib nicht vollkommen. Die Fühler ſind borſtig, nie gekämmt, die Nebenaugen oft deutlich, die Taſter meiſt groß, wie ein Rüſſel den Kopf überragend, die Beine ſehr lang und dünn, an den Hinterſchienen mit zwei Dornenpaaren bewehrt. Wenn die Raupen der Spanner mehr Trägheit als Beweglichkeit an den Tag legen, ſo zeichnen ſich die Zünslerraupen, welche der Regel nach ſechzehn Beine und einen nackten, nach den Enden verjüngten Leib haben, durch große Beweglichkeit und eine ungemeine Fertigkeit im Rückwärtskriechen aus. Abgeſehen von einigen wenigen bohrenden leben ſie frei auf den Pflanzen.
Wir beginnen mit einem der größten und doch einem der unanſehnlichſten Zünsler, welcher zu unſeren Hausgenoſſen gezählt werden muß; denn er ſitzt in den Winkeln der Wohnungen und fliegt des Abends um das Licht, wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird. Dieſer, die Fettſchabe oder der Schmalzzünsler (Aglossa pinguinalis), hat rothgraue, ſeidenglänzende Flügel, deren vordere mit querbindenartigen ſchwarzen Flecken beſetzt und hie und da weißlich gewürfelt ſind, und deren einfarbige hintere ſehr lange Franſen auszeichnen. Nebenaugen fehlen, eigentlich auch die Rollzunge. Die borſtigen Fühler des Männchens unterſcheiden ſich von denen des Weibchens leicht durch feine Haarpinſel, die Hinterleibsſpitze des erſteren durch einen Haarbüſchel gegen die lang vorſtreckbare Legröhre. Die Flugbreite beträgt zehn bis vierzehn Linien. Jm März und April, ungefähr vier Wochen vor der Geburt des Schmetterlings, zeigt ſich mitunter die ſechzehn- füßige, glänzend braune Raupe an den Wänden der Speiſekammern oder in einem ſtaubigen Winkel, in Begriff, ſich einen paſſenden Platz zur Verpuppung aufzuſuchen. Vis dahin lebte ſie im Verborgenen von Schmalz, Butter, Speck und hält ſich daher vorzugsweiſe in den Vorraths- und Speiſekammern auf. Seit Linné’s Zeiten, welcher dieſen Gegenſtand ſchon erwähnt, wurden mehrere Fälle beobachtet, in denen dieſe Raupe bis zu ſieben Stück und erwachſen von Menſchen ausgebrochen wurde. Die Erſcheinung iſt wunderbar genug, um ſie bei dargebotenen Gelegenheiten weiter zu verfolgen; denn eine annehmbare Erklärung derſelben konnte noch niemand geben. —
Der Mehlzünsler (Asopia farinalis) lebt in Geſellſchaft des vorigen und geſellt ſich dem Ungeziefer zu; denn ſeine Raupe lebt im Mehle. Der Zünsler hat die Eigenheit, den Hinterleib beim Ruhen im Bogen nach vorn aufzubiegen, wie der Hund ſeinen Schwanz, überdies trägt er ſich ſehr hübſch bunt: zwei zart weiße, unregelmäßig verlaufende Querlinien grenzen auf den olivenbraunen Vorderflügeln ein breites, mehr gelbes Mittelfeld ab, auf den grauen Hinterflügeln wiederholt ſich dieſelbe Zeichnung. Die Flügelſpannung beträgt 10 Linien.
Die zahlreichen Botys-Arten (allein über hundert Europäer), welche ſich durch wagrecht vorſtehende Lippentaſter, deutliche Kieſertaſter, welche pinſelartig aufſteigen, eine ſtarke Rollzunge, Nebenaugen auf dem Scheitel und große, runde Hinterflügel auszeichnen, in denen die achte Rippe
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Die Schmetterlinge. Zünsler.
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weil er deren ſchwierige Unterſuchung ſcheut und daher gern dieſem oder jenem, immer vereinzelten
Forſcher überläßt, welcher im Jntereſſe der Wiſſenſchaft Zeit, Mühe, Augen zu opfern bereit iſt,
und welchem das Bewußtſein, ihr genützt zu haben, als einziger Lohn für ſeinen ausdauernden
Fleiß bleibt, der ſich zum großen Theil auf Dinge ohne praktiſche Verwerthung erſtreckte. Neben
jenem Bewußtſein erwirbt er ſich womöglich noch ein — — mitleidiges Lächeln ſeiner dem Zeitgeiſte
dienenden, dem reellen Nutzen huldigenden Nebenmenſchen, deren Grundſatz „Zeit iſt Geld“ er
bei ſeinen Beſchäftigungen wenigſtens nicht anerkennt.
Die Zünsler gehören noch nicht zu den kleiuſten der Kleinen und erinnern auf den erſten
Blick mehrfach an die Spanner, mit welchen ſie jedoch weder hinſichtlich der Zeichnungen, noch der
Larven, aus denen ſie hervorgehen, zuſammengeſtellt werden können. Jhre Flügel ſind zart und
geſtreckt, die vorderen dreieckig, die hinteren verhältnißmäßig breit, faſt immer mit drei Jnnenrands-
rippen und mit einem Hafthaken ausgerüſtet. Dieſelben bedecken während der Ruhelage häufig
den ſchlauken Hinterleib nicht vollkommen. Die Fühler ſind borſtig, nie gekämmt, die Nebenaugen
oft deutlich, die Taſter meiſt groß, wie ein Rüſſel den Kopf überragend, die Beine ſehr lang und
dünn, an den Hinterſchienen mit zwei Dornenpaaren bewehrt. Wenn die Raupen der Spanner
mehr Trägheit als Beweglichkeit an den Tag legen, ſo zeichnen ſich die Zünslerraupen, welche der
Regel nach ſechzehn Beine und einen nackten, nach den Enden verjüngten Leib haben, durch große
Beweglichkeit und eine ungemeine Fertigkeit im Rückwärtskriechen aus. Abgeſehen von einigen
wenigen bohrenden leben ſie frei auf den Pflanzen.
Wir beginnen mit einem der größten und doch einem der unanſehnlichſten Zünsler, welcher
zu unſeren Hausgenoſſen gezählt werden muß; denn er ſitzt in den Winkeln der Wohnungen und
fliegt des Abends um das Licht, wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird. Dieſer, die
Fettſchabe oder der Schmalzzünsler (Aglossa pinguinalis), hat rothgraue, ſeidenglänzende
Flügel, deren vordere mit querbindenartigen ſchwarzen Flecken beſetzt und hie und da weißlich gewürfelt
ſind, und deren einfarbige hintere ſehr lange Franſen auszeichnen. Nebenaugen fehlen, eigentlich
auch die Rollzunge. Die borſtigen Fühler des Männchens unterſcheiden ſich von denen des Weibchens
leicht durch feine Haarpinſel, die Hinterleibsſpitze des erſteren durch einen Haarbüſchel gegen die
lang vorſtreckbare Legröhre. Die Flugbreite beträgt zehn bis vierzehn Linien. Jm März und
April, ungefähr vier Wochen vor der Geburt des Schmetterlings, zeigt ſich mitunter die ſechzehn-
füßige, glänzend braune Raupe an den Wänden der Speiſekammern oder in einem ſtaubigen
Winkel, in Begriff, ſich einen paſſenden Platz zur Verpuppung aufzuſuchen. Vis dahin lebte ſie
im Verborgenen von Schmalz, Butter, Speck und hält ſich daher vorzugsweiſe in den Vorraths-
und Speiſekammern auf. Seit Linné’s Zeiten, welcher dieſen Gegenſtand ſchon erwähnt, wurden
mehrere Fälle beobachtet, in denen dieſe Raupe bis zu ſieben Stück und erwachſen von Menſchen
ausgebrochen wurde. Die Erſcheinung iſt wunderbar genug, um ſie bei dargebotenen Gelegenheiten
weiter zu verfolgen; denn eine annehmbare Erklärung derſelben konnte noch niemand geben. —
Der Mehlzünsler (Asopia farinalis) lebt in Geſellſchaft des vorigen und geſellt ſich dem
Ungeziefer zu; denn ſeine Raupe lebt im Mehle. Der Zünsler hat die Eigenheit, den Hinterleib
beim Ruhen im Bogen nach vorn aufzubiegen, wie der Hund ſeinen Schwanz, überdies trägt er
ſich ſehr hübſch bunt: zwei zart weiße, unregelmäßig verlaufende Querlinien grenzen auf den
olivenbraunen Vorderflügeln ein breites, mehr gelbes Mittelfeld ab, auf den grauen Hinterflügeln
wiederholt ſich dieſelbe Zeichnung. Die Flügelſpannung beträgt 10 Linien.
Die zahlreichen Botys-Arten (allein über hundert Europäer), welche ſich durch wagrecht
vorſtehende Lippentaſter, deutliche Kieſertaſter, welche pinſelartig aufſteigen, eine ſtarke Rollzunge,
Nebenaugen auf dem Scheitel und große, runde Hinterflügel auszeichnen, in denen die achte Rippe
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/388>, abgerufen am 23.11.2024.
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