nur in seinen südlichen Gegenden; man kennt aber auch ein paar amerikanische Arten und eine bengalische.
Die schönen rothbäckigen, kugelrunden Auswüchse, welche manchmal zu halben Dutzenden an der Unterseite eines Eichenblattes hängen, kennt Jedermann unter dem Namen der "Galläpfel", weiß auch, daß eine andere, mehr holzige Art, welche aus der Levante zu uns gelangt, bei Bereitung einer brauchbaren Tinte füglich nicht entbehrt werden kann. Man nennt diese und hunderterlei andere Mißbildungen an Pflanzen ganz allgemein Gallen und will damit sagen, daß es kraukhafte Wucherungen des Zellgewebes seien, welche unter thierischem Einflusse entstanden und dazu bestimmt sind, der Brut des Erzeugers Nahrung und Obdach zu gewähren. Die Zahl der Kerfe ist nicht gering, welche Gallen hervorbringen: Fliegen, hauptsächlich aus der Sippe der Gallmücken, einige Käfer, Blattläuse, Blatt- und Gallwespen kommen auf das Verzeichniß. Da kein Pflanzentheil von der Wurzel bis zum Zweige, dem Blatte bis zur Blüthe und Frucht, vor Gallenbildung gesichert ist, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir eine über alle Erwartung große Manchfaltigkeit unter diesen Gebilden finden. Der interessante Gegenstand, noch lange nicht hinreichend erschöpft, hat neuerdings die Aufmerksamkeit einiger Forscher auf sich gelenkt, und v. Frauenfeld bespricht die Gallen als umhüllende, einschließende und gegliederte Gallen. Doch können wir uns hier nicht weiter mit dem Gegenstand befassen, als er Bezug hat auf die Kunstwerke der Gallwespen (Cynipidae), welche unsere achte Familie ausmachen.
Jndem eines dieser kleinen Wesen, deren wir gleich nachher einige näher kennen lernen werden, an der bestimmten Stelle, welche ihm der Naturtrieb anweist, eine ganz bestimmte Pflanze mit seinem Bohrer ansticht und ein Ei in der Wunde zurückläßt, wird in wunderbarer Weise diese veranlaßt, als Kugel, Zapsen, Kegel, Hörnchen, zottiger "Rosenkönig" oder in wer weiß welcher Form, auszuwachsen und so lange fortzuwuchern, als das Jnsekt dessen bedarf. Dann erst, wenn der Jnsasse nicht mehr wächst, ist auch die Galle "reif" geworden. Man sieht also sehr wohl die Ursache und ihre Wirkung, begreift aber nicht recht die Art der Wirkung. An Erklärungsweisen hat es nicht gefehlt, und u. a. hat man den Hergang an der Pflanze durch den Reiz zu erklären versucht, welchen das Mutterthier beim Eierlegen darauf hervorbringt, und die Larve durch ihr Saugen fortsetzt. Dieser Reiz erstreckt sich so weit, daß die Galle zu einem Schmarotzer der Pflanze wird, welcher nicht mehr ihr, sondern dem thierischen Einwohner dient. Das Gall- insekt gewinnt mithin eine Herrschaft über die Pflanze, wie kein anderes Jnsekt weiter, wie der Mensch mit seinen Veredelungsversuchen nimmermehr. Dieser thatsächliche Hergang bei der Gallen- bildung erklärt noch lange nicht das Wie der Wirkung und läßt eine Reihe von Fragen, welche sich dem denkenden Beobachter aufdrängen, unbeantwortet.
Die von den Gallwespen erzeugten Gallen sind die vollkommensten und schönsten, sie bestehen aus durchaus geschlossenen Gebilden, welche sich nicht von selbst öffnen, wie viele andere Gallen, sondern von den vollendeten Jnsekten in ihrem Jnnern durchnagt werden müssen, wenn diese schließlich dem Freiheitsdrange aller Creaturen folgen. Eine Raupe, welche im Blattfleische minirt, ein Holzwurm, welcher schrapend alte Bretter ausarbeitet, sie beide haben eine gewisse Freiheit, sie werden zwar beengt durch den Nahrungsstoff in ihrer Umgebung, können ihn aber da fortschaffen, wo es ihnen gefällt, und hierdurch ihre Wohnung beliebig erweitern. Anders ver- hält es sich mit der Made der Gallwespe. Dieselbe liegt in einem festeren, steinartigen Kerne, der sogenannten Larvenkammer, gleich dem Samen der Kirsche oder Pflaume in ihrem Stein- kern. Auf diese enge Klanse ist sie beschränkt, sie und die weitere Umhüllung, mehr fleischiger oder holziger Natur, hat das Kerf zu durchbrechen, wenn die Verwandlung vollendet ist. Der gemeine Gallapfel enthält in seinem Mittelpunkte nur eine Larvenkammer und gehört daher zu den
Die Hautflügler. Goldwespen.
nur in ſeinen ſüdlichen Gegenden; man kennt aber auch ein paar amerikaniſche Arten und eine bengaliſche.
Die ſchönen rothbäckigen, kugelrunden Auswüchſe, welche manchmal zu halben Dutzenden an der Unterſeite eines Eichenblattes hängen, kennt Jedermann unter dem Namen der „Galläpfel“, weiß auch, daß eine andere, mehr holzige Art, welche aus der Levante zu uns gelangt, bei Bereitung einer brauchbaren Tinte füglich nicht entbehrt werden kann. Man nennt dieſe und hunderterlei andere Mißbildungen an Pflanzen ganz allgemein Gallen und will damit ſagen, daß es kraukhafte Wucherungen des Zellgewebes ſeien, welche unter thieriſchem Einfluſſe entſtanden und dazu beſtimmt ſind, der Brut des Erzeugers Nahrung und Obdach zu gewähren. Die Zahl der Kerfe iſt nicht gering, welche Gallen hervorbringen: Fliegen, hauptſächlich aus der Sippe der Gallmücken, einige Käfer, Blattläuſe, Blatt- und Gallwespen kommen auf das Verzeichniß. Da kein Pflanzentheil von der Wurzel bis zum Zweige, dem Blatte bis zur Blüthe und Frucht, vor Gallenbildung geſichert iſt, ſo dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir eine über alle Erwartung große Manchfaltigkeit unter dieſen Gebilden finden. Der intereſſante Gegenſtand, noch lange nicht hinreichend erſchöpft, hat neuerdings die Aufmerkſamkeit einiger Forſcher auf ſich gelenkt, und v. Frauenfeld beſpricht die Gallen als umhüllende, einſchließende und gegliederte Gallen. Doch können wir uns hier nicht weiter mit dem Gegenſtand befaſſen, als er Bezug hat auf die Kunſtwerke der Gallwespen (Cynipidae), welche unſere achte Familie ausmachen.
Jndem eines dieſer kleinen Weſen, deren wir gleich nachher einige näher kennen lernen werden, an der beſtimmten Stelle, welche ihm der Naturtrieb anweiſt, eine ganz beſtimmte Pflanze mit ſeinem Bohrer anſticht und ein Ei in der Wunde zurückläßt, wird in wunderbarer Weiſe dieſe veranlaßt, als Kugel, Zapſen, Kegel, Hörnchen, zottiger „Roſenkönig“ oder in wer weiß welcher Form, auszuwachſen und ſo lange fortzuwuchern, als das Jnſekt deſſen bedarf. Dann erſt, wenn der Jnſaſſe nicht mehr wächſt, iſt auch die Galle „reif“ geworden. Man ſieht alſo ſehr wohl die Urſache und ihre Wirkung, begreift aber nicht recht die Art der Wirkung. An Erklärungsweiſen hat es nicht gefehlt, und u. a. hat man den Hergang an der Pflanze durch den Reiz zu erklären verſucht, welchen das Mutterthier beim Eierlegen darauf hervorbringt, und die Larve durch ihr Saugen fortſetzt. Dieſer Reiz erſtreckt ſich ſo weit, daß die Galle zu einem Schmarotzer der Pflanze wird, welcher nicht mehr ihr, ſondern dem thieriſchen Einwohner dient. Das Gall- inſekt gewinnt mithin eine Herrſchaft über die Pflanze, wie kein anderes Jnſekt weiter, wie der Menſch mit ſeinen Veredelungsverſuchen nimmermehr. Dieſer thatſächliche Hergang bei der Gallen- bildung erklärt noch lange nicht das Wie der Wirkung und läßt eine Reihe von Fragen, welche ſich dem denkenden Beobachter aufdrängen, unbeantwortet.
Die von den Gallwespen erzeugten Gallen ſind die vollkommenſten und ſchönſten, ſie beſtehen aus durchaus geſchloſſenen Gebilden, welche ſich nicht von ſelbſt öffnen, wie viele andere Gallen, ſondern von den vollendeten Jnſekten in ihrem Jnnern durchnagt werden müſſen, wenn dieſe ſchließlich dem Freiheitsdrange aller Creaturen folgen. Eine Raupe, welche im Blattfleiſche minirt, ein Holzwurm, welcher ſchrapend alte Bretter ausarbeitet, ſie beide haben eine gewiſſe Freiheit, ſie werden zwar beengt durch den Nahrungsſtoff in ihrer Umgebung, können ihn aber da fortſchaffen, wo es ihnen gefällt, und hierdurch ihre Wohnung beliebig erweitern. Anders ver- hält es ſich mit der Made der Gallwespe. Dieſelbe liegt in einem feſteren, ſteinartigen Kerne, der ſogenannten Larvenkammer, gleich dem Samen der Kirſche oder Pflaume in ihrem Stein- kern. Auf dieſe enge Klanſe iſt ſie beſchränkt, ſie und die weitere Umhüllung, mehr fleiſchiger oder holziger Natur, hat das Kerf zu durchbrechen, wenn die Verwandlung vollendet iſt. Der gemeine Gallapfel enthält in ſeinem Mittelpunkte nur eine Larvenkammer und gehört daher zu den
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[242/0264]
Die Hautflügler. Goldwespen.
nur in ſeinen ſüdlichen Gegenden; man kennt aber auch ein paar amerikaniſche Arten und
eine bengaliſche.
Die ſchönen rothbäckigen, kugelrunden Auswüchſe, welche manchmal zu halben Dutzenden
an der Unterſeite eines Eichenblattes hängen, kennt Jedermann unter dem Namen der „Galläpfel“,
weiß auch, daß eine andere, mehr holzige Art, welche aus der Levante zu uns gelangt, bei
Bereitung einer brauchbaren Tinte füglich nicht entbehrt werden kann. Man nennt dieſe und
hunderterlei andere Mißbildungen an Pflanzen ganz allgemein Gallen und will damit ſagen,
daß es kraukhafte Wucherungen des Zellgewebes ſeien, welche unter thieriſchem Einfluſſe entſtanden
und dazu beſtimmt ſind, der Brut des Erzeugers Nahrung und Obdach zu gewähren. Die Zahl
der Kerfe iſt nicht gering, welche Gallen hervorbringen: Fliegen, hauptſächlich aus der Sippe
der Gallmücken, einige Käfer, Blattläuſe, Blatt- und Gallwespen kommen auf das Verzeichniß.
Da kein Pflanzentheil von der Wurzel bis zum Zweige, dem Blatte bis zur Blüthe und
Frucht, vor Gallenbildung geſichert iſt, ſo dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir eine über
alle Erwartung große Manchfaltigkeit unter dieſen Gebilden finden. Der intereſſante Gegenſtand,
noch lange nicht hinreichend erſchöpft, hat neuerdings die Aufmerkſamkeit einiger Forſcher auf ſich
gelenkt, und v. Frauenfeld beſpricht die Gallen als umhüllende, einſchließende und gegliederte
Gallen. Doch können wir uns hier nicht weiter mit dem Gegenſtand befaſſen, als er Bezug hat
auf die Kunſtwerke der Gallwespen (Cynipidae), welche unſere achte Familie ausmachen.
Jndem eines dieſer kleinen Weſen, deren wir gleich nachher einige näher kennen lernen
werden, an der beſtimmten Stelle, welche ihm der Naturtrieb anweiſt, eine ganz beſtimmte Pflanze
mit ſeinem Bohrer anſticht und ein Ei in der Wunde zurückläßt, wird in wunderbarer Weiſe
dieſe veranlaßt, als Kugel, Zapſen, Kegel, Hörnchen, zottiger „Roſenkönig“ oder in wer weiß
welcher Form, auszuwachſen und ſo lange fortzuwuchern, als das Jnſekt deſſen bedarf. Dann
erſt, wenn der Jnſaſſe nicht mehr wächſt, iſt auch die Galle „reif“ geworden. Man ſieht alſo
ſehr wohl die Urſache und ihre Wirkung, begreift aber nicht recht die Art der Wirkung. An
Erklärungsweiſen hat es nicht gefehlt, und u. a. hat man den Hergang an der Pflanze durch den Reiz
zu erklären verſucht, welchen das Mutterthier beim Eierlegen darauf hervorbringt, und die Larve
durch ihr Saugen fortſetzt. Dieſer Reiz erſtreckt ſich ſo weit, daß die Galle zu einem Schmarotzer
der Pflanze wird, welcher nicht mehr ihr, ſondern dem thieriſchen Einwohner dient. Das Gall-
inſekt gewinnt mithin eine Herrſchaft über die Pflanze, wie kein anderes Jnſekt weiter, wie der
Menſch mit ſeinen Veredelungsverſuchen nimmermehr. Dieſer thatſächliche Hergang bei der Gallen-
bildung erklärt noch lange nicht das Wie der Wirkung und läßt eine Reihe von Fragen,
welche ſich dem denkenden Beobachter aufdrängen, unbeantwortet.
Die von den Gallwespen erzeugten Gallen ſind die vollkommenſten und ſchönſten, ſie beſtehen
aus durchaus geſchloſſenen Gebilden, welche ſich nicht von ſelbſt öffnen, wie viele andere Gallen,
ſondern von den vollendeten Jnſekten in ihrem Jnnern durchnagt werden müſſen, wenn dieſe
ſchließlich dem Freiheitsdrange aller Creaturen folgen. Eine Raupe, welche im Blattfleiſche
minirt, ein Holzwurm, welcher ſchrapend alte Bretter ausarbeitet, ſie beide haben eine gewiſſe
Freiheit, ſie werden zwar beengt durch den Nahrungsſtoff in ihrer Umgebung, können ihn aber
da fortſchaffen, wo es ihnen gefällt, und hierdurch ihre Wohnung beliebig erweitern. Anders ver-
hält es ſich mit der Made der Gallwespe. Dieſelbe liegt in einem feſteren, ſteinartigen Kerne,
der ſogenannten Larvenkammer, gleich dem Samen der Kirſche oder Pflaume in ihrem Stein-
kern. Auf dieſe enge Klanſe iſt ſie beſchränkt, ſie und die weitere Umhüllung, mehr fleiſchiger oder
holziger Natur, hat das Kerf zu durchbrechen, wenn die Verwandlung vollendet iſt. Der
gemeine Gallapfel enthält in ſeinem Mittelpunkte nur eine Larvenkammer und gehört daher zu den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/264>, abgerufen am 23.11.2024.
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