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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schmetterlinge. Eulen.
hinten, zwei kleinere, einander mehr genäherte vorn, auf dem zehnten findet kein Unterschied in
den Entfernungen der Paare statt und auf dem elften treten die vorderen weiter auseinander, als
die hinteren. Aus jedem dieser Hornplättchen, deren andere noch in den Seiten sich reihen, ent-
springt ein Borstenhaar. Ueber die beiden äußeren der durch jene Anordnung entstehenden vier
Warzenreihen laufen zwei schmale gelbliche, aber verwischte Längsstreifen. Die Raupe wird
bis zwei Zoll lang und so dick, wie ein kräftiger Gänsekiel. Von August ab bis Oktober, bei
anhaltend milder Witterung auch bis zum November macht sie sich durch ihren Fraß am Winter-
raps und Rübsen, an den verschiedenen Rüben, Kohlarten, Kartoffeln und der Wintersaat auf den
Feldern, an allerlei Pflanzen in den Gärten bemerklich, ohne sich äußerlich blicken zu lassen; denn sie
verbirgt sich bei Tage unter Steinen und Erdschollen, oder, wo diese fehlen, flach unter der Erde an
der Wurzel ihrer Futterpflanze und kommt nur des Nachts hervor, um dieser sich zu bemächtigen.
Jch fand sie nicht selten noch unter halbwüchsig und dann von bedeutend dunklerer Farbe den
20. Juli an Zuckerrüben. Nirgends geht sie die Zaserwurzel an, wie man meinen sollte da die
Sammler sie und ihres Gleichen als "Wurzelraupen" bezeichnen, sondern frißt die junge Pflanze
über der Wurzel ab und zieht, das Herz verzehrend, die oberirdischen Theile, so weit sie folgen,
in ihr Lager, wie der Regenwurm auch thut, oder faßt umgekehrt dieselben von oben an, sich
nach unten hineinbohrend. Jn Rüben und Kartoffeln arbeitet sie, wie der Engerling, Löcher und
höhlt letztere manchmal ganz aus. Erwachsen überwintert sie und nur in seltenen Fällen gelangt
sie noch zur Verpuppung, in noch selteneren zum Schmetterlinge. Die am 20. Juli in Zuckerrüben
gefundenen Raupen hatte ich eingezwingert und später das betreffende Glas offen auf einem Tische
stehen. Am Abend des 15. September schwärmte zu meiner nicht geringen Verwunderung eine
Wintersaateule um meine Lampe, und beim Nachsuchen im offnen Behälter fand sich die leere
Puppenhülse. Nach normalen Verhältnissen verwandeln sich die aus dem Winterschlafe erwachten
Raupen in leicht zerbrechlicher Erdhöhle zur Zeit, wo die Rübsaat in den Gipfeln ihre Blüthen
zu entwickeln beginnt. Die gedrungene, glänzend gelblichrothe Puppe endigt in zwei kurze, etwas
auseinandergehende Doruspitzchen. Nach ungefähr vier Wochen Ruhe schlüpft der unansehnliche,
zwanzig Linien spannende Schmetterling aus. Seine Vorderflügel sind gleichmäßig heller oder
dunkler graubraun und schillern beim meist helleren Männchen gelblich. Die beiden Querlinien,
dunkler eingefaßt, treten bei den dunklen Stücken nur undeutlich hervor, dagegen lassen sich die beiden
Makeln in Folge ihrer schwarzen Umsäumung gut erkennen. Die Welleulinie ist etwas heller und
verläuft, abgesehen von zwei stumpfen Ecken nach außen (dem stumpfen W), dem Saume ziemlich
parallel. Die Linie auf diesem besteht aus dunklen Dreieckchen zwischen den Rippen. Beim
Männchen bleiben die Hinterflügel weiß mit Ausschluß der gelblich leicht bestäubten Rippen und
des Außenrandes, beim Weibchen erscheinen sie durch stärkere Bestäubung auf der ganzen Fläche
wie augeräuchert. Dort tragen außerdem die Fühler bis über die Mitte etwas keulenförmige, immer
kürzer werdende, bewimperte Kammzähne. Man begegnet von der zweiten Hälfte des Mai (1862
schon am vierten des genanuten Monats) diesem traurigen Proletarier, häufiger im Juni, aber
auch im Juli und August, ja im trocknen Jahre 1865 fand ich ihn noch einzeln im September,
am achtzehnten Oktober ein ganz frisches Weibchen unter dem Grase und am letzten Tage des
genannten Monats ein abgeflattertes Männchen. Nach dem vorher Gesagten stammten diese Nach-
zügler ganz entschieden von einer zweiten Geueration, deren Nachkommen natürlich bedeutend
kleiner durch den Winter kommen müssen und Spätlinge für das nächste Jahr liefern. Die
Wintersaateule ist nicht nur über ganz Europa, sondern auch über einen großen Theil von Asien,
sowie über Südafrika und Nordamerika verbreitet, gehört also entschieden zu den Weltbürgern.

Man darf indeß nicht meinen, daß die im obigen Sinne geführten Klagen über Schädigungen
an unseren Kulturpflanzen die eben besprochene Raupe allein treffen. Es gibt noch mehrere ihr
sehr ähnliche, ebenso schmuzige und schwer durch Wort oder Bild untrüglich wiederzugebende,
welche mit ihr gleichzeitig, oder einige Wochen später leben und nicht minder unschönen Ackereulen

Die Schmetterlinge. Eulen.
hinten, zwei kleinere, einander mehr genäherte vorn, auf dem zehnten findet kein Unterſchied in
den Entfernungen der Paare ſtatt und auf dem elften treten die vorderen weiter auseinander, als
die hinteren. Aus jedem dieſer Hornplättchen, deren andere noch in den Seiten ſich reihen, ent-
ſpringt ein Borſtenhaar. Ueber die beiden äußeren der durch jene Anordnung entſtehenden vier
Warzenreihen laufen zwei ſchmale gelbliche, aber verwiſchte Längsſtreifen. Die Raupe wird
bis zwei Zoll lang und ſo dick, wie ein kräftiger Gänſekiel. Von Auguſt ab bis Oktober, bei
anhaltend milder Witterung auch bis zum November macht ſie ſich durch ihren Fraß am Winter-
raps und Rübſen, an den verſchiedenen Rüben, Kohlarten, Kartoffeln und der Winterſaat auf den
Feldern, an allerlei Pflanzen in den Gärten bemerklich, ohne ſich äußerlich blicken zu laſſen; denn ſie
verbirgt ſich bei Tage unter Steinen und Erdſchollen, oder, wo dieſe fehlen, flach unter der Erde an
der Wurzel ihrer Futterpflanze und kommt nur des Nachts hervor, um dieſer ſich zu bemächtigen.
Jch fand ſie nicht ſelten noch unter halbwüchſig und dann von bedeutend dunklerer Farbe den
20. Juli an Zuckerrüben. Nirgends geht ſie die Zaſerwurzel an, wie man meinen ſollte da die
Sammler ſie und ihres Gleichen als „Wurzelraupen“ bezeichnen, ſondern frißt die junge Pflanze
über der Wurzel ab und zieht, das Herz verzehrend, die oberirdiſchen Theile, ſo weit ſie folgen,
in ihr Lager, wie der Regenwurm auch thut, oder faßt umgekehrt dieſelben von oben an, ſich
nach unten hineinbohrend. Jn Rüben und Kartoffeln arbeitet ſie, wie der Engerling, Löcher und
höhlt letztere manchmal ganz aus. Erwachſen überwintert ſie und nur in ſeltenen Fällen gelangt
ſie noch zur Verpuppung, in noch ſelteneren zum Schmetterlinge. Die am 20. Juli in Zuckerrüben
gefundenen Raupen hatte ich eingezwingert und ſpäter das betreffende Glas offen auf einem Tiſche
ſtehen. Am Abend des 15. September ſchwärmte zu meiner nicht geringen Verwunderung eine
Winterſaateule um meine Lampe, und beim Nachſuchen im offnen Behälter fand ſich die leere
Puppenhülſe. Nach normalen Verhältniſſen verwandeln ſich die aus dem Winterſchlafe erwachten
Raupen in leicht zerbrechlicher Erdhöhle zur Zeit, wo die Rübſaat in den Gipfeln ihre Blüthen
zu entwickeln beginnt. Die gedrungene, glänzend gelblichrothe Puppe endigt in zwei kurze, etwas
auseinandergehende Doruſpitzchen. Nach ungefähr vier Wochen Ruhe ſchlüpft der unanſehnliche,
zwanzig Linien ſpannende Schmetterling aus. Seine Vorderflügel ſind gleichmäßig heller oder
dunkler graubraun und ſchillern beim meiſt helleren Männchen gelblich. Die beiden Querlinien,
dunkler eingefaßt, treten bei den dunklen Stücken nur undeutlich hervor, dagegen laſſen ſich die beiden
Makeln in Folge ihrer ſchwarzen Umſäumung gut erkennen. Die Welleulinie iſt etwas heller und
verläuft, abgeſehen von zwei ſtumpfen Ecken nach außen (dem ſtumpfen W), dem Saume ziemlich
parallel. Die Linie auf dieſem beſteht aus dunklen Dreieckchen zwiſchen den Rippen. Beim
Männchen bleiben die Hinterflügel weiß mit Ausſchluß der gelblich leicht beſtäubten Rippen und
des Außenrandes, beim Weibchen erſcheinen ſie durch ſtärkere Beſtäubung auf der ganzen Fläche
wie augeräuchert. Dort tragen außerdem die Fühler bis über die Mitte etwas keulenförmige, immer
kürzer werdende, bewimperte Kammzähne. Man begegnet von der zweiten Hälfte des Mai (1862
ſchon am vierten des genanuten Monats) dieſem traurigen Proletarier, häufiger im Juni, aber
auch im Juli und Auguſt, ja im trocknen Jahre 1865 fand ich ihn noch einzeln im September,
am achtzehnten Oktober ein ganz friſches Weibchen unter dem Graſe und am letzten Tage des
genannten Monats ein abgeflattertes Männchen. Nach dem vorher Geſagten ſtammten dieſe Nach-
zügler ganz entſchieden von einer zweiten Geueration, deren Nachkommen natürlich bedeutend
kleiner durch den Winter kommen müſſen und Spätlinge für das nächſte Jahr liefern. Die
Winterſaateule iſt nicht nur über ganz Europa, ſondern auch über einen großen Theil von Aſien,
ſowie über Südafrika und Nordamerika verbreitet, gehört alſo entſchieden zu den Weltbürgern.

Man darf indeß nicht meinen, daß die im obigen Sinne geführten Klagen über Schädigungen
an unſeren Kulturpflanzen die eben beſprochene Raupe allein treffen. Es gibt noch mehrere ihr
ſehr ähnliche, ebenſo ſchmuzige und ſchwer durch Wort oder Bild untrüglich wiederzugebende,
welche mit ihr gleichzeitig, oder einige Wochen ſpäter leben und nicht minder unſchönen Ackereulen

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[354/0378] Die Schmetterlinge. Eulen. hinten, zwei kleinere, einander mehr genäherte vorn, auf dem zehnten findet kein Unterſchied in den Entfernungen der Paare ſtatt und auf dem elften treten die vorderen weiter auseinander, als die hinteren. Aus jedem dieſer Hornplättchen, deren andere noch in den Seiten ſich reihen, ent- ſpringt ein Borſtenhaar. Ueber die beiden äußeren der durch jene Anordnung entſtehenden vier Warzenreihen laufen zwei ſchmale gelbliche, aber verwiſchte Längsſtreifen. Die Raupe wird bis zwei Zoll lang und ſo dick, wie ein kräftiger Gänſekiel. Von Auguſt ab bis Oktober, bei anhaltend milder Witterung auch bis zum November macht ſie ſich durch ihren Fraß am Winter- raps und Rübſen, an den verſchiedenen Rüben, Kohlarten, Kartoffeln und der Winterſaat auf den Feldern, an allerlei Pflanzen in den Gärten bemerklich, ohne ſich äußerlich blicken zu laſſen; denn ſie verbirgt ſich bei Tage unter Steinen und Erdſchollen, oder, wo dieſe fehlen, flach unter der Erde an der Wurzel ihrer Futterpflanze und kommt nur des Nachts hervor, um dieſer ſich zu bemächtigen. Jch fand ſie nicht ſelten noch unter halbwüchſig und dann von bedeutend dunklerer Farbe den 20. Juli an Zuckerrüben. Nirgends geht ſie die Zaſerwurzel an, wie man meinen ſollte da die Sammler ſie und ihres Gleichen als „Wurzelraupen“ bezeichnen, ſondern frißt die junge Pflanze über der Wurzel ab und zieht, das Herz verzehrend, die oberirdiſchen Theile, ſo weit ſie folgen, in ihr Lager, wie der Regenwurm auch thut, oder faßt umgekehrt dieſelben von oben an, ſich nach unten hineinbohrend. Jn Rüben und Kartoffeln arbeitet ſie, wie der Engerling, Löcher und höhlt letztere manchmal ganz aus. Erwachſen überwintert ſie und nur in ſeltenen Fällen gelangt ſie noch zur Verpuppung, in noch ſelteneren zum Schmetterlinge. Die am 20. Juli in Zuckerrüben gefundenen Raupen hatte ich eingezwingert und ſpäter das betreffende Glas offen auf einem Tiſche ſtehen. Am Abend des 15. September ſchwärmte zu meiner nicht geringen Verwunderung eine Winterſaateule um meine Lampe, und beim Nachſuchen im offnen Behälter fand ſich die leere Puppenhülſe. Nach normalen Verhältniſſen verwandeln ſich die aus dem Winterſchlafe erwachten Raupen in leicht zerbrechlicher Erdhöhle zur Zeit, wo die Rübſaat in den Gipfeln ihre Blüthen zu entwickeln beginnt. Die gedrungene, glänzend gelblichrothe Puppe endigt in zwei kurze, etwas auseinandergehende Doruſpitzchen. Nach ungefähr vier Wochen Ruhe ſchlüpft der unanſehnliche, zwanzig Linien ſpannende Schmetterling aus. Seine Vorderflügel ſind gleichmäßig heller oder dunkler graubraun und ſchillern beim meiſt helleren Männchen gelblich. Die beiden Querlinien, dunkler eingefaßt, treten bei den dunklen Stücken nur undeutlich hervor, dagegen laſſen ſich die beiden Makeln in Folge ihrer ſchwarzen Umſäumung gut erkennen. Die Welleulinie iſt etwas heller und verläuft, abgeſehen von zwei ſtumpfen Ecken nach außen (dem ſtumpfen W), dem Saume ziemlich parallel. Die Linie auf dieſem beſteht aus dunklen Dreieckchen zwiſchen den Rippen. Beim Männchen bleiben die Hinterflügel weiß mit Ausſchluß der gelblich leicht beſtäubten Rippen und des Außenrandes, beim Weibchen erſcheinen ſie durch ſtärkere Beſtäubung auf der ganzen Fläche wie augeräuchert. Dort tragen außerdem die Fühler bis über die Mitte etwas keulenförmige, immer kürzer werdende, bewimperte Kammzähne. Man begegnet von der zweiten Hälfte des Mai (1862 ſchon am vierten des genanuten Monats) dieſem traurigen Proletarier, häufiger im Juni, aber auch im Juli und Auguſt, ja im trocknen Jahre 1865 fand ich ihn noch einzeln im September, am achtzehnten Oktober ein ganz friſches Weibchen unter dem Graſe und am letzten Tage des genannten Monats ein abgeflattertes Männchen. Nach dem vorher Geſagten ſtammten dieſe Nach- zügler ganz entſchieden von einer zweiten Geueration, deren Nachkommen natürlich bedeutend kleiner durch den Winter kommen müſſen und Spätlinge für das nächſte Jahr liefern. Die Winterſaateule iſt nicht nur über ganz Europa, ſondern auch über einen großen Theil von Aſien, ſowie über Südafrika und Nordamerika verbreitet, gehört alſo entſchieden zu den Weltbürgern. Man darf indeß nicht meinen, daß die im obigen Sinne geführten Klagen über Schädigungen an unſeren Kulturpflanzen die eben beſprochene Raupe allein treffen. Es gibt noch mehrere ihr ſehr ähnliche, ebenſo ſchmuzige und ſchwer durch Wort oder Bild untrüglich wiederzugebende, welche mit ihr gleichzeitig, oder einige Wochen ſpäter leben und nicht minder unſchönen Ackereulen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/378>, abgerufen am 17.05.2024.