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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Jchneumoniden.
Raupen vorhanden sind, denen sie ihre Eier anvertrauen können. Man kann es rascheln und
knistern hören, wenn zahlreiche Arten in Gemeinschaft mit anderen Jmmen derselben Familie, be-
sonders auch Mordwespen, flüchtigen Fliegen u. a., im bunten Gemisch als Leckermäuler oder
Räuber sich zusammenfinden, und unterhaltend ist es, ihnen allen zuzuschauen und die Beweg-
lichkeit der einen, die größere Schwerfälligkeit der anderen, die Furchtsamkeit dieser, die Dreistigkeit
jener Art zu beobachten. Das ist ein Leben und Treiben wunderbarer Art, welches sich schwer
schildern läßt, sondern selbst angeschaut sein muß, wenn man es in seinem ganzen Umfange
kennen lernen will. Jch hatte einst Gelegenheit, unter anderen Verhältnissen ein solches Jahrmarkts-
leben dieser kleinen Wesen, wie ich es nennen möchte, zu beobachten. Es war in einem trockenen
Sommer, und jegliches Gethier, jede Pflanze schmachtete nach erquickendem Regen. Ein Gewitter
hatte denselben gebracht, und in einem breiten Fahrwege, der stellenweise beschattet durch einen
gemischten Laub- und Nadelwald hinzog, hatten sich feuchte Stellen und einige Pfützen zwischen
Graswuchs und Brombeergestrüpp erhalten. Diesen Weg wandelte ich in den späten Nachmittags-
stunden und gewahrte ein Leben, welches mich wahrhaft in Stannen setzte und erst recht erkennen
ließ, wie unentbehrlich das Wasser auch für diese Geschöpfe ist, welche doch sonst mit ihm gar
nichts zu schaffen haben. Tausende von durstigen Jnsekten hatten sich hier zusammengefunden,
große und kleine Schlupfwespen, geschwänzte und ungeschwänzte, sicheltragende und die eleganten
Formen der in Rede stehenden Jchneumonen, Fliegen und Schmetterlinge. Alles tummelte sich in
buntem Gemisch, fliegend und kriechend. Das kühle Gras, vor allem aber die feuchten Ränder der
Pfützen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf diese Kerfe aus und schienen einen gewissen
friedlichen Sinn auszugießen über die sonst kriegerischen, einander zum Theil befeindenden Wesen.
Leider verschieben die Jchneumonen wie die meisten anderen Familiengenossen die Hauptausgabe
ihres Lebens, das Paarungsgeschäft und die Brutpflege, auf die Nacht oder verrichten sie mindestens
so im Verborgenen und versteckt im Grase, daß ersteres so viel mir bekannt, noch von Niemand,
das Anstechen einer Raupe sehr vereinzelt und nur dann beobachtet wurde, wenn gewisse Raupen
in verheerender Menge dann und wann auftraten.

Unsere Abbildung vergegenwärtigt in dem männlichen Ichneumon pisorius, einer der größten
deutschen Arten, die Körpertracht der ganzen Sippe und in der darunter liegenden, ihres Scheitels

[Abbildung] a Männchen des Ephialtes Imperator, das Weibchen beim Eierlegen. b Weibchen von Mesostenus gladiator. c Männchen des
Cryplus tarsolencus, d Ichneumon pisorius, Männchen mit der Puppe des Fichtenschwärmers, aus der er gekommen.
beraubten Puppenhülse des Fichtenschwärmers die Art, wie sich diese Wesen aus ihrem Sarge
befreien. Zur Charakteristik des genannten sei bemerkt, daß der Hinterleibsstiel nicht breiter als hoch,
das Ende des siebengliederigen Leibes beim Weibchen zugespitzt ist und die letzte Bauchschuppe

Die Hautflügler. Jchneumoniden.
Raupen vorhanden ſind, denen ſie ihre Eier anvertrauen können. Man kann es raſcheln und
kniſtern hören, wenn zahlreiche Arten in Gemeinſchaft mit anderen Jmmen derſelben Familie, be-
ſonders auch Mordwespen, flüchtigen Fliegen u. a., im bunten Gemiſch als Leckermäuler oder
Räuber ſich zuſammenfinden, und unterhaltend iſt es, ihnen allen zuzuſchauen und die Beweg-
lichkeit der einen, die größere Schwerfälligkeit der anderen, die Furchtſamkeit dieſer, die Dreiſtigkeit
jener Art zu beobachten. Das iſt ein Leben und Treiben wunderbarer Art, welches ſich ſchwer
ſchildern läßt, ſondern ſelbſt angeſchaut ſein muß, wenn man es in ſeinem ganzen Umfange
kennen lernen will. Jch hatte einſt Gelegenheit, unter anderen Verhältniſſen ein ſolches Jahrmarkts-
leben dieſer kleinen Weſen, wie ich es nennen möchte, zu beobachten. Es war in einem trockenen
Sommer, und jegliches Gethier, jede Pflanze ſchmachtete nach erquickendem Regen. Ein Gewitter
hatte denſelben gebracht, und in einem breiten Fahrwege, der ſtellenweiſe beſchattet durch einen
gemiſchten Laub- und Nadelwald hinzog, hatten ſich feuchte Stellen und einige Pfützen zwiſchen
Graswuchs und Brombeergeſtrüpp erhalten. Dieſen Weg wandelte ich in den ſpäten Nachmittags-
ſtunden und gewahrte ein Leben, welches mich wahrhaft in Stannen ſetzte und erſt recht erkennen
ließ, wie unentbehrlich das Waſſer auch für dieſe Geſchöpfe iſt, welche doch ſonſt mit ihm gar
nichts zu ſchaffen haben. Tauſende von durſtigen Jnſekten hatten ſich hier zuſammengefunden,
große und kleine Schlupfwespen, geſchwänzte und ungeſchwänzte, ſicheltragende und die eleganten
Formen der in Rede ſtehenden Jchneumonen, Fliegen und Schmetterlinge. Alles tummelte ſich in
buntem Gemiſch, fliegend und kriechend. Das kühle Gras, vor allem aber die feuchten Ränder der
Pfützen übten eine unwiderſtehliche Anziehungskraft auf dieſe Kerfe aus und ſchienen einen gewiſſen
friedlichen Sinn auszugießen über die ſonſt kriegeriſchen, einander zum Theil befeindenden Weſen.
Leider verſchieben die Jchneumonen wie die meiſten anderen Familiengenoſſen die Hauptauſgabe
ihres Lebens, das Paarungsgeſchäft und die Brutpflege, auf die Nacht oder verrichten ſie mindeſtens
ſo im Verborgenen und verſteckt im Graſe, daß erſteres ſo viel mir bekannt, noch von Niemand,
das Anſtechen einer Raupe ſehr vereinzelt und nur dann beobachtet wurde, wenn gewiſſe Raupen
in verheerender Menge dann und wann auftraten.

Unſere Abbildung vergegenwärtigt in dem männlichen Ichneumon pisorius, einer der größten
deutſchen Arten, die Körpertracht der ganzen Sippe und in der darunter liegenden, ihres Scheitels

[Abbildung] a Männchen des Ephialtes Imperator, das Weibchen beim Eierlegen. b Weibchen von Mesostenus gladiator. c Männchen des
Cryplus tarsolencus, d Ichneumon pisorius, Männchen mit der Puppe des Fichtenſchwärmers, aus der er gekommen.
beraubten Puppenhülſe des Fichtenſchwärmers die Art, wie ſich dieſe Weſen aus ihrem Sarge
befreien. Zur Charakteriſtik des genannten ſei bemerkt, daß der Hinterleibsſtiel nicht breiter als hoch,
das Ende des ſiebengliederigen Leibes beim Weibchen zugeſpitzt iſt und die letzte Bauchſchuppe

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[268/0290] Die Hautflügler. Jchneumoniden. Raupen vorhanden ſind, denen ſie ihre Eier anvertrauen können. Man kann es raſcheln und kniſtern hören, wenn zahlreiche Arten in Gemeinſchaft mit anderen Jmmen derſelben Familie, be- ſonders auch Mordwespen, flüchtigen Fliegen u. a., im bunten Gemiſch als Leckermäuler oder Räuber ſich zuſammenfinden, und unterhaltend iſt es, ihnen allen zuzuſchauen und die Beweg- lichkeit der einen, die größere Schwerfälligkeit der anderen, die Furchtſamkeit dieſer, die Dreiſtigkeit jener Art zu beobachten. Das iſt ein Leben und Treiben wunderbarer Art, welches ſich ſchwer ſchildern läßt, ſondern ſelbſt angeſchaut ſein muß, wenn man es in ſeinem ganzen Umfange kennen lernen will. Jch hatte einſt Gelegenheit, unter anderen Verhältniſſen ein ſolches Jahrmarkts- leben dieſer kleinen Weſen, wie ich es nennen möchte, zu beobachten. Es war in einem trockenen Sommer, und jegliches Gethier, jede Pflanze ſchmachtete nach erquickendem Regen. Ein Gewitter hatte denſelben gebracht, und in einem breiten Fahrwege, der ſtellenweiſe beſchattet durch einen gemiſchten Laub- und Nadelwald hinzog, hatten ſich feuchte Stellen und einige Pfützen zwiſchen Graswuchs und Brombeergeſtrüpp erhalten. Dieſen Weg wandelte ich in den ſpäten Nachmittags- ſtunden und gewahrte ein Leben, welches mich wahrhaft in Stannen ſetzte und erſt recht erkennen ließ, wie unentbehrlich das Waſſer auch für dieſe Geſchöpfe iſt, welche doch ſonſt mit ihm gar nichts zu ſchaffen haben. Tauſende von durſtigen Jnſekten hatten ſich hier zuſammengefunden, große und kleine Schlupfwespen, geſchwänzte und ungeſchwänzte, ſicheltragende und die eleganten Formen der in Rede ſtehenden Jchneumonen, Fliegen und Schmetterlinge. Alles tummelte ſich in buntem Gemiſch, fliegend und kriechend. Das kühle Gras, vor allem aber die feuchten Ränder der Pfützen übten eine unwiderſtehliche Anziehungskraft auf dieſe Kerfe aus und ſchienen einen gewiſſen friedlichen Sinn auszugießen über die ſonſt kriegeriſchen, einander zum Theil befeindenden Weſen. Leider verſchieben die Jchneumonen wie die meiſten anderen Familiengenoſſen die Hauptauſgabe ihres Lebens, das Paarungsgeſchäft und die Brutpflege, auf die Nacht oder verrichten ſie mindeſtens ſo im Verborgenen und verſteckt im Graſe, daß erſteres ſo viel mir bekannt, noch von Niemand, das Anſtechen einer Raupe ſehr vereinzelt und nur dann beobachtet wurde, wenn gewiſſe Raupen in verheerender Menge dann und wann auftraten. Unſere Abbildung vergegenwärtigt in dem männlichen Ichneumon pisorius, einer der größten deutſchen Arten, die Körpertracht der ganzen Sippe und in der darunter liegenden, ihres Scheitels [Abbildung a Männchen des Ephialtes Imperator, das Weibchen beim Eierlegen. b Weibchen von Mesostenus gladiator. c Männchen des Cryplus tarsolencus, d Ichneumon pisorius, Männchen mit der Puppe des Fichtenſchwärmers, aus der er gekommen.] beraubten Puppenhülſe des Fichtenſchwärmers die Art, wie ſich dieſe Weſen aus ihrem Sarge befreien. Zur Charakteriſtik des genannten ſei bemerkt, daß der Hinterleibsſtiel nicht breiter als hoch, das Ende des ſiebengliederigen Leibes beim Weibchen zugeſpitzt iſt und die letzte Bauchſchuppe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/290>, abgerufen am 23.11.2024.