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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Karpfenschwänzchen. Hornissenschwärmer.
gebackener Sägespäne daraus hervor, bleibt zum Theil daran hängen, verstopft das Loch stets und
wird zum Verräther der Raupe. Diese nun, wenn sie in Begriff steht, sich zu verpuppen, begibt
sich ganz nahe nach jenem verstopften Ausgange und kehrt sich mit dem Kopfe ihm zu. Die
Natur, welche nichts halb thut, pflanzte der Raupe nicht nur diesen Trieb ein, sondern baute
auch die Puppe so, daß sie durch eine scharfe Spitze am Kopfe, oder durch Borstenkränze an ihren
Leibesringen bohren und sich durch Windungen ihres Körpers verschieben kann, wenn das erwachte
Schmetterlingsleben im Drange nach Freiheit dazu Veranlassung bietet. Sonach ist der Schmetter-
ling gegen seine Brüder, deren Puppen im Freien hängen, kaum benachtheiligt, er hat nur, bevor
er im Nacken die Hülle der letzteren sprengt, durch einige Wurmbewegungen, wie der Schwärmer
in der Erde, die Puppe wenige Linien vorwärts zu schieben. Diese Eigenthümlichkeit in der
Entwickelung und der Mangel gewisser Kennzeichen, welche andere Arten haben, deren Larven
gleichfalls bohrend leben, sind es, welche die gleich näher zu betrachtenden zu einer Familie ver-
einigen lassen.

Die Glasflügler (Sesia) stimmen wenigstens in der Körpertracht und Bildung der Fühler,
wie hinsichtlich der an den Hinterflügeln befindlichen Haftborste mit den Schwärmern überein, von
denen sie die eben näher geschilderte Lebensweise, das Vorhandensein zweier Punktaugen auf dem
Scheitel, die durchaus glashellen Hinterflügel, die in der Regel sehr unvollständig beschuppten,
schmalen Vorderflügel wesentlich unterscheiden. Von diesen überaus zierlichen Faltern kennt man
etwa sechzig Arten aus Europa, darunter 27 deutsche, außerdem zahlreiche in Amerika. Sie fehlen
schwerlich in den übrigen Erdtheilen, es hat aber eine ganz eigenthümliche Bewandtniß mit ihrem
Aussinden. Soweit meine Erfahrungen reichen, kriechen die Schmetterlinge, die Puppe halb aus
dem Schlupfloche mit sich nehmend, in den Morgenstunden zwischen neun und zwölf Uhr aus, sitzen
einige Stunden ruhig am Baumstamme, um vollkommen abzutrocknen, fliegen dann aber lebhaft
am Laube umher, um sich zu begatten. Jhr Flug ist ein ungemein leichter, flüchtiger und ihre
Bewegung eine hüpfende. Jhre Lebensdauer dürfte eine nur kurze sein. Wer die Lebensweise der
einzelnen Arten kennt, ihre Wohnungen aufzufinden weiß und zur bestimmten Zeit an Ort und
Stelle ist, wird unter Umständen eine reiche Ausbeute machen, während der eifrigste Sammler,
welcher dies Alles nicht kennt, jahrelang umherlaufen kann, ehe er nur ein Stück und dies zufällig
zu sehen bekommt. Diejenigen Arten, deren erwachsene Raupen gesammelt werden können, ohne
daß man Bäume zu fällen braucht, lassen sich auch erziehen. Steckt man jene einzeln in einen etwas
ausgehöhlten, trockenen Brombeerstengel, so bohren sie sich weiter ein, spinnen die Oeffnung zu und
gedeihen vortrefflich in diesen Patronen. Abgesehen von einigen wenigen Arten, wie die vorherrschend
gelbe C. empiformis Esper's, tenthrediniformis Ochsenheimer's, wovon die Raupe in dem
Wurzelstocke der Cypressen-Wolfsmilch lebt, der Schmetterling aber im Sonnenscheine um die
Futterpflanze fliegend angetroffen wird, bekommt man noch am häufigsten unsere größte Art zu sehen.

Den Hornissenschwärmer (Trochilium apiforme). Zu der beigegebenen Abbildung
braucht nur bemerkt zu werden, daß die lichten Stellen am Körper goldgelb, die dunkeln ein-
schließlich der Fühler braun bis schwarzbraun, die Adern, Fransen aller Flügel und der Vorder-
rand der vorderen nebst den Beinen rostgelb (bronzefarben) sind. Die Raupe lebt unten im
Stamme junger Pappeln und Espen, am liebsten an der Stelle, wo er aus der Erde heraustritt,
aber auch tiefer unten, und es fehlt nicht an Beispielen, wo der Wind dergleichen Stämmchen umge-
brochen und diese Raupe genau dieselben Wirkungen hervorgebracht hat, wie die Larve des
großen Pappelbockes (Saperda carcharias), welche wir früher kennen lernten. Die Verwandlung
der Raupe vertheilt sich auf zwei Kalenderjahre, jedoch nur auf eines ihres Lebens. Jm Juni und
Anfangs Juli werden die Eier zwischen die Rindenschuppen abgesetzt, und im nächsten März findet
man die Raupe ziemlich erwachsen. Lebte sie im Wurzelstocke, so kann die Verpuppung auch in der
Erde, nahe ihrer Oberfläche erfolgen.

Karpfenſchwänzchen. Horniſſenſchwärmer.
gebackener Sägeſpäne daraus hervor, bleibt zum Theil daran hängen, verſtopft das Loch ſtets und
wird zum Verräther der Raupe. Dieſe nun, wenn ſie in Begriff ſteht, ſich zu verpuppen, begibt
ſich ganz nahe nach jenem verſtopften Ausgange und kehrt ſich mit dem Kopfe ihm zu. Die
Natur, welche nichts halb thut, pflanzte der Raupe nicht nur dieſen Trieb ein, ſondern baute
auch die Puppe ſo, daß ſie durch eine ſcharfe Spitze am Kopfe, oder durch Borſtenkränze an ihren
Leibesringen bohren und ſich durch Windungen ihres Körpers verſchieben kann, wenn das erwachte
Schmetterlingsleben im Drange nach Freiheit dazu Veranlaſſung bietet. Sonach iſt der Schmetter-
ling gegen ſeine Brüder, deren Puppen im Freien hängen, kaum benachtheiligt, er hat nur, bevor
er im Nacken die Hülle der letzteren ſprengt, durch einige Wurmbewegungen, wie der Schwärmer
in der Erde, die Puppe wenige Linien vorwärts zu ſchieben. Dieſe Eigenthümlichkeit in der
Entwickelung und der Mangel gewiſſer Kennzeichen, welche andere Arten haben, deren Larven
gleichfalls bohrend leben, ſind es, welche die gleich näher zu betrachtenden zu einer Familie ver-
einigen laſſen.

Die Glasflügler (Sesia) ſtimmen wenigſtens in der Körpertracht und Bildung der Fühler,
wie hinſichtlich der an den Hinterflügeln befindlichen Haftborſte mit den Schwärmern überein, von
denen ſie die eben näher geſchilderte Lebensweiſe, das Vorhandenſein zweier Punktaugen auf dem
Scheitel, die durchaus glashellen Hinterflügel, die in der Regel ſehr unvollſtändig beſchuppten,
ſchmalen Vorderflügel weſentlich unterſcheiden. Von dieſen überaus zierlichen Faltern kennt man
etwa ſechzig Arten aus Europa, darunter 27 deutſche, außerdem zahlreiche in Amerika. Sie fehlen
ſchwerlich in den übrigen Erdtheilen, es hat aber eine ganz eigenthümliche Bewandtniß mit ihrem
Auſſinden. Soweit meine Erfahrungen reichen, kriechen die Schmetterlinge, die Puppe halb aus
dem Schlupfloche mit ſich nehmend, in den Morgenſtunden zwiſchen neun und zwölf Uhr aus, ſitzen
einige Stunden ruhig am Baumſtamme, um vollkommen abzutrocknen, fliegen dann aber lebhaft
am Laube umher, um ſich zu begatten. Jhr Flug iſt ein ungemein leichter, flüchtiger und ihre
Bewegung eine hüpfende. Jhre Lebensdauer dürfte eine nur kurze ſein. Wer die Lebensweiſe der
einzelnen Arten kennt, ihre Wohnungen aufzufinden weiß und zur beſtimmten Zeit an Ort und
Stelle iſt, wird unter Umſtänden eine reiche Ausbeute machen, während der eifrigſte Sammler,
welcher dies Alles nicht kennt, jahrelang umherlaufen kann, ehe er nur ein Stück und dies zufällig
zu ſehen bekommt. Diejenigen Arten, deren erwachſene Raupen geſammelt werden können, ohne
daß man Bäume zu fällen braucht, laſſen ſich auch erziehen. Steckt man jene einzeln in einen etwas
ausgehöhlten, trockenen Brombeerſtengel, ſo bohren ſie ſich weiter ein, ſpinnen die Oeffnung zu und
gedeihen vortrefflich in dieſen Patronen. Abgeſehen von einigen wenigen Arten, wie die vorherrſchend
gelbe C. empiformis Esper’s, tenthrediniformis Ochſenheimer’s, wovon die Raupe in dem
Wurzelſtocke der Cypreſſen-Wolfsmilch lebt, der Schmetterling aber im Sonnenſcheine um die
Futterpflanze fliegend angetroffen wird, bekommt man noch am häufigſten unſere größte Art zu ſehen.

Den Horniſſenſchwärmer (Trochilium apiforme). Zu der beigegebenen Abbildung
braucht nur bemerkt zu werden, daß die lichten Stellen am Körper goldgelb, die dunkeln ein-
ſchließlich der Fühler braun bis ſchwarzbraun, die Adern, Franſen aller Flügel und der Vorder-
rand der vorderen nebſt den Beinen roſtgelb (bronzefarben) ſind. Die Raupe lebt unten im
Stamme junger Pappeln und Espen, am liebſten an der Stelle, wo er aus der Erde heraustritt,
aber auch tiefer unten, und es fehlt nicht an Beiſpielen, wo der Wind dergleichen Stämmchen umge-
brochen und dieſe Raupe genau dieſelben Wirkungen hervorgebracht hat, wie die Larve des
großen Pappelbockes (Saperda carcharias), welche wir früher kennen lernten. Die Verwandlung
der Raupe vertheilt ſich auf zwei Kalenderjahre, jedoch nur auf eines ihres Lebens. Jm Juni und
Anfangs Juli werden die Eier zwiſchen die Rindenſchuppen abgeſetzt, und im nächſten März findet
man die Raupe ziemlich erwachſen. Lebte ſie im Wurzelſtocke, ſo kann die Verpuppung auch in der
Erde, nahe ihrer Oberfläche erfolgen.

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[319/0343] Karpfenſchwänzchen. Horniſſenſchwärmer. gebackener Sägeſpäne daraus hervor, bleibt zum Theil daran hängen, verſtopft das Loch ſtets und wird zum Verräther der Raupe. Dieſe nun, wenn ſie in Begriff ſteht, ſich zu verpuppen, begibt ſich ganz nahe nach jenem verſtopften Ausgange und kehrt ſich mit dem Kopfe ihm zu. Die Natur, welche nichts halb thut, pflanzte der Raupe nicht nur dieſen Trieb ein, ſondern baute auch die Puppe ſo, daß ſie durch eine ſcharfe Spitze am Kopfe, oder durch Borſtenkränze an ihren Leibesringen bohren und ſich durch Windungen ihres Körpers verſchieben kann, wenn das erwachte Schmetterlingsleben im Drange nach Freiheit dazu Veranlaſſung bietet. Sonach iſt der Schmetter- ling gegen ſeine Brüder, deren Puppen im Freien hängen, kaum benachtheiligt, er hat nur, bevor er im Nacken die Hülle der letzteren ſprengt, durch einige Wurmbewegungen, wie der Schwärmer in der Erde, die Puppe wenige Linien vorwärts zu ſchieben. Dieſe Eigenthümlichkeit in der Entwickelung und der Mangel gewiſſer Kennzeichen, welche andere Arten haben, deren Larven gleichfalls bohrend leben, ſind es, welche die gleich näher zu betrachtenden zu einer Familie ver- einigen laſſen. Die Glasflügler (Sesia) ſtimmen wenigſtens in der Körpertracht und Bildung der Fühler, wie hinſichtlich der an den Hinterflügeln befindlichen Haftborſte mit den Schwärmern überein, von denen ſie die eben näher geſchilderte Lebensweiſe, das Vorhandenſein zweier Punktaugen auf dem Scheitel, die durchaus glashellen Hinterflügel, die in der Regel ſehr unvollſtändig beſchuppten, ſchmalen Vorderflügel weſentlich unterſcheiden. Von dieſen überaus zierlichen Faltern kennt man etwa ſechzig Arten aus Europa, darunter 27 deutſche, außerdem zahlreiche in Amerika. Sie fehlen ſchwerlich in den übrigen Erdtheilen, es hat aber eine ganz eigenthümliche Bewandtniß mit ihrem Auſſinden. Soweit meine Erfahrungen reichen, kriechen die Schmetterlinge, die Puppe halb aus dem Schlupfloche mit ſich nehmend, in den Morgenſtunden zwiſchen neun und zwölf Uhr aus, ſitzen einige Stunden ruhig am Baumſtamme, um vollkommen abzutrocknen, fliegen dann aber lebhaft am Laube umher, um ſich zu begatten. Jhr Flug iſt ein ungemein leichter, flüchtiger und ihre Bewegung eine hüpfende. Jhre Lebensdauer dürfte eine nur kurze ſein. Wer die Lebensweiſe der einzelnen Arten kennt, ihre Wohnungen aufzufinden weiß und zur beſtimmten Zeit an Ort und Stelle iſt, wird unter Umſtänden eine reiche Ausbeute machen, während der eifrigſte Sammler, welcher dies Alles nicht kennt, jahrelang umherlaufen kann, ehe er nur ein Stück und dies zufällig zu ſehen bekommt. Diejenigen Arten, deren erwachſene Raupen geſammelt werden können, ohne daß man Bäume zu fällen braucht, laſſen ſich auch erziehen. Steckt man jene einzeln in einen etwas ausgehöhlten, trockenen Brombeerſtengel, ſo bohren ſie ſich weiter ein, ſpinnen die Oeffnung zu und gedeihen vortrefflich in dieſen Patronen. Abgeſehen von einigen wenigen Arten, wie die vorherrſchend gelbe C. empiformis Esper’s, tenthrediniformis Ochſenheimer’s, wovon die Raupe in dem Wurzelſtocke der Cypreſſen-Wolfsmilch lebt, der Schmetterling aber im Sonnenſcheine um die Futterpflanze fliegend angetroffen wird, bekommt man noch am häufigſten unſere größte Art zu ſehen. Den Horniſſenſchwärmer (Trochilium apiforme). Zu der beigegebenen Abbildung braucht nur bemerkt zu werden, daß die lichten Stellen am Körper goldgelb, die dunkeln ein- ſchließlich der Fühler braun bis ſchwarzbraun, die Adern, Franſen aller Flügel und der Vorder- rand der vorderen nebſt den Beinen roſtgelb (bronzefarben) ſind. Die Raupe lebt unten im Stamme junger Pappeln und Espen, am liebſten an der Stelle, wo er aus der Erde heraustritt, aber auch tiefer unten, und es fehlt nicht an Beiſpielen, wo der Wind dergleichen Stämmchen umge- brochen und dieſe Raupe genau dieſelben Wirkungen hervorgebracht hat, wie die Larve des großen Pappelbockes (Saperda carcharias), welche wir früher kennen lernten. Die Verwandlung der Raupe vertheilt ſich auf zwei Kalenderjahre, jedoch nur auf eines ihres Lebens. Jm Juni und Anfangs Juli werden die Eier zwiſchen die Rindenſchuppen abgeſetzt, und im nächſten März findet man die Raupe ziemlich erwachſen. Lebte ſie im Wurzelſtocke, ſo kann die Verpuppung auch in der Erde, nahe ihrer Oberfläche erfolgen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/343>, abgerufen am 23.11.2024.