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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schmetterlinge. Spinner.
können alle flink laufen und ruhen lang ausgestreckt, haben aber je nach der Art ein sehr ver-
schiedenes Aussehen. Man hat nach allerlei feinen Merkmalen die Falter in zahlreiche Gattungen
vertheilt. Einen der gemeinsten, den braunen Bär (Arctia caja), sehen wir hier sammt seiner
Raupe vor uns. Letztere begegnet uns häufig vom August an und nach der Ueberwinterung
wieder bis zum Mai, denn sie frißt an allen möglichen Pflanzen, krautartigen so gut wie an
Sträuchern, "man kann sie mit Brod füttern", äußerte gegen mich einmal ein Sammler, um
damit anzudeuten, daß sie kein Kostverächter sei. Man erkennt sie vor anderen Bärenraupen an
den schwarzen, weiß bespitzten Haaren, welche eben nur die Körperhaut durchschimmern lassen;
blos seitlich und auf den drei ersten Ringen verändert sich das schwarze Haarkleid in ein fuchs-
rothes. Der Schmetterling hält sich den Tag über versteckt. Er ist von lebhafter Färbung;
die weißen Zeichnungen der Vorderflügel stehen auf sammetartig rothbraunem Untergrunde, welchen
sie mit Kopf und Thorax theilen, und der zinnoberrothe Hinterleib und die ebenso gefärbten
Hinterflügel sind schwarz, letztere blauschwarz in der angegebenen Weise gezeichnet. Die weißen
Fühler werden beim Männchen durch kurze Kammzähne etwas dicker, als sie das hier abgebildete
Weibchen zeigt. Jn warmen Nächten des Juni und Juli fliegt der braune Bär umher, langsam
und bedächtig und nur während dieser Zeit erfolgt die Paarung, in welcher Männchen und Weibchen
unter einem bethaueten Blatte am frühen Morgen wohl noch ertappt werden. Die erwachsene
Raupe verfertigt aus ihren langen Haaren ein loses Gespinnst, in welchem die schwarze, gedrungene
Puppe an der Erde, unter dürrem Laube eine kurze Ruhe von wenigen Wochen hält. Nicht selten
erscheint sie aber gar nicht in diesem Gespinnst, sondern statt ihrer eine Partie von fünf bis
sieben schwarzen Tonnenpüppchen, aus welchen ihrer Zeit schwarzgraue Fliegen zum Vorschein
kommen, sogenannte Tachinen, welche in zahlreichen Arten sich im Grase umhertreiben, um die
verschiedensten Schmetterlingsraupen mit Eiern zu beschenken. -- Einige Sippengenossen fliegen
ausnahmsweise im Sonnenscheine umher, wie z. B. der prächtige Purpurbär (Arctia purpurea),
oder die Jungfer (Callimorpha dominula), wenige, wie beispielsweise die Spanische Fahne
(Callimorpha Hera), haben sich dies zur Regel gemacht und zeigen sich dabei sehr scheu und flüchtig,
die meisten jedoch ruhen während dieser Zeit, indem sie den Hinterleib mit ihren Flügeln dach-
artig bedecken.



Was von dickleibigen, breitflügeligen, im männlichen Geschlecht stark kammfühlerigen Schmetter-
lingen noch übrig, zählt zur fünften Familie, den Spinnern (Bombycidae), welche an Reich-
thum der Arten den vorigen nicht nachstehen, an Uebereinstimmung der Körpertracht sie übertreffen.
Die Spinner, meist von mittlerer, aber auch von außergewöhnlicher Größe, sind der Mehrzahl
nach von trüber, blasser und wolkiger Flügelfärbung, meist ohne Nebenaugen, sehr allgemein durch
auffallende Unterschiede der beiden Geschlechter in Form und Größe ausgezeichnet. Die an sich
borstigen Fühler bleiben so oder versehen sich nur mit Säge- oder kurzen Kammzähnen beim
Weibchen, während die männlichen stets ungemein lange Kammzähne führen, welche mitunter sehr
buschig sind. Die breiten Flügel werden in der Regel dachartig getragen. Der dicht und wollig
behaarte Körper, bei beiden Geschlechtern durch diese Behaarung plump, erscheint indeß beim
Männchen oft schlank gegen den bedeutend größeren, durch zahlreiche Eier geschwellten Hinterleib
der Weibchen. Hiermit geht die größere Flugfertigkeit und Beweglichkeit jener im Vergleich zu
diesen Hand in Hand. Denn viele Männchen sausen bei Tage unstät und hastig in ausdauerndem
Fluge zwischen Gras und Gebüsch umher, indem es sich um das Aufsuchen der Weibchen handelt,
denen sie mit scharfem Witterungsvermögen nachspüren. Es geschieht dies bald, nachdem sie die
Puppe verlassen haben, so wie sie, nicht hinter den Ohren, sondern an den Flügeln trocken geworden
sind. Die Weibchen dagegen entfernen sich meist nicht weit von ihrer Geburtsstätte, manche

Die Schmetterlinge. Spinner.
können alle flink laufen und ruhen lang ausgeſtreckt, haben aber je nach der Art ein ſehr ver-
ſchiedenes Ausſehen. Man hat nach allerlei feinen Merkmalen die Falter in zahlreiche Gattungen
vertheilt. Einen der gemeinſten, den braunen Bär (Arctia caja), ſehen wir hier ſammt ſeiner
Raupe vor uns. Letztere begegnet uns häufig vom Auguſt an und nach der Ueberwinterung
wieder bis zum Mai, denn ſie frißt an allen möglichen Pflanzen, krautartigen ſo gut wie an
Sträuchern, „man kann ſie mit Brod füttern“, äußerte gegen mich einmal ein Sammler, um
damit anzudeuten, daß ſie kein Koſtverächter ſei. Man erkennt ſie vor anderen Bärenraupen an
den ſchwarzen, weiß beſpitzten Haaren, welche eben nur die Körperhaut durchſchimmern laſſen;
blos ſeitlich und auf den drei erſten Ringen verändert ſich das ſchwarze Haarkleid in ein fuchs-
rothes. Der Schmetterling hält ſich den Tag über verſteckt. Er iſt von lebhafter Färbung;
die weißen Zeichnungen der Vorderflügel ſtehen auf ſammetartig rothbraunem Untergrunde, welchen
ſie mit Kopf und Thorax theilen, und der zinnoberrothe Hinterleib und die ebenſo gefärbten
Hinterflügel ſind ſchwarz, letztere blauſchwarz in der angegebenen Weiſe gezeichnet. Die weißen
Fühler werden beim Männchen durch kurze Kammzähne etwas dicker, als ſie das hier abgebildete
Weibchen zeigt. Jn warmen Nächten des Juni und Juli fliegt der braune Bär umher, langſam
und bedächtig und nur während dieſer Zeit erfolgt die Paarung, in welcher Männchen und Weibchen
unter einem bethaueten Blatte am frühen Morgen wohl noch ertappt werden. Die erwachſene
Raupe verfertigt aus ihren langen Haaren ein loſes Geſpinnſt, in welchem die ſchwarze, gedrungene
Puppe an der Erde, unter dürrem Laube eine kurze Ruhe von wenigen Wochen hält. Nicht ſelten
erſcheint ſie aber gar nicht in dieſem Geſpinnſt, ſondern ſtatt ihrer eine Partie von fünf bis
ſieben ſchwarzen Tonnenpüppchen, aus welchen ihrer Zeit ſchwarzgraue Fliegen zum Vorſchein
kommen, ſogenannte Tachinen, welche in zahlreichen Arten ſich im Graſe umhertreiben, um die
verſchiedenſten Schmetterlingsraupen mit Eiern zu beſchenken. — Einige Sippengenoſſen fliegen
ausnahmsweiſe im Sonnenſcheine umher, wie z. B. der prächtige Purpurbär (Arctia purpurea),
oder die Jungfer (Callimorpha dominula), wenige, wie beiſpielsweiſe die Spaniſche Fahne
(Callimorpha Hera), haben ſich dies zur Regel gemacht und zeigen ſich dabei ſehr ſcheu und flüchtig,
die meiſten jedoch ruhen während dieſer Zeit, indem ſie den Hinterleib mit ihren Flügeln dach-
artig bedecken.



Was von dickleibigen, breitflügeligen, im männlichen Geſchlecht ſtark kammfühlerigen Schmetter-
lingen noch übrig, zählt zur fünften Familie, den Spinnern (Bombycidae), welche an Reich-
thum der Arten den vorigen nicht nachſtehen, an Uebereinſtimmung der Körpertracht ſie übertreffen.
Die Spinner, meiſt von mittlerer, aber auch von außergewöhnlicher Größe, ſind der Mehrzahl
nach von trüber, blaſſer und wolkiger Flügelfärbung, meiſt ohne Nebenaugen, ſehr allgemein durch
auffallende Unterſchiede der beiden Geſchlechter in Form und Größe ausgezeichnet. Die an ſich
borſtigen Fühler bleiben ſo oder verſehen ſich nur mit Säge- oder kurzen Kammzähnen beim
Weibchen, während die männlichen ſtets ungemein lange Kammzähne führen, welche mitunter ſehr
buſchig ſind. Die breiten Flügel werden in der Regel dachartig getragen. Der dicht und wollig
behaarte Körper, bei beiden Geſchlechtern durch dieſe Behaarung plump, erſcheint indeß beim
Männchen oft ſchlank gegen den bedeutend größeren, durch zahlreiche Eier geſchwellten Hinterleib
der Weibchen. Hiermit geht die größere Flugfertigkeit und Beweglichkeit jener im Vergleich zu
dieſen Hand in Hand. Denn viele Männchen ſauſen bei Tage unſtät und haſtig in ausdauerndem
Fluge zwiſchen Gras und Gebüſch umher, indem es ſich um das Aufſuchen der Weibchen handelt,
denen ſie mit ſcharfem Witterungsvermögen nachſpüren. Es geſchieht dies bald, nachdem ſie die
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[324/0348] Die Schmetterlinge. Spinner. können alle flink laufen und ruhen lang ausgeſtreckt, haben aber je nach der Art ein ſehr ver- ſchiedenes Ausſehen. Man hat nach allerlei feinen Merkmalen die Falter in zahlreiche Gattungen vertheilt. Einen der gemeinſten, den braunen Bär (Arctia caja), ſehen wir hier ſammt ſeiner Raupe vor uns. Letztere begegnet uns häufig vom Auguſt an und nach der Ueberwinterung wieder bis zum Mai, denn ſie frißt an allen möglichen Pflanzen, krautartigen ſo gut wie an Sträuchern, „man kann ſie mit Brod füttern“, äußerte gegen mich einmal ein Sammler, um damit anzudeuten, daß ſie kein Koſtverächter ſei. Man erkennt ſie vor anderen Bärenraupen an den ſchwarzen, weiß beſpitzten Haaren, welche eben nur die Körperhaut durchſchimmern laſſen; blos ſeitlich und auf den drei erſten Ringen verändert ſich das ſchwarze Haarkleid in ein fuchs- rothes. Der Schmetterling hält ſich den Tag über verſteckt. Er iſt von lebhafter Färbung; die weißen Zeichnungen der Vorderflügel ſtehen auf ſammetartig rothbraunem Untergrunde, welchen ſie mit Kopf und Thorax theilen, und der zinnoberrothe Hinterleib und die ebenſo gefärbten Hinterflügel ſind ſchwarz, letztere blauſchwarz in der angegebenen Weiſe gezeichnet. Die weißen Fühler werden beim Männchen durch kurze Kammzähne etwas dicker, als ſie das hier abgebildete Weibchen zeigt. Jn warmen Nächten des Juni und Juli fliegt der braune Bär umher, langſam und bedächtig und nur während dieſer Zeit erfolgt die Paarung, in welcher Männchen und Weibchen unter einem bethaueten Blatte am frühen Morgen wohl noch ertappt werden. Die erwachſene Raupe verfertigt aus ihren langen Haaren ein loſes Geſpinnſt, in welchem die ſchwarze, gedrungene Puppe an der Erde, unter dürrem Laube eine kurze Ruhe von wenigen Wochen hält. Nicht ſelten erſcheint ſie aber gar nicht in dieſem Geſpinnſt, ſondern ſtatt ihrer eine Partie von fünf bis ſieben ſchwarzen Tonnenpüppchen, aus welchen ihrer Zeit ſchwarzgraue Fliegen zum Vorſchein kommen, ſogenannte Tachinen, welche in zahlreichen Arten ſich im Graſe umhertreiben, um die verſchiedenſten Schmetterlingsraupen mit Eiern zu beſchenken. — Einige Sippengenoſſen fliegen ausnahmsweiſe im Sonnenſcheine umher, wie z. B. der prächtige Purpurbär (Arctia purpurea), oder die Jungfer (Callimorpha dominula), wenige, wie beiſpielsweiſe die Spaniſche Fahne (Callimorpha Hera), haben ſich dies zur Regel gemacht und zeigen ſich dabei ſehr ſcheu und flüchtig, die meiſten jedoch ruhen während dieſer Zeit, indem ſie den Hinterleib mit ihren Flügeln dach- artig bedecken. Was von dickleibigen, breitflügeligen, im männlichen Geſchlecht ſtark kammfühlerigen Schmetter- lingen noch übrig, zählt zur fünften Familie, den Spinnern (Bombycidae), welche an Reich- thum der Arten den vorigen nicht nachſtehen, an Uebereinſtimmung der Körpertracht ſie übertreffen. Die Spinner, meiſt von mittlerer, aber auch von außergewöhnlicher Größe, ſind der Mehrzahl nach von trüber, blaſſer und wolkiger Flügelfärbung, meiſt ohne Nebenaugen, ſehr allgemein durch auffallende Unterſchiede der beiden Geſchlechter in Form und Größe ausgezeichnet. Die an ſich borſtigen Fühler bleiben ſo oder verſehen ſich nur mit Säge- oder kurzen Kammzähnen beim Weibchen, während die männlichen ſtets ungemein lange Kammzähne führen, welche mitunter ſehr buſchig ſind. Die breiten Flügel werden in der Regel dachartig getragen. Der dicht und wollig behaarte Körper, bei beiden Geſchlechtern durch dieſe Behaarung plump, erſcheint indeß beim Männchen oft ſchlank gegen den bedeutend größeren, durch zahlreiche Eier geſchwellten Hinterleib der Weibchen. Hiermit geht die größere Flugfertigkeit und Beweglichkeit jener im Vergleich zu dieſen Hand in Hand. Denn viele Männchen ſauſen bei Tage unſtät und haſtig in ausdauerndem Fluge zwiſchen Gras und Gebüſch umher, indem es ſich um das Aufſuchen der Weibchen handelt, denen ſie mit ſcharfem Witterungsvermögen nachſpüren. Es geſchieht dies bald, nachdem ſie die Puppe verlaſſen haben, ſo wie ſie, nicht hinter den Ohren, ſondern an den Flügeln trocken geworden ſind. Die Weibchen dagegen entfernen ſich meiſt nicht weit von ihrer Geburtsſtätte, manche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/348>, abgerufen am 24.11.2024.